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einem Hämmerchen auf unser Knie geschlagen hat.

      Damit sich eine Handlung unserem freien Willen verdankt, muss sie vielmehr durch unsere Intentionen verursacht werden. Wir müssen tatsächlich so gehandelt haben, weil wir die Absicht hatten, so zu handeln.33 Es genügt nicht, dass die Handlung das alleinige Resultat gewisser nichtintentionaler (und unterbewusster) Prozesse ist, über die wir keine Kontrolle haben. Ebenso wenig wie Körperreflexe auf unseren freien Willen zurückzuführen sind, haben wir die Kontrolle über unsere Verdauung, obgleich diese durch unser Nervensystem reguliert wird. Ja, wir würden derartige Reflexe oder Verdauungsvorgänge gar nicht als Handlungen bezeichnen; es sind bloße Körpervorgänge oder Bewegungen.

      Ja, selbst wenn eine vermeintliche Handlung im Einklang mit unseren Intentionen steht, aber nicht durch diese Intentionen verursacht wurde, oder auf die falsche Weise verursacht wurde, würden wir nicht sagen, dass sie unserem freien Willen entstammt. Der Philosoph Donald Davidson erzählt bekanntlich die folgende Geschichte:

      „Es könnte sein, dass sich ein Bergsteiger von der Last und Gefahr eines anderen, der an seinem Seil hängt, befreien will, und dass er weiß, dass er sich dadurch von der Last und Gefahr befreien könnte, dass er seinen Griff am Seil lockert. Durch diesen Gedanken und diesen Wunsch wird er womöglich so nervös, dass er dazu veranlasst wird, tatsächlich seinen Griff zu lockern, und dennoch könnte es sein, dass er sich niemals entschieden hat, noch dass er es absichtlich getan hat.“34

      Wie Davidson feststellt, ist es plausibel zu glauben, dass der mentale Zustand des Bergsteigers die Ursache dafür war, dass er seinen Griff lockerte, und dennoch ist die Kausalkette nicht die richtige. Das fragliche Tun stand nicht in angemessener Weise unter der Kontrolle seiner Absichten. Aus diesem Grund würden wir zögern, das, was geschah, als eine aus freiem Willen ausgeführte Tat des Bergsteigers zu charakterisieren. Stattdessen würden wir sagen, dass der Bergsteiger seine Nerven verlor; er geriet in Panik und verursachte einen Unfall. Kurz gesagt, neben intentionalem Handeln und alternativen Möglichkeiten ist für einen freien Willen zusätzlich kausale Kontrolle vonnöten.

      Ich habe die drei Bedingungen natürlich noch nicht vollständig präzise formuliert, sondern ihre Deutung ein Stück weit offengelassen, und damit verlasse ich mich auf die vortheoretischen Intuitionen des Lesers. Selbstverständlich gibt es einige Fragen, zu denen ich mehr sagen muss, was ich in späteren Kapiteln tun werde. Das sind insbesondere die Fragen:

      •Was ist ein intentionaler Akteur?

      •Wann ist eine Handlung für einen Akteur möglich?

      •Was heißt es, dass eine Handlung durch die Absichten einer Person verursacht wurde?

      Für den Augenblick behaupte ich nur, dass die vorliegenden drei Bedingungen so verstanden werden können, dass sie dem konventionellen Verständnis des freien Willens entsprechen. Das heißt: Nach dem weitgehend „libertarischen“ Verständnis der Menschen erfordert ein freier Wille intentionales Handeln, alternative Möglichkeiten und kausale Kontrolle, mit der passenden Deutung dieser Begriffe. Ich hoffe, dass der vorurteilsfreie Leser mit dieser Behauptung im Großen und Ganzen einverstanden ist. Was natürlich noch keine Verteidigung der anderen Behauptung ist, dass wir tatsächlich einen in diesem Sinne freien Willen haben. Die drei Bedingungen sollen nur erfassen, was nach konventionellem Verständnis für den Besitz eines freien Willens nötig ist.

      Überdies lassen sich viele Diskussionen des freien Willens, denen wir in der Naturwissenschaft und der Philosophie begegnen, mittels dieser drei Bedingungen hilfreich systematisieren.35 Insbesondere kann man einige Beiträge als Versuche betrachten, zu zeigen, dass einige dieser Bedingungen nicht erfüllt werden können. Beispiele hierfür sind die wohlbekannten Argumente für die These, dass der Determinismus alternative Möglichkeiten ausschließe oder dass die Neurowissenschaft zeige, dass wir keine Kontrolle über unsere Handlungen haben. Einige dieser Argumente werde ich im Folgenden diskutieren. Andere Beiträge können als Versuche gesehen werden, zu zeigen, dass einige dieser Bedingungen erfüllt werden können. Wie Dennett und andere behaupten, erfüllt jemand wie Luther die Kriterien dafür, der intentionale Akteur seiner Handlungen zu sein, gleichgültig, ob seine Handlungen determiniert sind oder nicht. Und eine dritte Klasse von Beiträgen kann als Versuch verstanden werden, nachzuweisen, dass eine Teilmenge dieser Bedingungen für die Charakterisierung des freien Willens ausreicht, während man auf die restlichen Bedingungen verzichten kann. Ein Beispiel hierfür sind Theorien, die den freien Willen allein durch die Urheberschaft für die eigenen Handlungen definieren, während sie alternative Möglichkeiten beiseitelassen, indem sie behaupten, dass für einen freien Willen allein intentionales Handeln zähle.

      Ich werde hier aber eine „maximalistische“ Ansicht vertreten und annehmen, dass alle drei Bedingungen, mit der nötigen Feinabstimmung, für den freien Willen erforderlich sind: Ich verstehe sie als gemeinsam notwendige und hinreichende Bedingungen. Falls es mir gelingt, zu zeigen, dass wir tatsächlich einen in diesem starken Sinne freien Willen besitzen, dann sollte dies die stillschweigenden Voraussetzungen bezüglich der Willensfreiheit, die den üblichen Vorstellungen des Handelns, Überlegens und von moralischer Verantwortung zugrunde liegen, rechtfertigen. Definierten wir den freien Willen hingegen in einer verwässerten Weise, so müssten wir wahrscheinlich auch unser Verständnis von Handeln, praktischer Überlegung und Verantwortung neu bestimmen. Andernfalls könnte unsere geschwächte Vorstellung vom freien Willen möglicherweise nicht die begriffliche Rolle spielen, die ihr gewöhnlich, zum Beispiel als Bedingung von Verantwortung, zukommt. Die Frage, ob wir einen freien Willen in Übereinstimmung mit den drei Bedingungen haben, ist also im höchsten Maße interessant und herausfordernd.

      Willensfreiheit und ihre Ausübung

      Wie bereits bemerkt, richtet sich mein primäres Interesse in diesem Buch auf den freien Willen als einer Fähigkeit des Handelnden. Einen freien Willen zu haben, ist also eine Eigenschaft einer Person, einer anderen Entität oder eines Organismus, die oder der sich als Akteur eignet. Sie ist nicht an eine bestimmte Handlung gebunden. Gleichzeitig ist es durchaus sinnvoll, hinsichtlich einer jeden Handlung zu fragen, ob diese Handlung auf den freien Willen des Handelnden zurückzuführen ist. War diese Handlung frei?

      Ich werde sagen, dass eine Handlung genau dann „frei ausgeführt“ ist, wenn

      •sie eine intentionale Handlung ist, das heißt, wenn sie in geeigneter Weise durch die Intentionen des Handelnden gestützt wird;

      •es dem Handelnden möglich ist, anders zu handeln; und

      •die Handlung unter der Kontrolle des Handelnden ist.

      Die Frage, ob eine bestimmte Handlung diese Eigenschaften hat, ist offensichtlich eine andere als die Frage, ob der betreffende Akteur einen freien Willen qua allgemeiner Fähigkeit hat. Ein Schlafwandelnder mag unter normalen Umständen durchaus einen freien Willen haben und dennoch während des Schlafs unberechenbare Dinge tun, die mit dieser Fähigkeit nichts zu tun haben. Ebenso mag ein Betrunkener nicht länger imstande sein, von seinem freien Willen Gebrauch zu machen, wenn er einmal berauscht ist, obschon er die freie Wahl getroffen hat, die entsprechenden Getränke zu sich zu nehmen.

      Wenn wir beweisen wollen, dass man jemanden für etwas, das er oder sie getan hat, verantwortlich machen kann, müssen wir nicht nur wissen, ob die betreffende Person die Fähigkeit eines freien Willens im Allgemeinen hat, sondern ob das, was sie tat, aus der Ausübung dieser Fähigkeit resultierte. Wir müssen insbesondere wissen, ob das, was die Person tat, frei ausgeführt wurde, und zwar in dem durch die obigen Bedingungen charakterisierten Sinn. War es eine intentionale Handlung? Hätte die Person anders handeln können? Hatte sie die Kontrolle über ihre Handlung? Wenn hingegen das, was sie tat, nicht frei ausgeführt wurde, müssen wir wissen, ob der freie Wille der Person zumindest im Vorfeld ihrer Tat präsent war: Gab es beispielsweise zunächst eine freie Entscheidung der Person, sich zu betrinken? Für ihre moralische Verantwortung mag zwar durchaus mehr erforderlich sein (was ihrerseits eine schwierige philosophische Frage ist), aber ich halte die Präsenz des freien Willens irgendwo in der fraglichen Kette von Ereignissen für eine notwendige Bedingung einer markanten Form von moralischer Verantwortung.

      Obschon es schwierig sein mag, genau zu

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