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Mutter verbunden, dass es sich fast schon auf meine Geschmacksnerven auszuwirken schien. Mir schmeckten Küchlein namens Yodels, bis meine Mutter eines Tages einen kostete und sagte, dass er „wachsartig“ schmecke. Nach dem nächsten Bissen stimmte ich ihr zu und aß fortan nie wieder einen Yodel. Eigentlich weiß ich gar nicht, ob ihr Yodels nicht doch schmeckten. Vielleicht wollte sie nur, dass ich aufhörte, Müll zu essen. Aber egal, wie es tatsächlich war, ihre Meinungen waren ausgeprägt genug, um mich dahingehend zu beeinflussen, wie mir mein Essen schmeckte.

      Ich weiß, dass sie auch damals schon trank, aber die Auswirkungen waren für mich in so jungem Alter noch nicht so offenkundig. Wenn überhaupt, dann schien es sie nur lustiger und kreativer zu machen. Meine Mutter war immer so eine tolle Künstlerin und kreative Bastlerin. Jedes Halloween stellte sie ausgeklügelte Kostüme für mich her. Ab meinem dritten Lebensjahr kam sie aber jahrelang recht billig davon, da ich mich immer als Charlie Chaplin verkleidete. Ich gewann oft den ersten Preis für dieses Kostüm und dafür, dass ich den berühmten Watschelgang imitieren konnte und gleichzeitig den Gehstock kreisen ließ. Aber als ich heranwuchs, begann ich, zunehmend feminine Verkleidungen zu bevorzugen. Einmal verwandelte sie mich etwa in eine riesige, blühende Rose. Mein Kopf lugte dabei aus der Mitte vieler Schichten Rosenblütenblätter aus Krepp heraus. Meinen Körper hüllte sie in ein grünes Kostüm und grüne Strumpfhosen, die den Stiel der Rose darstellten, und an jeder Hand brachte sie grüne Blätter aus Krepppapier an. Die Strumpfhosen trug ich über meinen Pennyloafers und am Ende des Abends hatte ich sie durchgescheuert. In einem anderen Jahr fertigte meine Mutter mir eine perfekte Kopie einer Tube der Zahnpastafirma Crest her. Sie übertrug das Design der Tube auf Karton und bastelte mir sogar eine Verschlusskappe. Ich war begeistert von der Präzision ihrer Arbeit, aber es war sehr anstrengend, in diesem Kostüm zu gehen. Ich musste mich in kleinen Schritten fortbewegen, wie eine Geisha, und die Kanten des Kartons schnitten mir von vorne in die Knöchel. Die Schmerzen machten mir aber nichts aus, weil es ein so kreatives Kostüm war und ich so stolz darauf war, dass es meine Mom selbst angefertigt hatte.

      Mom investierte so viel Zeit in die Verkleidungen, dass ich anfing, mir zu erwarten, den Kostümwettbewerb in der Turnhalle, wo wir jedes Jahr Halloween feierten, Sokol Hall, zu gewinnen. Da wir in einem Apartmentgebäude wohnten, war es einfach, bei den Nachbarn Süßigkeiten einzusammeln, und ich durfte mich alleine mit einer Freundin auf den Weg machen.

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      Ich lud eine Mitschülerin ein und wir starteten unsere Runde im obersten Stockwerk beim Penthouse und arbeiteten uns nach unten durch. Das dauerte Stunden und unsere wie Kürbisse geformten Eimerchen quollen bereits über vor Süßigkeiten, wenn wir die Apartments im Erdgeschoss erreicht hatten. Das war die Blütezeit der Panik um Rasierklingen in Liebesäpfeln, weshalb es mir nicht erlaubt war, irgendetwas von meiner Beute zu essen, bevor Mom sie nicht einer gründlichen Prüfung unterzogen hatte. Es war immer alles in Ordnung, weil wir jeden Bewohner des Gebäudes persönlich kannten. Und eigentlich aß ich nie den ganzen Süßkram, den ich geschenkt bekommen hatte. Bevor ich auch nur den halben Eimer fertig gegessen hatte, waren die Sachen darin schlecht geworden.

      Eine andere Geschichte, die mir sehr gut gefällt, handelt von meiner Puppe Blabby. Blabby ähnelte den Puppen von Baby Tender Love aus den Siebzigern, die ich auch liebte, aber Blabby war ein wenig einzigartiger. Wenn man ihren Bauch drückte, gab sie Babylaute von sich. Ich nahm sie so oft mit in die Badewanne, dass das Geräusch allerdings irgendwann einem Bellen glich. Später schnitt ich ihr mit meiner Kinderschere fast alle Haare ab. Sie sah dann eigentlich ziemlich punkig aus und war somit ihrer Zeit voraus, aber schon bald fielen die Haare wegen der vielen Bäder und dem Bürsten ganz aus.

      Blabby begleitete mich überall hin. Wenn wir mit dem Flugzeug flogen, schnallte sie Mom gemeinsam mit mir auf meinem Sitz fest. Der Sicherheitsgurt umschloss uns beide und wurde erst dann fixiert, wenn Blabby „signalisierte“, dass er eng genug saß.

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      Als ich circa sechs Jahre alt war, mussten Mom und ich auf einem Flug zurück nach New York in irgendeiner Stadt umsteigen. Während wir warteten, hatte ich Blabby im Terminal zurückgelassen, nachdem ich mich dort mit irgendeinem Computerspiel in der Art von Pac-Man beschäftigt hatte. Uns fiel das erst auf, als Mom mich auf meinem Platz festschnallte und realisierte, dass Blabby nicht auf meinem Schoß saß. Das Flugzeug hatte sich bereits auf dem Rollfeld in Bewegung gesetzt, als meine Mutter auf einmal wie wild nach der Flugbegleiterin verlangte. Sie befahl mir, kein Wort zu sagen. Sie sah der Stewardess in die Augen und sagte ruhig, aber doch emotional und todernst: „Wir müssen aus diesem Flugzeug aussteigen! Es geht um Leben und Tod.“

      Das war lange vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und die Sicherheitsbestimmungen waren noch viel weniger streng. Auch muss die Flugbegleiterin ausreichend alarmiert gewesen sein, denn sie begab sich ins Cockpit, und das Flugzeug rollte zurück zum Gate, um uns beide aussteigen zu lassen. Mom und ich verließen ohne ein weiteres Wort den Flieger und begaben uns schnurstracks zu dem Spiel, das ich gespielt hatte, bevor wir in das Flugzeug eingestiegen waren. Blabby war nicht dort, also versuchten wir es beim Fundbüro. Wir gaben eine Beschreibung von Blabbys Aussehen ab und hatten bereits über eine Stunde gewartet, als wir plötzlich von Weitem Vertreter der Fluglinie auf uns zukommen sahen. Er versteckte die Puppe mit einem Anflug von Verlegenheit hinter seinem Rücken und war zweifellos erleichtert, als er sie mir zurückgab. Nun, er konnte nicht erleichterter gewesen sein, als ich es war. Ich hatte gewusst, dass meine Mom die Sache in Ordnung bringen würde.

      Ich habe Blabby heute noch. Aber da sie kahlköpfig ist und mittlerweile ein großer Spalt ihren Kopf durchzieht, finden sie meine Freundinnen unheimlich. Da muss ich ihnen widersprechen. Ich habe vorher und nachher nie eine Puppe gesehen, die an sie herankam. Mom hatte sie mir geschenkt und nachdem sie gestorben war, hängte ich Blabby ihre Halskette um. Unheimlich oder nicht, sie sitzt in meinem Schlafzimmer und erinnert mich an das eine Mal, als Mom eine 747 auf dem Rollfeld anhielt, um mir meine Babypuppe zu holen.

      Mom gefiel die Vorstellung, dass sie solch eine Macht ausspielen konnte, vermutlich sehr. Sie sagte immer, dass solange man in Bezug auf seine Meinungen und die Art, wie man sie vorbrachte, unnachgiebig blieb – auch wenn man dabei nicht ganz die Wahrheit sagte oder sich nicht gänzlich klar ausdrückte –, man sich auf Überraschungen bereit machen müsse, wie weit man damit käme.

      Mom war schon ihr ganzes Leben lang eine unkonventionelle Person gewesen und auch der Umstand, dass sie nun Mutter war, konnte nichts daran ändern. Sie nahm mich auch, als ich nun etwas älter wurde, weiterhin in Bars mit. Ich weiß noch, wie sie mir zeigte, wie man mit einem Billardqueue hinter dem Rücken einen Stoß ausführen konnte. Da war ich sicher nicht älter als acht – und ich lernte schnell. Als ich aufgeregt meinen Vater anrief, um ihm mitzuteilen, was ich gerade gelernt hatte, fragte er mich bloß: „Wo bist du?“

      „In einer Bar“, antwortete ich.

      „Um Himmels Willen.“

      Ich bin mir sicher, dass Dad davon nicht begeistert war, aber ich war ja in Sicherheit, hatte Spaß und meine Mutter schien die Situation unter Kontrolle zu haben. Da konnte man nur schwer dagegen argumentieren.

      Das nützlichste Bartalent, das ich mir aneignete (bevor ich lernte, wie man mit der Zunge einen Knoten in einen Kirschenstiel macht), war, zwölf Zuckerwürfel zwischen meinem Daumen und meinem kleinen Finger festzuhalten. Es war jene Fähigkeit, die ich dazu benützen sollte, um ein Gespräch mit der einzigartigen Jackie Onassis zu beginnen.

      Mom und ich befanden uns gerade in ihrer langjährigen Lieblingsbar, P. J. Clarke’s, als Mom Jackie und Aristoteles Onassis bei einem winzigen Fenster in der menschenleeren Mittelsektion der Bar sitzen sah. Es war ihr Tisch! Mom sagte: „Brookie, das ist die Mutter des Jungen, den du heiraten wirst, wenn du groß bist.“ Ohne um Erlaubnis zu fragen, sprang ich auf und ging zu ihrem Tisch hinüber, um mich höflich vorzustellen.

      Anscheinend sagte ich ohne Umschweife: „Hi, wenn ich erwachsen bin,

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