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Szene in Südafrika war klein. Es gab auch nicht so viele Clubs wie zur gleichen Zeit in England oder auch bereits in Deutschland. Es war konsequent, dort wegzugehen. Ich habe musikalisch in Durban auch keine so tiefen Spuren hinterlassen, dass man mich vermisst hätte.

      Gab es denn überhaupt zu der Zeit Künstler aus Südafrika, die weltweit Erfolg hatten?

      Mir ist keiner bekannt, aber ganz aktuell gibt es diese wahnsinnige Story über Rodriguez. Hast du davon gehört?

      Nein.

      Rodriguez ist ein Songwriter aus Amerika, der in den Siebzigerjahren zwei Alben produzierte, die aber beide floppten. Irgendwie gelangten die Aufnahmen nach Südafrika – und ohne sein Wissen wurde er dort zum Kultstar. Gerade die Jugend in Südafrika feierte ihn für seine Texte, die sehr den bekannten Protestsongs von Bob Dylan und Jimi Hendrix ähnlich waren. Sein Erfolg und seine Verkäufe übertrafen in Südafrika die der Beatles. Das Irre ist, dass keiner gewusst hat, wo sich Rodriguez aufhält – und ob er überhaupt noch lebt. Man kannte nur seine Musik. Erst jetzt, vierzig Jahre später, weiß er davon und spielt in Südafrika in ausverkauften Arenen.

      Und es hat wirklich keiner gewusst?

      Nein. Ein Fan aus Südafrika hat sich auf die Suche gemacht, um Rodriguez in Amerika zu finden und ihm von seiner Berühmtheit zu erzählen. Er hat ihn dann nach Südafrika geholt. Aus meiner Sicht erklärt diese Story sehr gut die südafrikanische Einstellung zu Künstlern.

      Was war dein Alleinstellungsmerkmal, um in Deutschland so schnell zum Erfolg zu gelangen?

      Ich hatte eine ganz eigene Stimme. Bestimmt gibt es viele bessere. Aber gut, meine war dazu noch mit einem für Deutschland ungewöhnlichen Akzent ausgestattet, und ich war als Südafrikaner ein Unikum. Der schnelle Erfolg war nicht gerade gut für mich.

      Warum?

      Hey, ich war plötzlich mitten in Europa – ein Südafrikaner, der bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr nicht mal wusste, wie ein Fernsehgerät aussah. Und dann verkaufte ich von der Single „Das schöne Mädchen von Seite 1“ sechzig- bis achtzigtausend Platten am Tag. Das war der Wahnsinn.

      In welcher Hinsicht denn?

      Na, was macht ein junger Mann als Erstes? Jedenfalls damals? – Er kauft sich ein tolles Auto. Für mich ein Traum: ein blauer ­Mustang Mach 1. Dazu war mein Blick in die Zukunft voller Zuversicht, und ich hatte ein buntes Sexleben. Damals sprach ich noch wenig Deutsch. Von Schlagern hatte ich als Südafrikaner nie etwas gehört. Aber ich sang das, was die Experten – Produzenten, Texter, Komponisten – mir anboten. Das Geld wurde auf ein Konto gelegt und vermehrte sich schnell. Als ich beim deutschen Schlagerfestival 1970 klar auf Platz eins landete, war ich der Meinung, dass ich nun darauf verzichten konnte, in der legendären ZDF-Hitparade mit Dieter Thomas Heck aufzutreten. Ja, und dann musste ich schnell lernen, dass es ohne doch nicht ging.

      Das klingt ganz schön arrogant.

      Das war es auch. Aber der berühmte Erfolg über Nacht ist gefährlich – und selbst bis heute gibt es dagegen kaum ein Rezept. Natürlich wird ein möglicher Erfolg heutzutage viel besser vorbereitet. Künstler und Management arbeiten ganz anders zusammen. So etwas gab es in meiner Anfangszeit nicht. Wir traten jeden Samstag vor der halben Nation auf und konnten überhaupt nicht einschätzen, was drei Minuten Auftritt am nächsten Tag aus uns machen würden.

      Nun gab es also erst einmal einen Rückschlag. Konnte der erfolgsverwöhnte Howard Carpendale den so einfach ­wegstecken?

      Klar, mein Ego war angekratzt. Doch wenn ich heute zurückblicke, muss ich sagen, dass diese Jahre des Misserfolgs, also 1971 und 1972, meine Rettung waren. Ohne diese Erfahrungen wäre es mir sicherlich so ähnlich gegangen wie den meisten Sängern aus der damaligen Hitparade. Manche sind leider schon von uns gegangen, viele sind vereinsamt, sogar verarmt und verzweifelt.

      Diese Jahre, in denen ich keinen einzigen Hit hatte, zeigten mir, dass die sogenannten Experten gar keine waren. Irgendwann war ich so weit, dass ich meiner damaligen Frau Claudia sagte, ich würde meine Zelte abbrechen und zurück nach Südafrika gehen. Aber da tat sie etwas, was sie heute auch noch macht – sie unterstützte mich bedingungslos und sagte: „Nur über meine Leiche.“ Über die besondere Beziehung zwischen Claudia und mir werden wir in diesem Buch sicher noch ausführlicher sprechen. Sie bestand darauf, dass ich zu meiner Schallplattenfirma ging und einen ganz besonderen Deal anbot.

      Was für einen Deal?

      Ich hatte 1970 einen Zehnjahresvertrag über eine Million D-Mark abgeschlossen. Damals ein Traumvertrag. Der war mir nun jedoch völlig egal. Ich ging also zu meinem Schallplattenboss und sagte ihm: „Ihr könnt euch euren Vertrag sonst wohin stecken. Ihr lasst mich zwei Platten alleine machen. Wenn kein Hit dabei ist, zerreißen wir den Vertrag.“ Ich kann dir sagen, der Schallplattenboss war sehr glücklich.

      Und was passierte dann?

      Ich komponierte mein erstes Lied. Das heißt, ich sang die Melodie, die ich im Kopf hatte, in einen Kassettenrekorder. Kennst du die Dinger noch?

      Natürlich. Damit habe ich früher immer meine Lieblingshits aus dem Radio aufgenommen. Aber du warst noch nicht fertig. Du hast also komponiert – und dann?

      Ein Gitarrist suchte zu meiner Melodie die richtigen Harmonien, und Fred Jay, Deutschlands größter Texter, schrieb den Text. Der Song „Da nahm er seine Gitarre“ war geboren. Bei Dieter Thomas Heck sang ich das Lied in der ZDF-Hitparade – und es wurde ein Hit. Ich darf nicht darüber nachdenken, wo ich heute wäre, wenn das damals nicht geklappt hätte.

      Ab dem Zeitpunkt warst du aber auch wieder mitten in der Schlagerszene.

      Es gab nur Schlager. Und die habe ich gerne komponiert und gesungen. Die Hits wurden immer größer – „Du fängst den Wind niemals ein“, „Deine Spuren im Sand“, „Tür an Tür mit Alice“. Und dann kam mein Bassist Joachim Horn-Bernges dazu und half mir beim Komponieren. Er hatte großes Talent – lange Zeit schrieben wir alles zusammen. Für mich war diese Zusammenarbeit wahnsinnig wichtig, denn ich hatte in ihm einen Partner, mit dem ich lachen und streiten konnte. Nächtelang feilten wir an den Texten und wagten Dinge, die man normalerweise im Schlager nicht vermuten würde. Wir haben hin und wieder Harmonien hinzugefügt, die nicht typisch für den Schlager waren. Manche Nummern waren eher nach englischem oder amerikanischem Muster gestrickt.

      Und nach fünfunddreißig Jahren war dann Schluss?

      Es war ein schleichender Abschied von der Zusammenarbeit. Wir spürten beide, dass nach siebenhundertfünfzig Titeln irgendwie alles von uns schon mal bearbeitet wurde. Wir brauchten beide neue Impulse. Joachim schreibt heutzutage immer noch großartige Texte für andere Künstler. Seine Handschrift ist unverkennbar. Er war unendlich wichtig für meinen Erfolg.

      Ihr hattet bis dahin viele Hits.

      Es war unglaublich. Von 1974 bis 1990 landete ich einen nach dem anderen. Und die Alben dazu waren auch sehr erfolgreich. Der Schritt vom Singleverkäufer zum Albumkünstler ist der erste große Schritt in Richtung Entertainer. Und so fing ich ab etwa 1978 an, mich bewusst mehr auf ganze Alben zu konzentrieren und meinen eigenen Stil zu entwickeln. Hits waren wunderschön. Zu sehen, wie man in den Charts nach oben kletterte und all die großen Namen dieser Welt dabei hinter sich ließ, war sehr aufregend. Aber ich wusste, dass ich als Sänger einer von vielen war. Ich wollte auf die großen Bühnen, aber nicht nur mit einer Aneinanderreihung von Hits. Ich wollte entertainen. Ist deine Frage vom Anfang jetzt beantwortet?

      Na ja, es gibt Songs und Situationen, bei denen du mal in die Schlager-Schublade und mal in die Entertainer-Kategorie gehörst. Ich denke, die breite Öffentlichkeit sieht dich in erster Linie als Schlagersänger.

      Die Deutschen haben beim Wort Schlagersänger einen bestimmten Typ vor Augen. Davon gab und gibt es sicherlich noch einige. Dieter Thomas Kuhn und Guildo Horn haben es später perfekt verstanden, den typischen Schlagersänger zu verkörpern. Ganz klar als Parodie, aber immer mit Respekt. Das gefällt mir. Und wenn ich mir auf YouTube die Auftritte von Dieter Thomas Kuhn anschaue, wenn er vor der ausverkauften Waldbühne das „Ti amo“ interpretiert, dann hat

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