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ist schon erstaunlich, dass dieser Körper trotz seiner ungewöhnlichen Missbildung funktionsfähig ist«, sagte der leitende Arzt.

      »In der Tat. Auf ihre Weise sind auch diese Zwillinge ein Wunder der Natur«, antwortete Professor Virchow.

      »Da eine Trennung unmöglich ist, wird das Problem für diese Kinder und späteren Erwachsenen demnach hauptsächlich das Äußere sein. Ein Mensch mit zwei Köpfen wird die Umgebung zutiefst erschrecken und verunsichern.«

      »Das trifft es genau, Herr Kollege. Alles, was von der Norm abweicht, macht den Menschen Angst. Selbst eine harmlose Hasenscharte oder ein Buckliger, denken wir nur an Victor Hugos bemitleidenswerte Romanfigur Quasimodo.« Rudolf Virchow lächelte. Es gab nichts, was ihn hätte erschrecken können. Und schon gar nicht der Glöckner von Notre-Dame. In seinem Cabinet gab es Dinge, die sich nicht einmal ein Victor Hugo hätte ausdenken können.

      »Da haben Sie wohl recht, Professor«, sagte nun der Direktor. »In England ist ein schrecklich entstellter Mann als Attraktion auf Jahrmärkten ausgestellt worden. Wenn ich mich recht entsinne, ist sein Name Jacob, nein, Joseph Merrick. Vor allem sein Kopf ist von Wucherungen dermaßen entstellt, dass die Leute bei seinem Anblick hysterische Anfälle bekommen haben oder reihenweise in Ohnmacht gefallen sind. Die haben sich benommen, als wären sie dem Massenmörder Dr. William Palmer persönlich gegenübergestanden. Da angenommen wird, dass der arme Mann an Elefantiasis leidet, nannten sie ihn den Elefantenmenschen. Ein werbewirksamer Name, der sich auf den Plakaten von Kuriositätenkabinetten gut macht. Ein junger Arzt hat ihn vor einem oder zwei Jahren aus dieser Arena für Gaffer befreit und in eine Klinik geholt. Ein äußerst tragischer Fall, erwies sich der Merrick doch als sehr sensibel und intelligent.« Die Fehlkonstruktionen der Natur hatten den Direktor schon seit jeher gefesselt. Und nun, zusammen mit dem bekannten Virchow, nutzte er die Gelegenheit zum fachlichen Austausch.

      »Sie kennen doch Chang und Eng Bunker, die Zwillinge aus Siam, nach denen das Phänomen benannt worden ist«, doppelte er nach. »Es heißt, sie führten ein erfülltes Leben, waren verheiratet und zeugten Kinder. Ich glaube, sie haben eine Trennung stets abgelehnt, obwohl eine solche möglich gewesen wäre.«

      Und wieder schwirrten Gedanken durch das Hirn der Ordensfrau, die für die Herren inzwischen ganz und gar unsichtbar geworden war. Ist denn so was möglich? Verheiratet? Siamesische Zwillinge? Und haben Kinder gez…? Weiter wagte sie nicht zu denken.

      »Nun, sie haben es mit ihrem körperlichen Makel zu einem gewissen Reichtum gebracht«, wandte der Klinikdirektor ein. »Sie waren eine Attraktion, haben die halbe Erde bereist, waren auch in Deutschland. Aber ein Leben als Jahrmarktattraktion wünsche ich natürlich weder diesen beiden Kindern noch sonst jemandem.«

      »Ich habe Chang und Eng Bunker selbst untersucht. Das war, lassen Sie mich überlegen, vor etwa fünfzehn Jahren. In der Tat haben sie das Beste aus ihrem Leben gemacht. Aber die Bunker-Zwillinge können nicht mit diesen beiden hier verglichen werden. Sie waren nur durch eine Art Lappen im Bauchbereich miteinander verbunden. Diese Brüder hier haben ganz andere Voraussetzungen: Sie müssen sich nicht nur ein Leben, sondern auch einen Körper teilen.«

      Für kurze Zeit blieb es still in dem Zimmer. Die Anwesenden schauten nachdenklich auf die Kinder, die im Licht der Sonne den friedlichen Schlaf der Neugeborenen schliefen.

      Langsam drehte sich Professor Virchow wieder von den Säuglingen ab, hin zu den Ärzten. »Ich beschäftige mich nun seit Jahrzehnten mit allem Abartigen, was die Natur zu bieten hat. Zumeist sind es jedoch anonyme Präparate, nummerierte Schädel, Skelette, Knochen und Organe. Jedes Mal wenn ich den Launen der Natur in lebender Form gegenüberstehe, wie in diesem Fall hier und jetzt, spüre ich wieder, dass meine Arbeit einen Sinn hat. Es ist und wird immer mein Ziel bleiben, jedem Studenten, jedem Mediziner und jedem Forscher zu ermöglichen, sein Wissen am Objekt zu vervollständigen. Und ich hoffe, eines Tages werden wir in der Lage sein, diese Launen der Natur in den Griff zu bekommen.«

      »Ich weiß nicht, Herr Professor, aber vielleicht ist da auch ein wenig Gottes Hand im Spiel«, tönte es aus der Tiefe des Raumes. Die junge Ordensfrau hatte sich noch einmal vorgewagt. Ihr war es plötzlich egal, ob es den Herren passte oder nicht, dass sie sich zu Wort meldete. Es gab schließlich nur einen, der ihr sagte, ob sie reden durfte oder zu schweigen hatte, und der stand weit über all diesen gescheiten Doktoren.

      »Schon, aber wir könnten vielleicht dafür sorgen, dass wir nicht völlig aus dem Spiel sind«, sagte der Professor mit einem Schmunzeln.

      Während die Zwillinge wieder in ihr Zimmer gebracht wurden, standen ein Architekt und zwei Beamte vor der Entbindungsanstalt. In ihren Händen hielten sie Pläne, die wie Laken im lauen Wind flatterten. Vielleicht würde das Gebäude, wenn man da und dort etwas renovierte, doch noch überleben. Das Schicksal kann manchmal unvorhersehbare Wendungen nehmen.

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