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Vom Wagnis, ein Qualitätsprodukt zu kaufen

       Ostalgie, verlass mich nie

       Ost-westliche Transzendenz: hüben und drüben

       Hausfrau, Mutter, Karrierefrau

       Kinder laufen einfach mit

       Augen auf bei der Berufswahl!

       Karriere im Quoten-Osten

       Steht sich der Ossi selbst im Weg?

       Unsere Ossis – alles nur eine Frage der Zeit?

       Arm, aber trotzdem nicht sexy

       Lieber Gott, erhalt mir mein Klischee!

       Heimat?

       Trautes Heim, Glück allein?!

       Heuschreckenplage im Osten

       Siedler: Auf zu neuen Ufern – in Ost und West

       Reizempfindlichkeit: Subventionitis im Osten damals und heute

       Vorsicht, Propaganda!

       „Fidschi“ & Co. in einem Land von Welt

       Altlasten gestern und heute

       Wie wollen wir über die DDR sprechen?

       Schmuddelecke Diktatur

       Die Sprache der DDR

       Wenn die Stimmen flöten gehen

       Aktuelles

       Corona, Corona

       Glossar

       Die Autorinnen

       Wie soll es weitergehen?

       Von Carolin Wilms

      Einige Zeit bevor wir nach Leipzig zogen, hatten wir im USBundesstaat Michigan gewohnt. Meine zweite Tochter kam dort zur Welt. In Amerika fühlte ich mich nicht ansatzweise so fremd wie später in Leipzig: Außer der Sprache, der Zeitverschiebung und der Notwendigkeit, von Celsius in Fahrenheit und von Metern in Yard umzurechnen, war eigentlich in Michigan alles wie zu Hause: leben und leben lassen. Die Menschen waren offen, es schlug uns kein Neid oder keine Missgunst entgegen, sondern eher freundliche Gleichgültigkeit.

      In Leipzig hingegen, in meinem eigenen Land, fühlte ich mich zeitweise wie eine Außerirdische, die irgendwo im All falsch abgebogen war. Während mich in den USA die Leute nett fragten, woher ich kam und was mich an diesen Ort verschlagen hatte, erlebte ich in Leipzig zunächst eisige Ablehnung. Offenkundig war klar, dass ich aus dem Westen kam und irgendwie sollte ich dafür büßen. Besonders offensichtlich wurde das beim Autofahren. Wir hatten damals zwei Fahrzeuge mit Leipziger Kennzeichen zur Verfügung: einen verkratzten Toyota und einen Firmenwagen von einer deutschen Premiummarke. Ich fuhr jeden Tag dieselbe Strecke, je nach Umstand mit dem einen oder dem anderen Fahrzeug. Fuhr ich mit dem Toyota, geschah Folgendes: Die anderen Verkehrsteilnehmer ließen mich vor; als ich mich einmal verfahren hatte, klopfte sogar eine Frau an die Scheibe und fragte, ob sie mir helfen könne; ein Mann machte mich an der Ampel stehend darauf aufmerksam, dass meine TÜV-Plakette abgelaufen war. Alle waren freundlich. Ich war mit meinem Auto offenbar ein automobiler Underdog und damit eine von ihnen. Fuhr ich aber mit der vermeintlichen „Bonzen-Karre“, hatte ich keine Freunde mehr auf der Straße: Keiner ließ mich vor, man schnitt mich, wo immer es ging, und helfen wollte mir schon gar keiner. Die Wahl des Autos fiel somit nicht schwer, aber der schale Beigeschmack des mehr als offenkundigen Sozialneids meiner neuen Mitmenschen machte mich nachdenklich.

      Diese Befindlichkeit konnte ich auch bei einer Autorenlesung von Holger Witzel in einer Leipziger Buchhandlung erleben, bei der dieser aus seinem Buch „Schnauze Wessi“ vorlas. Die Veranstaltung war bis auf den letzten Platz ausverkauft, und die intendierten Schenkelklopfer entfalteten ihre volle Wirkung: Der Wessi wurde angepasster dargestellt als es alle Ossis im Kollektiv jemals waren. Ich fand seine Sicht der Dinge teils erfrischend, andererseits fragte ich mich nach mehreren Kapiteln und beim Betrachten der Anwesenden, warum etwa die Frauen in Hamburg nicht zum Friseur gehen sollten? Ist ein gepflegtes Äußeres wirklich von Nachteil, über das er sich glossierend äußerte? Mulmig wurde mir zumute, als sich die innere Dynamik der zumeist älteren Zuhörer dahingehend entwickelte, dass sie den Autor baten, ihre Lieblingskapitel vorzulesen, in denen es polemisch um die Selbstgerechtigkeit und den Egoismus des Wessis ging. Der Autor schien den Leipziger Zuhörern aus der Seele zu sprechen.

      Nun ist Satire eine Kunstform, deren Grenzen Jan Böhmermann mit seiner Klage gegen Angela Merkel ausgetestet hat und gleichzeitig müssen wir alle unser Geld mit irgendwas verdienen. Das scheint Herrn Witzel mit diesem Genre als nettes Zubrot zu gelingen und es ist Teil unserer demokratischen Rechte. Wenig hilfreich finde ich, dass beim historisch einmaligen Unterfangen, dem Zusammenwachsen der beiden ehemaligen Teile Deutschlands, absichtlich Salz in die Wunden gerieben wird. Wie ein Schmiss, der statt still und leise zu verheilen, absichtlich entzündet wird, um prominenter zu wirken, als er bei Licht betrachtet ist. Aus meiner Sicht hatte die Lesung dem Prozess der inneren Vereinigung einen Bärendienst erwiesen und zu einer lang unterdrückten Eruption von Gefühlen bei den „Unterdrückten und Missverstandenen“ geführt. Ironischerweise erinnerte sich in diesem emotionalen Überschwang keiner der Zuhörer an die alte Weisheit aller Gebrauchtwagenverkäufer: Jeden Morgen steht ein Blöder auf! Der Verkäufer will nicht recht haben, sondern Geld verdienen.

      Als Journalistin, die von eigenem Augenschein und O-Tönen lebt und inkognito in den Reihen saß, brachte ich am Ende nicht mehr die nötige Neutralität auf und ging, während tosender Applaus den Autor bedachte. Ich kam mir vor wie im falschen Film.

      Wie soll das weitergehen, fragte ich mich. Wie revanchistisch soll das noch werden?

      In der Zwischenzeit hat sich einiges verändert. Fahrzeuge von Premiummarken sind mittlerweile in Leipzig allgegenwärtig. Die Porschedichte nimmt es mit Stuttgart-Zuffenhausen locker

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