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beiden Giganten schossen damit weiter als jeder andere, und ihre Reichweite stand bei günstigem Wind einer Culverine nicht nach. Und günstigen Wind hatten sie, außerdem den Vorteil der Luvposition.

      Dan holte inzwischen mit Davies die Musketen. Die Zwillinge luden sie und sorgten für Nachschub. Auf die Gabelstützen wurde verzichtet. Es genügte, die Musketen auf den Handlauf des Schanzkleides aufzulegen und dahinter gleichzeitig Dekkung zu suchen.

      Zuvor aber wurden die Segelmanöver ausgeführt, damit sie die bessere Position auch beibehielten. Und darin machte dem Seewolf so schnell keiner etwas vor.

      Hasard reagierte schon im nächsten Augenblick. Er änderte den Kurs und ging hoch an den Wind, auf Parallelkurs zu der anderen Feluke, und damit auf Backbordbug.

      Jetzt waren die Kerle schon deutlich zu erkennen, die auf dem Deck herumrannten, getrieben durch Uluchs Befehle. Uluch Ali selbst erkannte der Seewolf jetzt auch. Der allerletzte und geringste Zweifel, daß er es tatsächlich war, war damit ebenfalls beseitigt, denn diese Visage gab es nur einmal auf der Welt.

      Hasard lag mit seinem Schiff jetzt höher als die andere Feluke, auf der man das Manöver schnell durchschaut hatte, und so deckte er sie aus der Luvposition heraus vorzüglich ab. Die Seewölfe waren eindeutig im Vorteil.

      Drüben traten ebenfalls Bogenschützen in Aktion und nahmen Aufstellung.

      „Gebt’s ihnen!“ rief Hasard.

      Big Old Shane und Batuti lauerten bereits. Die ersten glimmenden Brandpfeile lagen auf den straff gespannten Sehnen. Bei beiden Männern traten die Oberarmmuskeln wie Stränge unter der Haut hervor.

      Gespannt beobachtete der Seewolf, wie der erste Pfeil mit einem leisen Fauchen von der Sehne schnellte und in einem eleganten Bogen durch die Luft schnellte.

      Dicht vor der Piraten-Feluke fiel er ins Wasser und verzischte. Auch der zweite Pfeil erreichte sein Ziel nicht ganz.

      Auf Anhieb hatte über diese Entfernung auch niemand mit einem Treffer gerechnet, aber die beiden Pfeile lagen so dicht, daß Shane und Batuti sich schon fast eingeschossen hatten.

      Von drüben erfolgte als Antwort zuerst ein höhnisches Geschrei, dann flogen auch dort die Pfeile von den Sehnen. Sie verzischten fast auf halbem Weg und senkten ihre Spitzen ins Wasser.

      Shane hielt etwas höher. Er grinste in seinen grauen Bart, als er sah, wie weit die Kerle daneben schossen. Da brauchten sie noch einmal die doppelte Kraft, wenn sie treffen wollten. Auch Batuti hob seinen riesigen Langbogen etwas höher zum Himmel.

      Hasard beobachtete gleichzeitig das eigene Schiff, die Manöver des anderen und die beiden Bogenschützen, die jetzt die nächsten beiden Pfeile auf die Reise schickten.

      Zwei Prachtburschen, dachte er zufrieden. Eine kleine glimmende Bahn enstand in der Luft, und dann bohrte sich der erste Brandpfeil in das Großsegel der Feluke. Er saß noch nicht richtig, als auch der zweite direkt daneben einschlug.

      Davies riß vor Freude brüllend die Arme hoch. Gary Andrews grinste über das ganze Gesicht, und die Zwillinge schrien laut vor Begeisterung über die beiden geglückten Treffer.

      Durch den Wind, der die Glut anfachte, entstand augenblicklich eine kleine Flammenzunge, die schnell nach oben leckte und sich ausbreitete.

      Da sauste schon der nächste Pfeil hinüber, abgefeuert von den gewaltigen Armen des ehemaligen Waffenschmieds.

      Batuti zog nach, und dann ging es Schlag auf Schlag. Hin und wieder verfehlte ein Brandpfeil das Ziel und schlug auf dem Deck ein. Uluch Alis Kerle stürzten sich wie die Wilden darauf und rissen ihn heraus.

      Jetzt brannte das Großsegel, schwärzlich gefärbte und rußige Lappen rissen ab und wehten davon. Gleich darauf fing auch das Segel am zweiten Mast Feuer, und von drüben antwortete ein Wutgeheul.

      Sie schossen zurück, sie spannten ihre Bögen mit aller Kraft, und hinter ihnen stand ein Kerl, der sie nach jedem Fehlschuß brutal ins verlängerte Rückgrat trat. Aber sie schafften bestenfalls ein Drittel der Distanz, die Shane und Batuti beherrschten. Sie brachten es trotz aller Anstrengung nicht einmal auf die Hälfte.

      Die Feluke der Piraten drehte auf Steuerbordbug und versuchte, dichter heranzustaffeln, damit die Kerle besser zum Schuß gelangen, wenn sich die Distanz verkürzte.

      Doch der Seewolf ließ ihnen keine Chance. Er deckte die Feluke weiterhin ab, ging den ersten Schlag mit und auch gleich den zweiten. Die Verwirbelungszone, die dadurch entstand, genügte, um die Piraten leicht achteraus zu lassen.

      Der Seewolf trieb sein Spiel mit ihnen. Während die Feluke immer wieder vergeblich heranzustaffeln versuchte, einen Schlag nach dem anderen fuhr, ging Hasard immer mit, bis von drüben erneut hilfloses Wutgeheul herüberklang.

      Inzwischen hagelte es einen Brandpfeil nach dem anderen in die Segel der Feluke. Ein halbes Dutzend Kerle schoß pausenlos, etliche andere waren damit beschäftigt, ständig Wasser zu pützen, um den Brand im Segel unter Kontrolle zu kriegen. Sie schafften es nicht, das Großsegel am zweiten Mast lohte jetzt in heller Glut und war nicht mehr zu löschen. Sie schafften es lediglich, die glimmenden Segelfetzen auszutreten oder mit Wasser zu übergießen, damit das Holz kein Feuer fing.

      „Recht so“, sagte der Seewolf grimmig, „seht nur zu, daß mein neues Schiffchen kein Feuer fängt. Wir brauchen es noch.“

      Er lachte laut, segelte die brüllenden und tobenden Kerle erneut aus und hob höhnisch die Hand zum Gruß.

      Drüben wurden jetzt die beiden Drehbassen in Stellung gebracht, herumgeschwenkt und ausgerichtet.

      „Jetzt seid ihr dran!“ sagte Hasard trocken.

      Dan O’Flynn grinste hart. Er hatte die Muskete auf den Handlauf des Schanzkleides gestützt und lauerte auf den glatzköpfigen Kerl, der mit der Lunte an der Drehbasse hantierte. Dan zielte sorgfältig und genau.

      Der Schuß krachte, vor dem Lauf wölkte graublauer Rauch auf, und als der sich schnell verzogen hatte, war auch der Kerl an der Drehbasse verschwunden. Er lag mit ausgestreckten Armen an Deck und rührte sich nicht mehr.

      „Sauber, Dan“, lobten die Zwillinge anerkennend. „Der rührt nie wieder eine Drehbasse an.“

      „Quatscht nicht, ladet nach!“

      „Haben wir schon. Sieben Stück sind nachgeladen.“ Dan kriegte schon die nächste Muskete gereicht, während die Zwillinge Pulver in die Läufe kippten, die Bleikugel in den Lauf packten und die Kugel mit dem Ladestock festrammten.

      Die nächste Muskete kriegte Matt Davies, die übernächste Gary Andrews, und so war an Bord jeder beschäftigt.

      Der nächste Pirat sprang an die Drehbasse, unbarmherzig von einem vierschrötigen bulligen Kerl dorthin getreten, und er hatte sie noch nicht richtig erreicht, als Matt Davies Schuß ihn hinwegputzte. Sie machten drüben nicht viel Federlesens mit ihren Toten. Während die anderen in ohnmächtiger Wut einen Pfeil nach dem anderen abfeuerten – von denen kein einziger sein fernes Ziel erreichte – warfen ein paar andere Kerle die Toten sogleich über Bord. Das alles ging blitzschnell.

      Hasard segelte den nächsten Schlag mit, dann sah er Uluch Ali auf dem Achterdeck nach dem Kieker greifen, drehte sich voll zu ihm hin und winkte ihm fröhlich zu.

      Die Reaktion war selbst für den Seewolf verblüffend. Uluch Ali ließ den Kieker sinken, wischte sich mit der Hand über die Augen, und warf den Kieker dann voller Wut einem Kerl ins Kreuz, der unter dem plötzlichen Wurf aufschreiend zusammenzuckte.

      Uluch Ali hatte erst jetzt seinen Gegner erkannt. Im ersten Augenblick glaubte er zu träumen. Er schaute ein zweites Mal hin, und dann erkannte er den schwarzhaarigen Satansbraten, der hier sein übles Spielchen mit ihm trieb und ihn hohnlachend aussegelte, ohne ihm auch nur die geringste Chance zu lassen.

      Der Seewolf!

      Er verschluckte sich vor Aufregung und lief vor Wut knallrot an. Diese Giaurs, die er jagte, waren keine geringeren als die Seewölfe mit ihrem verfluchten Kapitän Killigrew. Damit,

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