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aux Folles werden und wir sollten zu den gerngesehensten Gästen zählen, doch sang ich nie wieder auf diesem Klavier.

      Noch bevor ich sprechen (oder singen) konnte, sprachen Leute meine Mutter oft auf mein außergewöhnliches Äußeres an. Mein Mom prahlte gerne damit, dass Leute, als ich noch ein Kleinkind war, uns aufhielten, um zu kommentieren, wie „schön“ ich doch wäre. Selbstverständlich hielt Mom ihr Kind für das schönste auf der Welt, aber tut das nicht jede Mutter?

      Eines Tages, als wir gerade in einem New Yorker Taxi fuhren, wurde ihr eine Idee eingepflanzt, die ihr vorher vielleicht schon gekommen sein mochte – oder eben auch nicht. Es ging um das Aussehen ihres Babys und die Möglichkeit, Kapital daraus zu schlagen. In der Geschichte, die sie erzählte, wurde sie mit ihrem zehn Monate alten Baby an einem Frühlingstag im Jahr 1966 von einem typischen New Yorker Taxifahrer nach Uptown gefahren. Der Fahrer blickte ein paar Mal in seinen Rückspiegel und verkündete dann mit seinem breiten New Yorker Akzent: „Wissen Sie, Ihr kleines Kind? Sie könnte modeln!“

      Offenbar hatte er selbst eine zwei Jahre alte Nichte, die bereits als Model aktiv war. „Jetzt verdient die Kleine in der Stunde mehr als ich. Stellen Sie sich das vor!“

      Mom dankte dem Taxifahrer für das Kompliment und den Vorschlag, gab ihm ein gutes Trinkgeld und stieg schließlich aus. Aber die Idee ließ sie nicht los – und wie es das Schicksal so wollte, rief sie ein paar Wochen später einer der Fotografen, mit denen sie befreundet war, an. Er war in Panik: „Wir brauchen ein Baby, das küssen kann!“ Er fotografierte gerade eine Werbeanzeige für Ivory, einen Seifenhersteller, und hatte unzählige Babys für die Kampagne unter die Lupe genommen. Der Klient war aber nicht glücklich mit seiner Wahl. Keines der Hunderte von Babys, die er sich angesehen hatte, erschien ihm geeignet. Sie sahen entweder dem Model, das als Mutter gecastet worden war, nicht ähnlich genug, waren in ihrer Niedlichkeit nicht einzigartig genug, konnten nicht küssen, oder schrien einfach die ganze Zeit wie am Spieß. Das Baby musste wissen, wie man küsste, doch war das anscheinend das Allerletzte, was diese Kinder in diesem Moment machen wollten. Es herrschte Chaos. Die Kinder schrien und der Klient war bereits den Tränen nah.

      Der Fotograf bettelte nun meine Mutter an, mich doch bitte in sein Studio zu bringen. Ich bilde mir ein, mich vage daran zu erinnern, wie ich durch das Durcheinander und das Geschrei getragen wurde. Es kann aber auch sein, dass mir diese Geschichte so oft erzählt wurde, dass es mir einfach nur so vorkommt, als würde ich mich erinnern. Anscheinend fand das Shooting am mittleren Nachmittag statt und ich hatte bereits mein Mittagsschläfchen gehalten, weshalb ich bester Laune war. Da ich mich – wie sonst auch – wohl unter Erwachsenen fühlte, also mich nicht erst an sie gewöhnen musste, lächelte und küsste ich die ganze Zeit über und war sehr neugierig. Ich wurde also vom Fleck weg engagiert und wurde mit einem Stück Seife, auf dem „mother“ stand, fotografiert – letzten Endes war Küssen dann aber doch kein Teil des Jobs. Während der Session saß ich auf dem Boden eines gerade erst weiß gestrichenen Sets und öffnete nacheinander 24 Schachteln mit Ivory-Seife, in denen jeweils wiederum zwölf Stück Handseife enthalten waren. Der Klient war begeistert und auch sonst war jeder glücklich. Der erleichterte Fotograf hob mich auf seinen Arm und umarmte Mom dafür, dass sie den Tag gerettet hatte. Die Welt kannte diesen bereits berühmten Fotografen als Francesco Scavullo – aber für mich war er einfach nur „Onkel Frankie“.

      Meine Karriere als Model hatte somit begonnen. Ich hatte also im reifen Alter von elf Monaten schon eine bedeutende, landesweite Werbeanzeige auf der Habenseite zu verbuchen. Mom begriff, dass sich ihr eine Chance eröffnete beziehungsweise sie nun nicht locker lassen sollte. Ich war bei keiner Agentur, weshalb ich niemandem einen Prozentanteil abgeben musste, und so blieb das Geld für diesen ersten Job zur Gänze bei meiner Mutter und bei mir. Mom hatte immer wieder mal teilzeitlich im Buchladen Brentano’s gearbeitet, aber der Lohn dafür war zu gering, um alle Ausgaben für mich beziehungsweise unsere Lebensunterhaltskosten abzudecken. Obwohl es nicht von ihm verlangt wurde, half Dad bei der Miete aus, aber die Möglichkeit eines zusätzlichen Einkommens, die sich uns bot, war absolut verlockend.

      Mom fand eine Managerin namens Barbara Jarrett, obwohl ich danach länger keinen großen Modeljob mehr machte. Als ich jedoch dann zwei oder drei Jahre alt war, bekam ich Angebote für Kataloge und wurde die nächsten paar Jahre lang sowohl von Mom als auch von Barbara gemanagt. Ich finde es interessant, dass meine Mom und auch ich schon sehr jung zu arbeiten begonnen haben. Häuser sauber zu machen und zu modeln unterscheiden sich sehr voneinander, aber ein gewisser Arbeitsethos wurde uns bereits früh eingeimpft. Mom war fantasievoll und couragiert als Kind und später war sie eine unverblümte und kreative Mutter. Und nun ergriff sie die Gelegenheit beim Schopf.

      Ich hatte immer noch fast keine Haare, weshalb ich die ersten beiden Jahre in erster Linie als Junge besetzt wurde. Einmal, kurz bevor wir uns auf den Weg zu einem Shooting vor Ort in Jamaika machten, nahm Barbara Mom beiseite und sagte: „Nimm ihr um Himmels Willen bloß nicht den Badeanzug vor irgendjemandem ab, sie denken nämlich, sie ist ein Junge.“

      Als Kindermodel wurden wir dafür bezahlt, Aktivitäten nachzugehen, die wir uns unter anderen Umständen manchmal gar nicht leisten hätten können. Die Reisen waren jedes Mal ein Heidenspaß. Die Moms und die Kinder fanden sich sehr zeitig am Morgen an einer Straßenecke ein und bestiegen dort einen großen Campingbus. Man wurde verköstigt und die Fahrten waren immer lustig und verrückt. Die Kinder spielten und sangen Lieder. Ich liebte es, an diversen Locations zu sein oder in zahlreichen tropischen Ressorts abzusteigen. Dort konnte man Eidechsen jagen und in der Sonne sein. In der Regel verreiste immer dieselbe Gruppe von Kindern, unter denen sich mit der Zeit langjährige Freundschaften entwickeln sollten. Das sind ein paar der frühesten und schönsten Erinnerungen daran, ein Model zu sein.

      Ich dachte, meine Mom wäre unfehlbar. Ich glaubte, dass sie sogar das Wetter beeinflussen könnte. Eines Tages, als ich ungefähr vier Jahre alt war, kaufte sie mir einen roten Regenmantel aus Lackleder sowie einen dazu passenden Regenhut. Es war ein sonniger Tag, aber ich wollte dennoch meinen neuen Mantel und den Hut tragen. Meine Mom bestand darauf, wie unwahrscheinlich es sei, dass es regnen würde. Sie meinte, dass das Ding heiß und ungemütlich sei. So wie meine Mom die Geschichte erzählte, lief ich aus dem Apartment hinaus und blickte über meine Schulter hinweg zu ihr und erklärte: „Keine Sorge, Mama, du wirst es schon regnen lassen.“ Und als wir schließlich auf die Straße traten – so sagte sie mir –, öffneten sich die Himmelsschleusen und es begann, wie in Strömen zu regnen.

      Als ich so etwa neun Jahre alt war, zogen meine Mutter und ich in ein Apartment in der Seventy-Third, zwischen der First und Second Avenue. Es befand sich im sechsten Stock eines weißen Backsteingebäudes namens Morad Diplomat. Ich war meinem Dad nahe, doch mit meiner Mutter fühlte ich mich unglaublich verbunden. Sie war alles für mich. Als wir einzogen, hatten wir nur sehr wenige Möbel. Unsere erste Nacht verbrachten wir auf einer Queen-Size-Matratze, die auf dem Boden an einer Wand lag. Wir hatten Bettbezüge, ein Daunenkissen und eine große, bunte Häkeldecke, die meine Mom von einem Besuch in der Wohnung ihrer Mutter in Newark mitgebracht hatte.

      Mom schlief mit dem Rücken zur Wand und ich war das „kleine Löffelchen“. Ich werde mich immer daran erinnern, dass ich friedlich und geborgen einschlief. Es war eine der besten Nächte meines Lebens.

      Für mich war es immer das schnellst wirkende Schlafmittel, wenn mich jemand auf diese Weise „löffelte“. Diese Nähe zu meiner Mom gab mir das Gefühl allergrößter Geborgenheit und Sicherheit. Auf gewisse Weise war es so, als wäre ich wieder an die Brust meiner Mutter geschnallt, nur dass wir nun nebeneinander lagen. Ich glaube, dass wir beide annahmen, wir würden für immer in dieser Dynamik existieren. Ich liebte es, wie das Bett an der Wand angrenzte, ich mit meiner Mutter Löffelchen machte und dabei die Tür im Auge behielt. Ich befand mich in einem warmen Kokon und hatte keine einzige Sorge auf der Welt. Wir waren miteinander verbunden und zufrieden.

      An einem dieser ersten Abende sagte ich: „Umarme mich!“ Meine Mom packte mich dann ein und legte ihren linken Arm um mich. Sie fragte mich immer, ob ihr Arm zu schwer sei. Das war er nie, aber auch wenn er es gewesen wäre, hätte ich mich zu sehr davor gefürchtet, dass sie ihn weggenommen hätte, wenn ich Ja gesagt hätte. Stattdessen sagte ich immer, dass alles in Ordnung sei. Ich bin nicht sicher, ob Mom das ganze Gewicht auf mir

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