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gewesen. Er aber kletterte auf das Geländer von dem kleinen Balkönchen und sprang vom ersten Stock direkt in den Pool. Der Gatte stand mit seinem DJ-Equipment zehn Zentimeter neben dem Pool und bekam die ganze fette Welle ab. Den Rest der Nacht hat er sein Mischpult geföhnt.

      Die Hotelangestellten sind inzwischen mit ihrem Aufbau fertig. Es folgt ein Auftritt des Hotelmanagers und die Ankündigung von Special DJ in Residence She-Star. Was DJ in Residence heiße, will ich wissen. »Die ist jetzt auf Tournee, und ein paar Tage in dem Club gebucht!« – »Das heißt, die ist gar keine richtige Hotelangestellte?«, frage ich nach. »Nein, die tritt da nur ein paar Tage auf, als Gastkünstler.«

      Jössas! Was für ein Lotterleben! Ich könnte mir so ein Gattinnenleben an der Seite von so einem DJ in Residence durchaus vorstellen! Wir reisen von Club zu Club, wobei ich jetzt nicht von einem Club zum Tanzen rede. Sondern von einem All-inclusive-Urlaubsclub. In meiner Generation ist das der einzige Club, den wir so nennen. Das andere heißt bei uns immer noch Disko! Diskothek! Jetzt Auftritt She-Star. Eine sehr große, blonde, sehr schlanke Frau, die in etwa mein Alter haben dürfte, betritt die Bühne. Cooles Outfit, sexy, aber nicht bitchy. Sie trägt weiße Shorts. Hallo, wer kann bitte noch weiße Shorts tragen? Außer die 20-jährigen Influencerinnen, die noch immer eifrig mit ihren Selfies beschäftigt sind. Die haben von der Star-DJane bisher noch keinerlei Notiz genommen. Ganz im Gegensatz zu uns. Ich will ihre Figur. Der Gatte will ihren Job!

      »Das wär mein Traumjob«, sagt er. »Ja frag halt, ob du auch einmal da auflegen darfst«, sag ich, und klinge dabei wie die Mutti, die ihr Kind ermutigt, die anderen Kinder zu fragen, ob es mitspielen darf. »Die ist ein Star«, sagt er und schaut jetzt in sein Handy, und ich ahne, auf wessen Website er gerade ist. »Die ist schon in Mauritius, Ibiza und Barcelona und überall auf der Welt aufgetreten!«

      Mir gefällt die Vorstellung immer besser. Er tritt an diesen schönen Orten auf, und ich fahre mit und schreibe derweil in den schönsten Strandbars der Welt wunderbare Bücher. Manchmal erkennt man mich und ich signiere dann die tollen Bücher. Was für ein Leben! Nur dass halt bisher leider noch kein Buch von mir irgendwo erschienen ist.

      Wenigstens ein Artikel von mir erscheint demnächst, nämlich in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Federstiel, der Mitgliederzeitschrift des steirischen Roseggerbunds. So was wie der Fanclub unseres berühmten Dichters Peter Rosegger. Vom Waldbauernbub zum gefeierten Dichter. Ich habe nach einem Ausflug in seine schöne Waldheimat darüber geschrieben und es in meinem Blog veröffentlicht. Dann habe ich mich beim Roseggerbund angebiedert und ihnen den Text zur kostenlosen Veröffentlichung angeboten. Und siehe da, er wurde angenommen. Es läuft sozusagen richtig gut. Von der Waldheimat hinaus in die weite Welt.

      Der Gatte wischt weiterhin auf seinem Handy rauf und runter. »Du musst mal auf ihre Website gehen«, sagt er. »Die hat wirklich schon in den Top-Locations aufgelegt und ein eigenes Management, das die Buchungen organisiert!«

      Das hast du auch, denk ich mir, nur weißt du noch nix davon …

      Am nächsten Tag in der Früh schicke ich eine Nachricht an eine befreundete Wiener Familie, der zahlreiche Restaurants, Bars und Clubs in Wien gehören. »Hallo, sorry für die Störung. Aber ich bin auf der Suche nach einer Location für ein kleines Fotoshooting. Es müsste nur wie eine Disko ausschauen und einen DJ-Platz haben. Könnte ich das bei euch vielleicht untertags mal machen, wenn die Putzfrau gerade da ist oder so?«

      Der Gatte wacht auf und fragt mich, was ich da mache. Nix, sage ich, Managementzeug.

      Ich kann etwas, was nur wenige können. Während die meisten Menschen mit jedem Tag Strandurlaub dunkler werden, werde ich täglich heller! Bereits an Tag zwei habe ich den Break-even mit den restlichen Strandliegern erreicht. Das heißt, die sind dann so braun wie ich. Nur dass es bei ihnen anschließend rapide weitergeht in Richtung Urlaubsbräune und bei mir rapide zurückgeht in Richtung keltische Kellerprinzessin. Darum mache ich auch alle Urlaubsselfies ausschließlich in den ersten zwei Tagen.

      Als Jugendliche war das ein Drama für mich. Rundherum haben sich alle mit Tiroler Nussöl eingeschmiert oder gleich mit Olivenöl, um möglichst schnell möglichst braun zu werden. Braun wie Thomas Anders von Modern Talking, das war das Ziel! Ich war Dieter. Damals ist man noch stundenlang in der Sonne gelegen, warst du nicht braun, warst du nicht auf Urlaub! Ich kenne alle, und damit meine ich, wirklich alle Sprüche, die es in Zusammenhang mit strahlend weißer Haut geben kann. Warst du im Urlaub in einem Tunnel? War es schön im Keller? Hautkrebs war noch kein Thema, zumindest hat es sich nicht herumgesprochen. Wir hatten gerade erst Tschernobyl überstanden, der Feind hieß jetzt saurer Regen und nicht warme Sonne. Ein Schattenplatz im Schwimmbad war wertlos.

      Letztes Jahr riet mir ein Hautarzt bei der Routinekontrolle, mit meinem Hauttyp Sonneneinstrahlung nicht südlicher als Helsinki zu genießen. Als ich nachher heimkam, hab ich gegoogelt, wohin mich zukünftige Reisen führen könnten. Viel bleibt da nicht mehr übrig, sag ich nur. Je nachdem wie touristisch erschlossen die Ostsibirische See ist, wäre das eine Option. Grönland oder Alaska. Wien sei eigentlich für meinen Hauttyp schon nicht mehr zu empfehlen, meinte der Arzt damals. Nichtsdestotrotz unterliege ich immer wieder den Verlockungen südlicher Urlaubsländer. Maturareise nach Griechenland. Ich war dabei! Was für ein Highlight. Ein Sonnenbrand war damals noch ein Statussymbol.

      Wenn du am ersten Tag keinen ordentlichen Sonnenbrand oder Knutschfleck aufgerissen hattest, warst du nicht dabei. Ich werde in der Regel bis zum allerletzten Urlaubstag für einen Neuankömmling gehalten. Das hat aber auch tolle Vorteile, zumindest was die Ausgabe der Willkommenscocktails betrifft.

      Vor ein paar Jahren wendete sich allerdings das Blatt. Beim Durchblättern einer Frauenzeitschrift entdeckte ich einen Artikel über Airbrush-Tanning, das mittlerweile raus ist aus der Ecke der Bodybuildershows. Das jetzt breitenwirksam ist. Und das Wichtigste für mich: Das es jetzt auch in Wien gibt! Schon zwei Stunden später stand ich nackt in einer gekachelten Kabine und ließ mich von einer jungen, sympathischen Mitarbeiterin mit brauner Farbe anspritzen. Hossa! Fiesta Mexicana! Ich wurde zur dunklen Senorita! Diese künstliche Bräune hält ungefähr eine Woche an, wenn man selten ins Chlor- oder Salzwasser geht, sogar länger.

      Genau so eine Senorita-Verwandlung wollte ich noch schnell vor dem thailändischen Reiseantritt machen. Also bin ich am 24. Dezember gleich in der Früh ins Soli. Das ursprüngliche Tanning-Studio, das ich damals aus der Zeitschrift hatte, gab es leider nicht sehr lange. Dafür sind einige andere Solarien hellwach geworden und auf den Zug aufgesprungen. Zack, prack wurden manche Kabinen ausgetauscht. Proletentoaster, wie wir in Wien zärtlich sagen, raus, Sprühanlage rein. Und in so einer umgebauten Soli-Sprühanlage stand ich dann heimlich am Weihnachtstag. Der Gatte dachte, ich wäre noch schnell was für die Bescherung besorgen. So weit daneben lag er eh nicht. Stichwort: Bescherung!

      Soli samt Mitarbeiterin waren zwar sehr weihnachtlich dekoriert, aber leider nur sehr mäßig motiviert. Ob ich eh wüsste, wie das so geht? Dieser eine Satz war dann auch schon die Einschulung für das Airbrush-Tanning. Ich war von den kleinen grünen Miniatur-Tannenbäumen auf den Fingernägeln der Soli-Mitarbeiterin so abgelenkt, dass ich die Antwort an der richtigen Stelle verabsäumte. Das letzte Mal war ich vor zwei Jahren in so einem Studio, was kann sich da groß geändert haben? Und ja, das Peeling habe ich natürlich vorher daheim gemacht. Das war natürlich eine Lüge, denn das Peeling halte ich für einen Verkaufsschmäh, um ihre Peelingprodukte zu verkaufen. Ich arbeite im Marketing! Ich kenne die Tricks! Aber ich hatte vorher geduscht und mich rasiert. Die Klinge war schon so stumpf, das geht bestimmt als Peeling durch.

      Und so kam es, dass im ganzen Land Christbäume geschmückt und Weihnachtskarpfen mariniert wurden, während ich in würdevoller Haltung mit leicht gespreizten Beinen nackt in einer umgebauten Solariumkabine stand und wartete. Das heißt, ganz nackt war ich nicht, denn ich hatte Klebesohlen an den Füßen. Klebesohlen sind eine tolle Erfindung! Das sind Einwegfußsohlen, die man sich auf die Fußsohlen klebt, wenn man barfuß gehen will oder muss, so wie in meinem Fall, damit nicht die ganze Sprühfarbe auf den Fußsohlen pickt und man dann kohl-rabenschwarze Füße hat. Das kommt auch nicht gut am Strand. Wozu man sonst Einwegfußsohlen benötigen

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