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sehr gern zu uns auf Urlaub. Mir gefiel das auch gut, weil es etwas Exotisches in meinen Alltag brachte. Schließlich gab es zu der Zeit noch kein Internet, sondern zwei Fernsehkanäle und Vierteltelefone. Manchmal fuhr ich heimlich mit meinem roten Rennrad zu den touristischen Hotspots unserer Gegend und hielt nach den Fremden Ausschau. Beim Natur- und Waldlehrpfad oder im Freibad. Je älter ich wurde, desto genauer schaute ich, bis irgendwann einer zurückschaute. Mein erster Freund. Ein Wiener!

      Auf einmal gab es brasilianische Telenovelas im Fernsehen (»Die Sklavin Isaura«), und ich hatte einen Wiener Freund! Das war der Beginn meiner persönlichen Globalisierung. Vor lauter Freude wollte ich mit meinem Integrationswillen bei ihm Eindruck schinden. Nach unserem ersten romantischen Abend sagte ich zu ihm: »Baba, i drah mi jetzt ham.« Das kannte ich von einem Wolfgang-Ambros-Lied vom Sender ORF Burgenland, der bei uns immer lief, weil wir so nah an der steirisch-burgenländischen Grenze wohnten. Was ich damals nicht wusste, war, dass »I drah mi ham« bedeutet, dass man schwer suizidgefährdet ist und ein letaler Ausgang des Abends im Raum stehen könnte.

      Später hörte sich das mit der Sommerfrische leider auf. Die Wiener sind weitergefahren nach Italien oder Jugoslawien. Oder gleich nach Griechenland geflogen. Da war auf einmal alles möglich. Aber wir Steirer und Burgenländer steckten nicht traurig die Köpfe in den Sand, sondern Bohrmaschinen in die Erde. Und siehe da, wir fanden Thermalquellen! So holten wir die Wiener wieder zurück und bauten ihnen gleich noch eine Autobahn dazu, damit das mit der Anreise schneller geht.

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      Als wir vorgestern um 4 Uhr früh völlig übermüdet und unterkühlt am Flughafen in Doha gebeten wurden, den Pool zu verlassen, hätte ich auch eine kürzere Anreise bevorzugt. Da fiel mir das mit der Sommerfrische und den warmen Thermalquellen wieder ein. Wir wären einfach eine Stunde über die Autobahn A2 gefahren, hätten eine kurze Pause bei der Raststation eingelegt, wären einmal kurz um 50 Cent aufs Klo gegangen und hätten dann einen Kaffee gekauft, um die 50 Cent wieder hereinzuspielen. Weil wir ausgefuchst sind, hätten wir uns gleich so einen Kaffee genommen, wo man das Häferl gratis dazubekommt. Win-win für alle! Eine Stunde später wären wir samt dem neuen Häferl auch schon am Urlaubsziel gewesen. Aber nein, ich wollte ja ein Abenteuer für die ganze Familie!

      Statt auf einer Raststation im Wechselgebiet hatten wir also einen Zwischenstopp in Doha. Dort bekamen wir gleich einen kleinen Einblick, welche unverhofften Abenteuer so eine Reise bereithalten kann. Dabei hatte ich mir Doha so spektakulär vorgestellt. Wie eine orientalische Telenovela. Emirate, Ölscheichs und Prinzessinnen, Kaffee aus güldenen Tassen. Aladin und die Wunderlampe. Tausendundeine Nacht. Die bezaubernde Jeannie. Major Nelson und Major Healey. So weit, so unrealistisch. Flaschengeist gab es natürlich keinen. Den hätten wir eher wieder in der steirischen und burgenländischen Thermenregion gefunden. Einen Uhudler-Flaschengeist!

      Aber in Doha am Flughafen ist nichts aus irgendwelchen Flaschen gesprungen, auch sonst ist dort nichts herumgesprungen, weil um vier Uhr früh das komplette arabische Flughafenwunderland geschlossen war. Also blieb uns nichts anderes übrig, als nach einer Schlaf- oder zumindest Liegemöglichkeit für die kommenden sechs Stunden Ausschau zu halten. Die einzige Liegemöglichkeit, die ich auf meiner Doha-Flughafen-App fand, war ein Spa mit Schwimmbad. Ein Schwimmbad mitten am Flughafen, das noch dazu 24 Stunden geöffnet hat, wo gibt’s denn so was?! Wenn Geld keine Rolle mehr spielt, gönnt man sich ein Schwimmbad am Flughafen. Sehr klug von den Scheichs! Tourismusmagnet, sag ich nur. Vielleicht hätten wir unsere Thermalbäder auch näher an die Autobahn heranbauen sollen? Oder zumindest so kleine Teaser-Sprudelbecken entlang der Parkplätze aufstellen? Es gibt eh kaum was Grauslicheres als Autobahnparkplätze.

      Für wen man ein Schwimmbad an einem Flughafen 24 Stunden lang offen hält, war mir zwar nicht klar, aber dass es für die nächsten sechs Stunden für uns sein würde, das war mir klar. Weil wenn ich von der vielen Thermenbaderei eines gelernt habe: Wo ein Schwimmbad ist, da sind auch Liegen zum Schlafen!

      Liegen waren zwar da, auch ein großes Becken zum Schwimmen, aber es war so kalt, dass an Schlaf nicht zu denken war und wir unsere komplette Freizeitkleidungskollektion auftragen mussten. Drei Urlauber in Jogginganzügen dürften wohl nur suboptimal in das Designkonzept vom Flughafen-Spa gepasst haben. Kaum dass ich meine warmen Kuschelsocken unter dem Handtuch ausgestreckt hatte, wurde ein freundlicher Servicemitarbeiter zu uns entsendet, um uns höflich davon in Kenntnis zu setzen, dass das Verweilen am Pool leider nur in Badekleidung erlaubt sei. Nicht dass wir jemanden gestört hätten, wir waren allein dort! Und es war 4 Uhr früh. Vielleicht war das aber auch die Antwort auf das Vermummungsverbot, das bei uns daheim gerade eingeführt worden war. Frei nach dem Motto: Wenn wir in der noblen Wiener Kärntner Straße unsere Frauen nicht mehr einwickeln dürfen, dann müssen sich die Wiener hier eben auswickeln!

      Leider war mit dem Mitarbeiter nicht zu verhandeln, weder dass er die Heizung hochdrehte, noch dass wir weiter in unseren Jogginganzügen bleiben durften. Also zogen wir uns wieder bis auf die Badekleidung aus und rollten uns mehrfach in alle verfügbaren Spa-Handtücher ein. Durch geschickte Umleitung der Atemluft in die Handtuchrolle hinein war es uns möglich, die Körpertemperatur um gefühlte 2–3 Grad anzuheben. Ein autarkes Wärmekraftwerk! Irgendwann schliefen wir vor Ermüdung ein. Ich träumte von den warmen Thermalquellen daheim und von der feierlichen Eröffnung einer Infrarotkabine gleich neben den Klos auf dem Autobahnparkplatz. Mit Blasmusikkapelle und Gottesdienst-Segnung. Der Segen hielt nicht lang an. Nach einer halben Stunde wurden wir wieder geweckt. Da war er wieder, der freundliche Mitarbeiter, diesmal mit drei weiteren freundlichen Mitarbeitern und zahlreichen Stativen, Kameras und Beleuchtungen. Der Spa-Bereich war plötzlich taghell, die Scheinwerfer waren wie Flutlicht auf uns gerichtet. Uns wäre auch das egal gewesen, wir hätten in unseren Handtuchrollen gern weitergeschlafen. Aber der freundliche Mitarbeiter informierte uns, dass nun ein Fotoshooting stattfinden würde. OHNE Publikum. Weswegen wir das Spa leider sofort zu verlassen hätten. Selbstverständlich sei man bereit, das bezahlte Eintrittsgeld zu retournieren. Ein Fotoshooting um 5 Uhr früh … genau! Für meinen Geschmack wäre das ein schöner Moment für den Auftritt des Flaschengeists gewesen. Aber dafür hätten wir wohl auch nach Poppendorf fahren müssen, und nicht so weit wegfliegen.

      Ich finde es ja prima, direkt mit dem Handtuch am Strand zu liegen. Ohne Liege. Weil da ist immer erste Reihe fußfrei zum Meer und ich habe keinen Stress mit dem Reservieren der Liegen. Da kann sich die Mutti morgens mal entspannen, sag ich immer …

      Allerdings hat der Gatte so eine Auffälligkeit in puncto Sand. Die mussten den schon als Kleinkind in Spanien direkt aus dem Meer heben und freischwebend über den Strand auf das Handtuch hieven. Kein Körnchen Sand durfte mit ihm in Berührung kommen. Falls doch, musste der kleine Prinz mit Wasser übergossen und abgespült werden. Aus dem Sandspielbecher oder dem Sangria-Kübel, was der Familie eben grad zur Hand war. Zweiteres eher …

      Auch unser Kind hat nach den ersten Tagen mit Handtuch am Strand angemerkt, dass es gerne wie die normalen Gäste auf einer Liege liegen würde. Mit Schirm und Tischerl in der Mitte. Also suche ich frühmorgens den Tatort auf. Strandliegen! Und es bewahrheitet sich wieder eines: Beim Tatort und im Fußball sind die Deutschen einfach besser als wir Ösis. Ich bin um halb neun Uhr morgens natürlich viel zu spät dran. Jede Liege belegt! Aber nicht nur irgendwie belegt, sondern nach einem ausgeklügelten Muster, das ich sofort durchschaute: Mann – Buch – Mann – Buch.

      Auf jeder zweiten Liege ein herrenloser Mann. Ich hab in meiner langjährigen Erfahrung als Liegenchecker schon viel gesehen, aber das ist selbst mir neu. Warum legen die da ihre Männer ab?

      Neugierig streife ich also durch die Reihen auf der Suche nach freien Liegen. Buch – Mann – Buch, wie ein offener Bücherschrank, ein Paradies für mich! Der Spruch »Du kannst in mir lesen wie in einem offenen Buch« traf nie besser zu. Ohne die Menschen hinter den Reservierungen zu kennen, erstelle ich als glasklare Profilerin astreine Psychogramme anhand der abgelegten Bücher. Da die Krimi-Fraktion, Fitzek & Co. Die lesen nur im Urlaub, daheim kommt man ja zu nix. Dort Romane wie »Die Geschichte

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