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Sie erwarten, dass der Kollege sich über die Überstunden beschwert und hören die Schlagworte „Überstunden“ und „nichts mit dem Kunden zu tun“ heraus und interpretieren selber in Ihrem Kopf, dass der Mitarbeiter nichts Positives an dem Projekt finden kann. Dass ihm Teile des Projekts sogar gut gefallen, überhören Sie. Bei dieser fünften Stufe des Zuhörens geht es darum, den anderen punktuell und nur ansatzweise zu verstehen, wobei eigene Gedanken im Gespräch klaren Vorrang haben.

      f) Vortäuschendes Zuhören

      Wir schauen den anderen zwar an, hören jedoch nicht zu und tun nur so, also hätte derjenige unsere volle Aufmerksamkeit.

       Beispiel: Sie sprechen am Telefon mit Ihrem Mitarbeiter über die Timeline – doch in Wirklichkeit denken Sie selber über das vor zehn Minuten misslungene Verkaufsgespräch mit einem potenziellen Kunden nach, bei dem Sie ein paar Fehler gemacht haben. Die Infos des Mitarbeiters über die Timeline kommen Ihnen unwichtig vor, daher beschließen Sie, einfach nur „Mhhh …“ und „Aha …“ in den Hörer zu sagen, könnten aber die Inhalte seiner Aussagen überhaupt nicht wiedergeben. Bei dieser sechsten Stufe des Zuhörens geht es darum, dem anderen das Gefühl zu geben zuzuhören, wobei sie eigentlich gar nicht zuhören.

      g) Ignorierendes Zuhören

      Zwar vernehmen wir akustisch, was der andere sagt, hören allerdings inhaltlich nicht zu. Es ist eher eine störende Geräuschkulisse, wenn der andere spricht. Wir machen uns nicht einmal die Mühe, etwas mitzubekommen.

      Beispiel: Während Ihre Sekretärin kurz ins Büro reinkommt und zu Ihnen spricht, sind Sie gerade bei einer wichtigen E-Mail, die Sie perfekt formulieren wollen. Nicht einmal mit einem Ohr hören Sie zu. Und gegebenenfalls vergessen Sie in zehn Minuten, dass die Kollegin überhaupt da war und Ihnen etwas mitgeteilt hat. Bei dieser siebten Stufe des Zuhörens geht es darum, den anderen zwar reden zu lassen, ihm aber indirekt zu signalisieren, dass er gar nicht zu reden braucht.

      Zuhören ist ein facettenreiches Phänomen und wir alle haben in der Vergangenheit jede dieser sieben Arten des Zuhörens selbst praktiziert. Diese Unterscheidung zeigt eines deutlich: Empathisches und aktives Zuhören kostet Energie und Zeit. Lohnt sich das denn überhaupt, diese Energie und Zeit aufzubringen? Dazu hilft das Gedankenexperiment der sieben Hierarchiestufen.

      h) Das Gedankenexperiment der sieben Hierarchiestufen

      Stellen Sie sich vor, Sie sind Führungskraft und unter Ihnen gibt es sechs Hierarchiestufen. Sie bilden die oberste siebte Stufe. Und nun stellen Sie sich vor, dass auf jeder nächsthöheren Hierarchiestufe 50 % der relevanten Informationen verloren gehen durch nachlässiges Zuhören. Auf der untersten Stufe gibt es also 100 % der Informationen, auf der zweiten Stufe nur noch 50 %. Wie viel, schätzen Sie, bleibt dann bei Ihnen auf der obersten Ebene noch übrig? Haben Sie eine Zahl im Kopf? Und nun die Auflösung: Es sind lediglich 1,6 %, die auf der obersten siebten Stufe ankommen! Das Gedankenexperiment stammt von meinem Kollegen Thomas Zweifel – und hier zur Veranschaulichung eine Grafik dazu:

      Diese Grafik zeigt eines ganz deutlich: Je höher sich die Führungskraft in der Hierarchie befindet, desto gefragter sind aktive und empathische Zuhörerqualitäten. Und eines wird auch klar: Will die Führungskraft an relevantere Informationen heran, muss sie zur „Quelle“, das heißt also, bei vielen Fragen auch mit der ersten oder zweiten Hierarchieebene reden und nicht nur in den Führungsetagen „Strategiesessions“ leiten. Denn wer kann schon mit 1,6 % eine solide Entscheidung treffen?! Daher auch der Slogan: Reden ist Silber – Zuhören ist Gold!

      ÜBUNG #2: Einem TED-Talk zuhören

      Hören Sie sich, ohne Notizen zu machen, einen TED-Talk an (www.ted.com). Wenn Sie nicht wissen, welchen TED-Talk, dann empfehle ich Ihnen den von Simon Sinek mit dem Titel „How great leaders inspire action“ (einfach bei YouTube eingeben). Die TED-Talks, falls Sie sie nicht kennen sollten, sind knapp 20-minütige Präsentationen von klugen Leuten mit klugen Ideen für die Welt.

      Und jetzt kommt Ihre Aufgabe: Hören Sie sich den Vortrag an, danach nehmen Sie ein Blatt Papier und notieren sich so viele Details aus dem Vortrag, wie Sie können. Anschließend hören Sie sich den Vortrag noch einmal an. Haben Sie die großen Leitlinien alle gewusst? Wie ist es mit Beispielen? Haben Sie die Begründungen notiert? Das Schöne an dieser Zuhör-Übung ist, dass Sie sich selber wunderbar kontrollieren und durch wiederholtes Üben ganz ohne Coach im Zuhören trainieren können. Denn es gibt Hunderte gute TED-Talks. Schöner Nebeneffekt: Sie bekommen ziemlich schlaue Ideen – nicht nur für das Arbeitsleben.

      3) Körpersprache ist King

      Zur professionellen Körpersprache sind Tausende Bücher geschrieben worden. Und auch ich halte mit Führungskräften zweitägige Veranstaltungen ab, bei denen es darum geht, die Körpersprache zu perfektionieren. Dieses Buch ist ein praktisches Handbuch und ich sage Ihnen, dass Sie 80 % der Wirkung auf andere verbessern können (Stichwort: Pareto-Prinzip), wenn Sie nur diese drei Körpersprache-Tipps beherzigen:

      a) Warum ist Blickkontakt so wichtig?

      Blickkontakt baut Vertrauen auf, suggeriert Kompetenz und strahlt Selbstbewusstsein aus. Doch der wichtigste Grund ist, dass der Blickkontakt uns ermöglicht, genau zu beobachten, wie die Botschaft beim anderen ankommt. Ob der andere verlegen wegschaut, seine Stirn runzelt oder gar mit dem Kopf schüttelt – kleinste körpersprachliche Reaktionen können wir mit Blickkontakt beobachten und unsere Rede daraufhin anpassen.

      Als ich an Rhetorik-Wettbewerben sowie Debattier-Weltmeisterschaften teilnahm und dort zu den erfolgreichsten Rednern zählte, lag das nur zum Teil an der Redekunst. Wichtiger für den Erfolg war es, die Jury, die meine Reden bewertete, gut zu beobachten und genau mitzubekommen, wann sie ein Argument „geschluckt“ hatte. Wenn der Juror beim ersten Argument seine Stirn runzelte, dann brachte es nichts, mit dem zweiten Argument fortzufahren, sondern ich musste zunächst das erste Argument anders erklären oder ein anderes Beispiel geben. Erst wenn der Juror nickend etwas auf seinen Zettel schrieb, konnte ich weitermachen mit meinem zweiten Argument.

      Und genauso ist es auch im Alltag: Wenn Sie merken, dass etwa bei einem Mitarbeitergespräch Ihr Kollege Ihnen nicht folgen kann oder will, dann müssen Sie es aus einer anderen Perspektive oder mit einer anderen Begründung versuchen. Dabei halten Sie konstanten Blickkontakt und analysieren die Körpersprache Ihres Kollegen auf Zustimmung und Ablehnung.

      Das Gute an Körpersprache ist: Die meisten Menschen sind schlechte Schauspieler und können die Körpersprache nicht kontrollieren. Insofern „spricht“ der Körper die Wahrheit, ohne dass der Sprecher dies unbedingt will. Die berühmte Mehrabian-Studie von 1967 besagt, dass Menschen die Wahrhaftigkeit der Körpersprache intuitiv kennen und weniger dem Wort glauben als der Körpersprache. Wenn also ein Mensch sagt, er freue sich auf die Weihnachtsfeier (verbale Ebene), schaut dabei aber etwas verlegen nach unten (nonverbale Ebene), dann achten Menschen, übrigens zurecht, eher auf die Körpersprache. Denn sie ist viel schwerer zu manipulieren als das gesprochene Wort. Wenn Sie sich für die Kunst der Manipulation interessieren sollten, empfehle ich mein Buch „Dunkle Rhetorik: Manipuliere, bevor Du manipuliert wirst!“.

      Da Sie nun Führungskraft sind und häufiger kleine Ansprachen machen, Meetings leiten und Präsentationen halten werden, steht selbstverständlich Ihre Körpersprache viel mehr unter Beobachtung als bisher. Das ist jedoch kein Grund zur Sorge, sondern eine Chance. Wie sagte Churchill so schön:

      Führungskraft zu sein und

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