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unter deutschen Reisenden stets begeisterte Mitklatscher. Ich mag die Deutschen. Deswegen ist mein bevorzugtes Urlaubsland auch Deutschland. Berlin. Hamburg. Leipzig.

      Gestern, einen Tag nach Weihnachten, sind wir im derzeit wärmsten deutschen Ortsteil angekommen: einem All-Inclusive-Club in Khao Lak, Thailand.

      Einmal etwas Exotisches für die ganze Familie. Sonne, Sand und würzige Kokossuppen. Strandburgen und neue kulturelle Erfahrungen für das Kind, thailändisches Bier und viel Entspannung für den Gatten, das hat er sich nach den Dramen der letzten Wochen verdient. Und erste Reihe fußfrei für mich, um mindestens fünf Bücher zu lesen, eines vielleicht sogar selbst zu schreiben und auf jeden Fall drei Kilo abzunehmen. Weil wo, wenn nicht im Urlaub, hat man ausgiebig Zeit, um endlich mit Sport zu beginnen? Im Glanz der aufgehenden Sonne mit wehendem Haar zu joggen?

      Wir waren noch nie in Thailand. Doch es scheint, dass die Exotik in diesem Teil des Landes maximal an sprachlich geringfügigen Abweichungen zwischen Nord-, Süd- und Ostdeutschen liegt. Dazwischen ein paar österreichische oder Schweizer Dialekte.

      So ein Abenteuerurlaub beginnt für uns Deutsche auf der ganzen Welt ähnlich:

      Wir schmieren uns mit hohem Lichtschutzfaktor ein, setzen unsere Baseballkappen und Sonnenhüte auf und treffen uns pünktlich um zehn Uhr zum geführten Hotelrundgang.

      Überblick verschaffen!

      Ja und so kam es, dass wir gestern in einem Elektro-Golfwagen, gemeinsam mit Frank und Ernie aus Mainz, einmal das Hotel umrundeten. Beginnend beim Geldautomaten, über die Bogensportanlage, bis hin zum Hotelshop. Alles dabei. Nur beim letzten Steilaufstieg zur Rezeption kam der Golfwagen an seine Grenzen, fast wären wir stehen geblieben. Doch wir Deutschen sind praktisch veranlagt und vor allem lösungsorientiert. Ernie hinten sprang ab und schob den Wagen bis knapp vor die Rezeption.

      Mein Bruder trägt den Spitznamen Excel-Punk. Weil er in einem Excel-Sheet genauestens darüber Buch führt, welche Punkrock-Festivals er besucht hat. Ich hingegen bin mehr so der Hippie. Innerlich. Aber ohne Achselhaare.

      Als Hippie muss man natürlich exotisch und südlich reisen. Mit Flip-Flops und bunten Tüchern und sonst nix im Handgepäck.

      Wir reisen auch gern südlich, in Gedanken. In echt reisen wir dann meistens ins Südburgenland. So weit weg wie diesmal waren wir noch nie.

      Allerdings weiß ich nicht, ob die Hippies der 60er Jahre auf ihren VW-Busreisen auch so gut vorbereitet waren. Die wilde Uschi Obermaier zum Beispiel, Hippie-Sex-Ikone, hatte was mit zwei von den Rolling Stones, und später ist sie mit einer Hamburger Kiezgröße in einem umgebauten Bus monatelang durch exotische Länder gefahren. Waren die vorher auch im Tropeninstitut und haben dort zwei Monatsgehälter liegen lassen, um ausreichend Impfschutz sicherzustellen? Wir jedenfalls sind abgesichert gegen Diphterie, Cholera, Typhus, Japanische Enzephalitis und allerhand andere Krankheiten. Der Hippie hat vermutlich was geraucht und war dann auch gegen alles immun. Die Frau Obermaier und ihr Strizzi sind übrigens in einem umgebauten Schuh-Werbebus der Marke Salamander gefahren. Unnützes Wissen, Teil 1.

      Die Aufregung vor so einem Reiseabenteuer lässt einen aber auch weitere dringliche Spontankäufe tätigen. Stichwort: Reiseapotheke. Sicherheitshalber hat der Gatte noch ein paar Accessoires in der Apotheke geordert. Als ich alles einpacke, kommen mir ernsthafte Zweifel an unserer Hippie-Existenz. Pass auf, was wir dabeihaben:

      - Wundkompressen groß und klein

      - Leukosilk (Pflaster für die empfindliche Haut)

      - Travelgum (für wenn’s wackelt)

      - Zintona (Reiseübelkeit)

      - Iberogast (gegen Magen/Darm-Erkrankungen)

      - Dulcolax (wenn nix mehr geht)

      - Imodium akut (wenn zu viel geht)

      - Antibiophilius (für das Gleichgewicht)

      - Octenisept (Wunddesinfektion)

      - Hansaplast wasserabweisend (der Allrounder)

      - Betadona (Wundgel)

      - Insecticum Gel

      Um die legendären thailändischen Gelsen abzuwehren, werden wir unsere Langarm-Shirts in einer insektenabweisenden Substanz tränken. Und ich rede noch gar nicht über die Multifunktionsjacken, die extra für die kälteren Gegenden angeschafft wurden. Wir haben ja auch vor, an Ausflügen ins Landesinnere teilzunehmen. Man will nicht bloß Strandtourist sein. So wie ein echter Punk vermutlich selten Excellisten erstellt, trägt ein Hippie möglicherweise auch keine Multifunktionsjacken und importiert auch nicht das gesamte westliche Gesundheitssystem ins Urlaubsland. Aber gut, es kommt auf die innere Haltung an. Und sind wir da nicht alle Punks und Hippies?

      PS: Die Uschi Obermaier hat übrigens auch noch Jahre nach dem Tod ihres Lebensgefährten in dem umgebauten Schuh-Bus gewohnt. Unnützes Wissen, Teil 2.

      Nachricht von daheim. Meine frisch geschiedene Freundin Lisa schickt eine Nachricht mit einem Selfie neben einer Ortstafel. Poppendorf steht da drauf.

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      Au weia, wenn jetzt die Wiener das Südburgenland gentrifizieren, Fincas errichten und Ausschau nach Pusta-Boys halten, sehe ich schwarz für die völkerverbindende Freundschaft zwischen den Bundesländern. Pusta-Boys! Wem bitte fällt so was ein. Die wird gleich wieder ausgewiesen werden aus Poppendorf und das schöne Burgenland nie wieder weiter als bis zum Designer-Outlet-Center Parndorf betreten dürfen! Integration beginnt im Urlaub. Darum heißt es auch nicht mehr Fremdenverkehr, sondern »Urlaub bei Freunden«!

      Wobei ich da eh noch ein Urlauberintegrationstrauma habe. Als ich einst Kind war, waren wir an einem warmen Sonntag im Frühling beim Kirchenwirt essen. Es muss irgendein akuter Feiertag gewesen sein, denn man ging damals nicht einfach so ins Gasthaus essen. Ich tippe auf Muttertag, denn es war schon warm. Ich durfte zum ersten Mal meine neuen, schneeweißen Sandalen ausführen, und überall in den Gasthäusern wurden die Mütter ausgeführt. Normalerweise waren in diesen Gasthäusern neben den Kirchen eher Sommerfrischler und Urlaubsgäste anzutreffen. Aber an besonderen Hochamtsfeiertagen übernahmen wir Einheimischen wieder den Vorsitz. Und saßen in sicherer Distanz nebeneinander. Kulinarisch waren beide Seiten voll integrationswillig, die Wiener aßen gern Bauernschmaus, wir vom Land hingegen gern Wiener Schnitzel. Mit einer Scheibe Zitrone, oder wenn das Gasthaus etwas Besseres war, sogar mit Preiselbeeren. Neugierig blickte jeder über seinen Tellerrand hinaus und zu den Fremden hinüber. Manchmal wurden unter uns Kindern auch zarte Bande der Freundschaft geknüpft. Obgleich die sprachliche Hürde eine nicht zu unterschätzende Barriere bildete, auch wenn die große Hauptstadt Wien, wo die meisten Sommerfrischler her waren, eigentlich nur 120 Kilometer entfernt war. Ohne Autobahn bedeutete das damals noch drei Stunden Fahrt über kurvige Bergstraßen.

      Am Nebentisch an diesem warmen Frühlingssonntag saß ein Sommerfrischler-Ehepaar. Die Sommerfrische dürfte aber das einzig Frische in ihrer Ehe gewesen sein, denn sie hat ihn von der Suppe (Leberknödel) bis zur Nachspeise (Birne Helene) angekeift. Vorwiegend ging es um das Schuhwerk. Und dass man für die Sommerfrische die guten Schuhe nicht hätte beanspruchen müssen. »Man trägt hier Gummistiefel!«, sprach sie. Ich schaute auf meine Füße hinunter, die den Wirtshausboden noch nicht erreichten, auf meine wunderschönen weißen Sandalen, und verstand die Welt nicht mehr.

      Später war ich selbst auch nicht besser. Das ferne Wien kannte ich nur aus der beliebten TV-Serie »Ein echter Wiener geht nicht unter«. Das war für mich das echte Wien. Ich wusste nichts von Hietzing oder dem Burgtheater. Als ich zum ersten Mal nach Wien kam, erwartete ich, dass hier alle Familien ihre Badewannen in der Küche hätten und man sich abends rund um den Esstisch versammelte, um viel Bier zu trinken und sehr laut miteinander zu sprechen. Vielleicht braucht der Mensch solche Klischees zur ersten groben Orientierung. Alle Kärntner singen. Alle Schwaben sind sparsam. Alle Tiroler tragen Lederhosen.

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