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fragte er.

      Die Dame klappte ihre Handtasche auf und zog Lippenstift nach. Dann blickte sie zu ihm: »Der Abend war schön. Warum sollte er jetzt enden?«

      Weil ich müde bin, hätte er antworten wollen. Stattdessen griff er nach ihrer Hand, hielt sie in der seinen. Er hatte das Gefühl, es beruhige ihn mehr als sie. Mit der freien Hand fischte er eine kleine blaue Pille aus seiner Sakkotasche. Er wartete auf einen günstigen Moment und schmiss sich die Pille ein. Er wusste, es würde etwa eine Stunde dauern, bis sie wirkte.

      Die Straße führte inzwischen durch einen dichter werdenden Wald. Sie fuhren bergan, auf die Chefetage der Stadt zu. Er verfolgte das Mondlicht nach jeder Kurve im Rückspiegel, bis die Limousine langsamer wurde und in eine Auffahrt einscherte. Ein Tor öffnete sich, die Reifen knirschten auf dem Kies. Eine Flutlichtfalle strahlte auf und beleuchtete eine Art Schloss mit kunstvoll gezimmerten Balken. Sie stiegen in umgekehrter Reihenfolge aus, wie sie eingestiegen waren, der Fahrer blieb gelassen im Wagen sitzen. Es war nicht der Marmor auf dem Boden, der auf Benedetto Eindruck machte, nicht die kunstvollen Bilder an der Wand oder die grünen Vertäfelungen an der Decke, sondern die Vorhalle, die sie betraten. Benedetto hatte das Gefühl, als befände er sich in einem Grandhotel. Was stellt man mit so viel Platz an?, fragte er sich. Als Kind hatte er am Stadtrand von Florenz gemeinsam mit seinen Eltern, der Großmutter, seinen Geschwistern und weiteren Mitgliedern der Familie gelebt. Jahrelang, beinahe zwei Jahrzehnte, wie in einem Kaninchenstall. Er hatte mit seinem Onkel und zwei seiner Brüder in einem Raum geschlafen. Im Winter hatte ihnen nur ein alter Kachelofen Wärme gespendet, im Sommer hatten die Kastenventilatoren an allen Fenstern das Haus in ein brummendes Wespennest verwandelt.

      »Wollen Sie mit nach oben kommen?«, holte die Dame ihn zurück in ihre Gegenwart. Sie stand an der weit geschwungenen Treppe, hatte bereits ihre beringte Hand auf das Geländer gelegt. Er nickte. Die Stufen knarzten an einigen Stellen, ein Einbrecher hätte sich ertappt gefühlt. Aber er war ja kein ungebetener Gast. Sie gelangten in einen großen Salon mit schweren, weißen Vorhängen und hellen Möbeln. Eine Flügeltür führte zum angrenzenden Schlafzimmer. Die Dame zog ihren Nerz aus und legte ihn auf einem Diwan ab. Das Perlencollier verwahrte sie in einer Samtschatulle.

      »Wollen Sie etwas Musik machen?«, fragte sie.

      Benedetto warf einen beflissenen Blick auf die Plattensammlung, die ein cremeweißes Regal füllte. Enrico Carusos Stimme erklang bald im Raum. Sie beglückte ihn. Er legte den Kopf zur Seite und lauschte der Musik. »Caruso wurde im Armenviertel von Neapel geboren«, kam es ihm über die Lippen. »Als der große Komponist Giacomo Puccini ihn zum ersten Mal hörte, fragte er erstaunt: ›Wer hat Sie zu mir geschickt? Gott?‹« Benedetto lächelte. »Schön, nicht wahr?« Als er sich der Dame zuwandte, hatte diese sich bereits aufs Bett gesetzt und war entkleidet. Sie legte sich auf den Bauch, streckte Beine und Arme wie ein Seestern auseinander.

      »Stellen Sie sich vor, ich wäre tot«, sagte sie. »Machen Sie einfach alles, was sie tun müssen.«

      Benedetto nickte. Er war in einer psychisch prekären Situation. Wie immer zählte am Ende sein Körper, nicht sein Geist. Er zog sein Sakko aus, nahm sich Zeit, legte es sorgsam auf der Lehne eines Sessels ab. Er knöpfte langsam sein Hemd auf und bewegte sich in Richtung des Durchgangs, hin zu der offenstehenden Flügeltür. Was nun folgte, glich in gewisser Weise dem Gang ins Stadion vor einem Spiel. Alles schmolz zu einem Moment zusammen. Dieser Körper war nicht nur eine durch viele Trainingseinheiten geformte Materie, nein, er war eine Ansammlung straffer Muskeln und Sehnen, die zu funktionieren hatten; ein kampfbereiter Körper, gänzlich von Konzentration durchdrungen. Er hatte ihre Silhouette fest im Blick. Ging auf das Bett zu. Nahm einen ihrer Fußballen in die Hand. Die Absätze ihrer Schuhe hatten sie rot anschwellen lassen. Plötzlich schwang die Flügeltür zu. Benedetto erschrak und drehte sich um. Im Raum stand ein zitternder, alter Mann in Unterwäsche, eine Videokamera in der Hand, seine Augen waren wie ängstliche Träume, er wirkte wie ein Kind, das unabsichtlich etwas kaputt gemacht hatte und nun um Verzeihung bettelte. Benedetto folgte dem Blick des Mannes, der auf einen blütenweißen Umschlag am Kopfende des Bettes zielte. So funktionierte also die Ablassbitte, sprachlos und in eindeutige Gesten gehüllt.

      »Schneiden Sie mein Gesicht raus«, sagte Benedetto nach einigem Zögern. Wenig später sollte ein nur sanft nachgebender Körper unter ihm laut werden.

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