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paar Tage zuvor hatte ich einen eher simpel und kurz gehaltenen Nachruf geschrieben sowie die erforderlichen 1.500 Dollar bezahlt. Am darauffolgenden Nachmittag erhielt ich einen Anruf von der New York Times. Sie meinten, sie würden den Nachruf gerne auf der ersten Seite der Todesanzeigen veröffentlichen. Ich sagte, dass sie ihn positionieren könnten, wo es ihnen gefiele.

      Man erklärte mir, dass meine Mom es verdient hätte, an prominenter Stelle zu stehen. Das gab mir das Gefühl, dass Mom nach all den Jahren vielleicht doch noch ein gewisses Maß an Respekt zuteilwerden würde. Und tief drinnen wissen wir wohl alle, dass unsere Mütter Respekt verdienen, oder? Die Times versicherte mir außerdem, dass sie meine 1.500 Dollar gar nicht haben wollte, aber ich erklärte, dass das schon okay sein würde, und bedankte mich für das Angebot. Die Person am anderen Ende der Leitung gab daraufhin an, dass jetzt, wo die Anzeige für eine etwas augenscheinlichere Stelle der Zeitung vorgesehen wäre, sie nun etwas mehr Text benötigten. Das wäre das erste Warnsignal gewesen.

      „Ich werde kein Interview geben. Veröffentlicht bitte meinen schriftlichen Nachruf.“

      „Nun, wir bräuchten vielleicht ein oder zwei zusätzliche Fakten.“

      „Hören Sie, ich habe meinen persönlich verfassten Nachruf auf meine Mutter und einen Scheck eingeschickt. Danke.“

      „Okay, wir wollten Sie nicht aufregen … Wie wäre es, wenn wir zusätzlich zum Nachruf noch ein oder zwei Fakten über ihre Kindheit oder so drucken?“

      „Gut.“

      Sie riefen tatsächlich an und stellten eine Frage über Moms verstorbenen Bruder beziehungsweise darüber, ob sie in New Jersey noch in einer anderen Stadt gelebt hatte, bevor sie nach New York City gezogen war. Es war ein zweiminütiges Telefonat und alles schien in Ordnung zu sein. Ich war zufrieden.

      Ein paar Tage danach stand ich auf meiner Türschwelle und war gleichermaßen schockiert und entsetzt, als ich den Text las. Es war eine beleidigende und voreingenommene Kritik am Leben meiner Mutter. Ich rang nach Luft und starrte mit großen Augen auf dieses widerliche, ätzende Stück sogenannten Journalismus.

      In der ersten Zeile stand: „Teri Shields, die ihre Tochter Brooke als Kindermodel und Schauspielerin vorantrieb, als diese ein Kleinkind war, und erlaubte, dass sie als Kinderprostituierte besetzt wurde, … verstarb am Mittwoch.“ Was für ein Einstieg!

      Der Autor des Nachrufs betonte – völlig aus dem Kontext gerissen – die schlüpfrigsten Tatsachen und Zitate. Er stellte sie als verzweifelte Alleinerziehende dar, die ihre Tochter zu ihrem eigenen Profit in die Prostitution und zu Nacktauftritten gezwungen hätte. Er verdrehte auch Moms berühmtestes Zitat und fehlinterpretierte ihren trockenen Humor als abgründigen Missbrauch: „Zum Glück war Brooke in einem Alter, in dem sie nicht widersprechen konnte.“ Dieser Ausspruch hatte sich eigentlich auf die Tatsache bezogen, dass ich elf Monate alt war, als ich meine erste Werbung für die Seifenfirma Ivory machte – und nicht darauf, dass ich als Minderjährige in die Prostitution verkauft worden wäre.

      Was zum Teufel dachte sich dieser Typ dabei, so etwas über eine Frau zu schreiben, die er nie kennengelernt hatte. Wie konnte er nur so gemeine Anschuldigungen ausstoßen? Ein solcher Nachruf sollte doch auf Fakten beruhen, oder? Der Text war aber abscheulich und auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht, was besonders furchtbar war, da er von jemandem, der sich selbst als seriösen Journalisten bezeichnete, verfasst worden war.

      Während ich mir den Nachruf durchlas, spürte ich, wie ich durchzudrehen begann. Ich atmete tief ein und aus und versuchte, nicht in Panik zu geraten oder auszurasten. Ich eilte in die Küche und ging schnellen Schrittes um den Tisch, während ich schluchzte und schimpfte. Warum sind sie so grausam? Warum können sie sie nicht in Ruhe lassen? Warum können sie nicht ein einziges Mal nett zu ihr sein? Warum ist es diesem Typen so leicht gefallen, sie niederzumachen? Wo bleibt da der menschliche Anstand? Schließlich war ja jemandes Mutter gerade gestorben.

      Ich lief im Kreis, heulte und verschluckte mich an meinen Tränen. Dann ließ ich die Küche hinter mir und ging die Treppen zu meinem Schlafzimmer hoch. Ich weinte mir die Augen aus und fluchte noch ein paar Minuten lang. Dann fing ich an, den Zorn in mir zu spüren. Er fühlte sich an wie eine heiße Flüssigkeit, die sich ihren Weg entlang meiner Beine bahnte, bis sie schließlich meine Wangen erreichte. Mein Gesicht glühte förmlich vor Entrüstung.

      Die Wut war schrecklich, aber schließlich schaltete ich innerlich einen Gang zurück und dachte: Wer ist dieser Kerl? Was ist mit seinem eigenen Leben und seinen Beziehungen los, dass er sich veranlasst fühlt, so ignorant und giftig daherzuschreiben? Was steckt dahinter, dass er eine Frau, mit der ihn keine persönliche Erinnerung verbindet und die er nie getroffen hat, so attackiert? Wofür steht sie in seinen Augen?

      Wenn diese tote, 79-jährige Frau so viele Jahre, nachdem sie aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden war, so eine energische Reaktion bei ihm auslösen konnte, dann musste doch etwas hinter der Sache stecken, dem es wert war, auf den Grund zu gehen. Abgesehen davon war er ja weder eine Mutter noch eine Tochter. Die Beziehung zwischen Müttern und ihren Töchtern sind oft gespannt und auf faszinierende Weise kompliziert. Ich wusste, dass das bei mir so war. Aber was hatte sie in ihm ausgelöst? Was kümmerte es ihn?

      Ich wusste sofort, was ich tun würde. Es war an der Zeit, unsere Geschichte zu erzählen, jene meiner Mutter und mir, die Flugbahn ihres Lebens und des meinigen nachzuzeichnen und zu zeigen, wie ich wurde, wer ich bin, durch alles, was sie war.

      Dieses Buch handelt von allem, was mit Teri Shields Dasein zu tun hatte. Es ist keine Erzählung im Stile von Meine liebe Rabenmutter. Aber ich hebe meine Mutter auch nicht auf ein Podest. Über sie wurde schon so viel geschrieben und das meiste davon scheint ziemlich negativ zu sein. Dies ist auf keinen Fall ein Versuch, sie zu idealisieren, aber auch nicht, sie zu verdammen. Es ist einfach nur so, dass nun ich an der Reihe bin, die Geschichte so wiederzugeben, wie ich sie erlebt habe. Sie erzählt von den 48 Jahren, die ich meine Mutter gekannt habe – obwohl ich sie nie wirklich gekannt habe. Mein Leben, diese 48 Jahre standen dennoch stets in Beziehung zu ihrem Leben. Sie hatte auf alles in meinem Leben Einfluss gehabt. Sie befand sich am Scheitelpunkt von allem. Fast alles, was ich tat, tat ich für sie, als Reaktion auf sie, wegen ihr oder trotz ihr. Ich ahmte sie entweder nach oder versuchte, mich von ihr unabhängig zu machen. Entweder probierte ich, von ihr loszukommen oder in sie hineinzukrachen.

      Ich dachte die ganze Zeit an sie. Sie war Teil meines Alltags. Obwohl ich hart arbeitete und erfolgreich ein gesundes Privatleben und Heim mit meinem bodenständigen Mann und meinen beiden lieben Töchtern erschuf, waren Moms Anforderungen, solange sie lebte, nie weit weg.

      Sie hatte mich beschäftigt, bis sie schließlich starb. Und nachher offenbar ebenso, weil ich jeden Tag über sie geschrieben habe. Nun aber entfernt sich ihre Stimme langsam.

      Als Kind konnte ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Ich stellte mir vor, dass auch ich sterben würde, wenn sie es täte.

      Nun bin ich aber immer noch hier, mit meinen beiden eigenen Töchtern. Dieses Buch handelt davon, was vor ihrem Tod passiert ist und was danach.

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      „Meine Gefühle bezüglich meiner Mutter und unserer Beziehung zueinander sind so verwirrend, dass sie in Klarheit niederzuschreiben heißen würde, ich hätte sie verstanden, was ich aber nicht tue.“

      – aus Brookes Tagebuch

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      Wer war meine Mutter? Ich glaube, dass ich sie besser als irgendwer sonst kannte. Und ich kannte sie eigentlich überhaupt nicht. Ich könnte jetzt einen auf philosophisch machen und sagen, dass sie sich selber nie wirklich gekannt hat, und die Person, die sie erschuf, schließlich zu ihrer Wirklichkeit wurde. Sie sah sich selbst so, wie sie gerne gehabt hätte, dass andere sie wahrnehmen würden, und sie errichtete die notwendigen Barrikaden zwischen ihrem wahren Ich und der Person, die sie darstellte. Sie machte

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