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will ich haben!“ Das gegenseitige Kennenlernen ging so vonstatten, wie es in solchen Bars voll mit Stammkunden oft vorkommt. Freunde von Freunden stellten einander vor und Mom legte sich rasch einen Plan zurecht. Sie fuhr damit fort, ihren Trinkkumpan betrunken zu machen, damit sie ihn auf diese Weise loswürde. Sobald Jack anfing, undeutlich zu sprechen, erfasste Mom die Gelegenheit beim Schopf. Sie bat meinen Vater, ihr dabei zu helfen, ihren Freund in ein Taxi zu setzen. Dem Taxifahrer teilte sie noch die Adresse mit und stand dann mit meinem Dad auf der Straße und war offen für Vorschläge.

      „Kannst du das glauben, dass er mich gerade allein gelassen hat!?“ Dad bot ihr an, sie nachhause zu begleiten. Hier war sie nun, diese ein Meter 75 große blonde Schönheit mit Beinen wie Cyd Charisse, der Garderobe einer kultivierten New Yorkerin und ihrem fesselnden Witz. Dies waren die Jahre, in denen sie am schönsten war, und wenn man noch ein paar Cocktails zur Senkung jeglicher Hemmschwellen beimischte, wurde sie schier unwiderstehlich. Wie hätte er sich ihr da entziehen können?

      Das ist leider auch schon alles, was ich von dieser Story weiß, aber offenbar kam sie noch in sein Apartment mit, das sich in der East Fiftieth Street befand. Mein Vater verpasste am nächsten Tag seinen Flug nach Los Angeles und musste jener Freundin, die er dort eigentlich hatte besuchen wollen, eine Lügengeschichte auftischen. Mom behauptete, dass sie daraufhin drei Tage lang die Wohnung nicht mehr verließen. Dieses spezielle Detail hätte ich nicht unbedingt wissen müssen, aber es schien zwischen ihnen wohl alles gepasst zu haben. Mom und Dad begannen miteinander zu gehen – und lernten einander näher kennen.

      Der familiäre Hintergrund meines Dads unterschied sich sehr stark von jenem meiner Mutter, die ja aus Newark stammte. Seine Mutter hieß Infanta (Donna) Marina Torlonia und sie war eine in Italien geborene Aristokratin sowie die Tochter des vierten Principe di Civitella-Cesi, Marino Torlonia, und Elsie Moore, seiner amerikanischen Ehefrau. Marino war der erste Privatbankier des Papstes gewesen und war nun der oberste Verwalter der Finanzen des Vatikans. Mussolini hatte sogar eines seiner Eigenheime als Sommerresidenz in Beschlag genommen, wofür er ihm nur einen Dollar bezahlt hatte. Dads italienische Mutter Marina heiratete schließlich den in New York City geborenen Tennisspieler Francis Xavier Alexander Shields. „Pop-Pop“ oder „Big Frank“, wie ihn die Leute gerne nannten, war sowohl in Wimbledon als auch bei den U.S. Open im Finale gestanden und dies war seine zweite Ehe. Pop-Pop war außerdem Schauspieler, der gemäß dem alten Studiosystem unter Vertrag stand. Es hieß, dass sein Vertrag als Einsatz in einer Partie Poker hatte herhalten müssen und er sich aus diesem Grund gezwungen sah, das Studio zu wechseln. Mom und ich sahen uns später ein paar seiner Filme an, etwa Nimm, was du kriegen kannst, bei dem Howard Hawks Regie geführt hatte und neben Großvater auch noch Frances Farmer zu sehen war.

      Meine Großeltern ließen sich scheiden, nachdem mein Vater, der ebenso Frank hieß, und seine Schwester Marina zur Welt gekommen waren. Seine Mutter heiratete daraufhin Ed Slater, ebenfalls Amerikaner, und ließ sich auch von ihm wieder scheiden, nachdem sie mit ihm einen Sohn und eine Tochter bekommen hatte. Pop-Pop hatte noch zwei weitere Kinder mit seiner dritten Ehefrau, Goody Mortimer.

      Es ist schon interessant, dass in fast jeder dieser Ehen Vertreter der italienischen Aristokratie über gesellschaftliche Schwellen hinweg amerikanische Bürgerliche heirateten. Meine adelige Großmutter heiratete einen Tennisspieler und Schauspieler aus New York und mein Dad eine Frau aus Newark – und ich sollte wiederum später einmal einen Tennisspieler aus Las Vegas ehelichen. Dad fiel das später auf, als meine Hochzeit mit Andre Agassi bevorstand. Und offensichtlich hatte keine dieser Ehen ein Happy End.

      Ein paar Jahre später hieß es, dass meine Großmutter sich in einen verheirateten Mann verliebt hätte. Nach der Hochzeit ihres Neffen in Italien war sie auf dem Empfang zur Feier gewesen, als sie bei einem furchtbaren Autounfall ums Leben gekommen war. Es wurde gemunkelt, dass sie absichtlich nicht im Wagen ihrer geheimen Liebe mitgefahren sei, um so einen Skandal zu vermeiden. Die traurige Ironie bei der Sache war, dass der Sohn dieses Mannes, Roffredo Gaitani Lovatelli, auf dieselbe Weise ums Leben kommen sollte. Besonders schlimm war, dass Dads Mom bei diesem Unfall enthauptet wurde und ihr einziger Sohn, der damals gerade 18 Jahre alt war, die Leiche identifizieren musste. In Italien gilt der erstgeborene Sohn als nächster Angehöriger. Da sie damals in Scheidung lebte, musste er von der University of Pennsylvania, wo er in seinem ersten Studienjahr war, nach Italien fliegen, um seine Mutter zu identifizieren.

      Es muss eine sehr traurige Zeit im Leben meines Vaters gewesen sein. Ich denke, er war wohl nie wieder derselbe, nachdem seine Mutter gestorben war. Obwohl er Internatsschulen besucht hatte und nicht oft bei seiner Mom gewesen war, hatte sie doch eine wichtige Rolle in seinem Leben gespielt. Sie hatte das Leben einer Aristokratin gelebt und war quer durch Europa gejettet. Mom erzählte mir einmal, dass sie Postkarten von Dads Mutter gesehen hatte, die sie aus Orten wie Gstaad in der Schweiz verschickt hatte. Darauf stand dann, dass es ihr zwar Leid täte, sie aber Weihnachten nicht mit ihm verbringen könne, da sie im Skiurlaub sei, ihn aber bald wiedersehen würde. So wie auch meine Mom war Dads Mutter groß und ähnelte einer Statue. Zwar würde man seine Mutter wohl eher als „gutaussehend“ bezeichnen, aber sie war keine solche Schönheit wie meine Mom. Dennoch konnte man seiner Mutter – sowie auch meiner Mom – nicht absprechen, über eine starke Ausstrahlung verfügt zu haben. Marina war stark und hatte die Kontrolle. Sah mein Dad vielleicht etwas von seiner Mutter in meiner Mom? Ich bin mir sicher, dass er sich sowohl von ihrer Power, ihrem scheinbaren Selbstvertrauen als auch von ihrer Schönheit angezogen fühlte. Mit ihrem Alter schien er kein Problem zu haben. Sie war ja immerhin acht Jahre älter als er, und das war in den Sechzigerjahren nicht gerade alltäglich. Ich vermute, er konnte dieser umwerfend feurigen Frau einfach nicht widerstehen. Jedoch sollten der soziale Hintergrund und die Erziehung später noch zu einem großen Problem werden.

      Aber damals, so bin ich überzeugt, fand Dad ihr Charisma und ihren Humor erfrischend, auch wenn sie keine College-Absolventin oder Debütantin aus der Oberschicht war. Sie war bekannt für ihre energiegeladene Persönlichkeit und ihre wagemutige Einstellung. Es wirkte, als könnte sie sich mit Leuten aus allen Bereichen des Lebens unterhalten und als hätte sie keinerlei Schwierigkeiten, sich in unterschiedliche gesellschaftliche Szenarien einzufügen. Allerdings hatte er nicht von Anfang an wissen können, wie flatterhaft und anfällig für Drama sie in Bezug auf ihre Beziehungen war. Es bestand jedenfalls kein Zweifel daran, dass er in seine ganz eigene Version des Pelzmantel-Vorfalls verwickelt werden würde, wenn er nur lange genug am Ball bliebe.

      Bald schon entdeckte meine Mutter, dass sie schwanger war. Als sie meinen Dad davon in Kenntnis setzte, muss diesen Panik befallen haben – und nicht ganz zu Unrecht. Er war noch nicht bereit, Vater zu sein. Gerade erst war er ins Geschäftsleben eingestiegen und musste viel umherreisen. Auch Geld hatte er nicht so viel, wie man vielleicht denken möchte. Außerdem war er ja noch selbst ein Kind. Dad wusste nicht wirklich, wie er mit der Sache umgehen sollte. Er muss seinen Vater eingeweiht haben, denn dieser machte sich auf, meine Mutter davon zu überzeugen, die Schwangerschaft abzubrechen. Mir wurde erzählt, dass mein Großvater meine Mutter zu einem Treffen einlud, um die Situation mit ihr zu besprechen. Mom besuchte Pop-Pop in seinem Apartment, die beiden nahmen Platz und unterhielten sich. Er forderte meine Mom auf, die Schwangerschaft abzubrechen, da ein uneheliches Kind das gesellschaftliche Ansehen meines Vaters kosten könnte. Mom erklärte, dass sie nicht vorhätte, meinem Vater die Pistole auf die Brust zu setzen, damit er sie heirate. Auch würde sie ihn wegen des Kindes nicht zur Rechenschaft ziehen. Persönlich glaube ich, dass Mom meinen Dad zwar schon hatte heiraten wollen, doch niemals absichtlich schwanger geworden wäre, um dieses Ziel zu erreichen. Sie wollte das Baby. Punkt. Sie sehnte sich nach bedingungsloser Liebe. Pop-Pop wies als Nächstes darauf hin, dass Mom und sein Sohn Frank aus so unterschiedlichen sozialen Milieus stammten und sie deshalb kein sehr angemessenes Paar abgeben würden. Generell würde es einfach nicht gut aussehen, wenn mein Dad mit jemandem aus Newark ein Kind hätte. Er steckte ihr diskret einen Briefumschlag zu und bat sie, sich um die „Angelegenheit“ zu kümmern.

      Laut meiner Mutter habe sie genickt und erklärt, dass sie die Sachlage voll und ganz verstünde, habe den Umschlag und sei aufgebrochen. Sie hatte nicht die Absicht, eine Abtreibung durchführen zu lassen, sah aber keinen Grund, das Geld nicht anzunehmen. Statt in eine Klinik begab sie sich umgehend zu ihrem liebsten Antiquitätenhändler. Dort gab sie das Geld für einen ovalen

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