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American Football. Alex von Kuczkowski
Читать онлайн.Название American Football
Год выпуска 0
isbn 9783730704899
Автор произведения Alex von Kuczkowski
Жанр Сделай Сам
Издательство Bookwire
Die Liga versteht es schon lange, sich für geldkräftige Partner von Jahr zu Jahr wirtschaftlich attraktiver zu machen. Sie erkennt Trends schnell und setzt regelmäßig auch selber welche. Das eigentlich Unglaubliche dabei: Die NFL war von 1942 bis 2015 eine gemeinnützige, also eine Non-Profit-Organisation und musste demnach keine Steuern zahlen! Dafür betreibt sie viele Charityprojekte, also Wohltätigkeitsarbeit. Bereits 1973 wurde eine eigene Stiftung gegründet, die NFL Foundation. Sie unterstützt sozial benachteiligte Kinder. Auch die Topstars der Liga spenden regelmäßig Geld. Das kommt gut an bei den Amis. Denn eines ist der NFL besonders wichtig: ihr guter Ruf. Alles ist darauf ausgerichtet, die Liga stets im besten Licht dastehen zu lassen. Das gelingt nicht immer. Zum Glück! Trotzdem hört sich die NFL den Ärger ihrer Fans immer an. Das Feedback der eigenen Anhänger genießt höchste Priorität. Der Kunde ist halt König. Goodell formuliert regelmäßig offene Briefe, in denen er sich durchaus auch selbstkritisch äußert. Vor kurzem gab er öffentlich zu, dass auch er die vielen Werbeunterbrechungen während eines Spiels nicht mag – und gelobte Besserung. Im Mai 2019 verkündete die Liga dann, dass es während des Super Bowls 2020 weniger Werbepausen als in den vergangenen Jahren geben wird.
Was der NFL in die Karten spielt: Sie ist in ihrer Sportart ein Monopolist. Sie kann schalten und walten, wie sie will. Ernsthafte Konkurrenz gibt es aktuell nicht. Aber sie nutzt diese Freiheiten nicht, um noch mehr Kapital für sich rauszuschlagen. Natürlich könnte sie ihre Liga von derzeit 32 Teams auf zum Beispiel 36 erhöhen. Oder den Spielplan von 16 auf, sagen wir, 18 Partien in der regulären Saison aufblähen. Mehr Teams, mehr Spiele gleich mehr Gewinn. Aber so tickt die NFL nicht. Durch die kurze Saison ist die sportliche Bedeutung einzelner Spiele extrem hoch. Spannung immer vorhanden. Zum Vergleich: In den US-Konkurrenzligen NBA (Basketball) und NHL (Eishockey) gibt es erst mal 82 Spiele, bevor überhaupt die Meisterrunde startet. Und da gibt es nicht nur ein Finale, sondern bis zu sieben Endspiele.
Die NFL hat Tradition. Für viele ist sie sogar eine Religion. Ein Lebensgefühl, das über viele Generationen weitergegeben wurde. 100 Jahre hat die Liga nun schon auf dem Buckel. Das ist viel Zeit, um zu wachsen und zu einer Dynastie zu werden. Aber was war ihr Ursprung? Welche Steine musste sie aus dem Weg räumen? Was hat sie letztlich so erfolgreich gemacht? Begeben wir uns auf Spurensuche.
IN CANTON
GING ALLES LOS
Der Ort, an dem alles begann, ist die US-Kleinstadt Canton. Ein Fleckchen Erde rund 100 Kilometer südlich von Cleveland im Nordosten des Bundesstaates Ohio, das 1805 als Dorf gegründet wurde und heute knapp 70.000 Einwohner hat. Canton ist der Regierungssitz von Stark County. Einem Verwaltungsbezirk, in dem viele »Amish People« leben, eine stark religiöse Glaubensgemeinschaft mit christlichen Werten, von denen Anfang des 18. Jahrhunderts viele aus Deutschland und der Schweiz nach Amerika auswanderten. Seine beste Zeit hat die Stadt gefühlt hinter sich. Sie war im 20. Jahrhundert ein bedeutender Standort der Fertigungsindustrie von Eisenbahnschienen. Doch diesen Status hat sie längst verloren. Zu ihren berühmtesten Kindern zählt Gruselsänger Marilyn Manson, der hier im Jahr 1969 das Licht der Welt erblickte. Canton ist ein Ort, an den sich normalerweise nur wenige Touristen verirren würden … wäre da nicht die Möglichkeit, NFL-Luft einzuatmen. In Canton hat am 7. September 1963 die Pro Football Hall of Fame eröffnet, die Ruhmeshalle der Liga, in der verdiente Sportler, Trainer und Funktionäre nach ihrer Karriere geehrt und aufgenommen werden. Und in Canton stellte Ralph Hay im Sommer 1919 die Weichen für die NFL. Hay war bereits im jungen Alter ein umtriebiger Geschäftsmann. Nachdem er zunächst als Autoverkäufer arbeitete, beschloss er, selbst groß in den Autohandel einzusteigen, und eröffnete die Ralph E. Hay Motor Company. Im Jahr 1918, da war Hay gerade mal 27 Jahre alt, erwarb er die Canton Bulldogs, das damals beste American-Football-Team aus der Region. Die Bulldogs waren Seriensieger der inoffiziellen Ohio League.
American Football wird in den USA seit Mitte des 19. Jahrhunderts gespielt. Damals hatte die Sportart aber nur wenig Ähnlichkeit mit dem Spiel, wie wir es heute kennen. Sie war eher ein Mix aus Rugby und Fußball. Jede Mannschaft bestand aus 25 Spielern. Die erste dokumentierte Begegnung fand am 6. November 1869 in New Jersey zwischen den Universitäten von Rutgers und Princeton statt. Vor allem an Hochschulen wurde der Sport dann auch schnell populär. Teils bis zu 100.000 Zuschauer strömten schon damals in die Stadien, um die Duelle der besten College-Talente aus ihrer Region zu bestaunen. Die spielten gratis, im College Football ist es verboten, Geld für die Ausübung des Sports zu verdienen, auch heute noch. Bulldogs-Boss Hay hingegen bezahlte seine Akteure dafür, dass sie ihre Knochen hinhielten. Für ihn war Football aber ein Minusgeschäft. Er konnte seine Kosten nur mit dem Verkauf von Eintrittskarten für die Spiele wieder reinbekommen. Die kosteten damals üblicherweise einen Dollar. Aber es kamen zu wenig Zuschauer, um die Gehälter der Spieler zu decken. Die bekamen im Schnitt zwischen 50 und 100 Dollar pro Einsatz, »Stars« auch schon mal 250 Dollar. Viel Geld für einen netten Nebenverdienst. Denn Football-Profis gab es damals kaum. Die Teams bestanden größtenteils aus einfachen Fabrikarbeitern. Zudem gab es auch keine bindenden Verträge. Die Spieler wechselten permanent die Mannschaften. Immer dorthin, wo gerade das meiste Geld winkte.
Hay wusste, er musste was machen, um diese Zustände zu ändern. Also trommelte er im Sommer 1919 Vertreter der damals bekanntesten Football-Teams zusammen. Die kamen aber ausschließlich aus Ohio. Hier, im bevölkerungsreichen, präindustriellen Nordosten der USA, war die Sportart besonders beliebt. Genau wie in den benachbarten Bundesstaaten New York, Pennsylvania, Indiana und Illinois. Der restliche Teil Amerikas hatte mit Football noch wenig bis gar nichts am Hut. Das Treffen von Hay und seinen Mitstreitern aus Ohio verlief jedoch nahezu ergebnislos. Man einigte sich lediglich auf die einheitliche Bezahlung der Schiedsrichter. Trotzdem nimmt die NFL dieses »Zusammenstecken von Köpfen« als Anlass, um im Jahr 2019 ihren 100. Geburtstag feiern zu können.
Man hätte auch noch ein Jahr warten können. Denn Hay gab nicht auf und lud im Sommer 1920 erneut Entscheidungsträger von Football-Teams, die sich künftig professioneller aufstellen wollten, zu einem Treffen ein. Und diese Zusammenkunft brachte den erhofften Durchbruch: Am 20. August 1920 begrüßte Hay in seinem Büro in Canton Manager der Akron Pros, Cleveland Tigers und Dayton Triangles. Sie legten das Fundament für die American Professional Football Association (APFA). Hay wurde zu ihrem Generalsekretär gewählt. Das nächste Meeting berief er bereits einen Monat später ein. Für den 17. September 1920 wurden diesmal auch Vertreter entfernter liegender Teams eingeladen. Darunter George Halas (*1895, †1983), den Spielertrainer der Decatur Staleys (das sind die heutigen Chicago Bears). Am Ende saßen zehn Männer in der Runde. Weil Hays Büro plötzlich zu klein war, zog man in seinen Auto-Showroom um. Hier wurde die APFA endgültig in Stein gemeißelt. Erst zwei Jahre später, also 1922, wurde sie in National Football League umgetauft. Erst ab diesem Zeitpunkt, die Anzahl der Teams war mittlerweile von 14 auf 18 angestiegen, benutzte sie auch offiziell erstmals den Begriff»Liga«.
Zu den zehn Gründungsteams der APFA gehörten die Akron Pros (Meister in der Premieren-Saison 1920), die Canton Bulldogs, die Cleveland Tigers und die Dayton Triangles aus Ohio. Die Hammond Pros und die Muncie Flyers aus Indiana. Die Rochester Jeffersons aus New York. Sowie die Rock Island Independents, die Decatur Staleys und die Racine Cardinals (das sind die heutigen Arizona Cardinals) aus Illinois. Vier weitere, die Buffalo All-Americans, die Chicago Tigers, die Columbus Panhandles und die Detroit Heralds kamen im Verlauf des Jahres ebenfalls noch dazu. Hay wurde gebeten, Präsident der neuen Liga zu werden. Das lehnte er aber ab. Aus PR-Gründen machte er sich für Jim Thorpe (*1887, †1953) stark, dem zu dieser Zeit besten American-Football-Spieler