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Farbenbelag — und es kann vorkommen, daß sie Sonnenstich und Farbenkolik bekommt, so daß sie sich verirrt, wenn sie in ihr Nestloch hineinfliegen will.

      Des Nachts dahingegen irrt sie nie in bezug auf irgendeinen Zweig! Sie sieht das Spiel in den Augen der Mäuse, sie sieht die Kröte, wenn sie über den Weg kriecht, sieht die Schnecke und den Wurm, wenn sie sich durch das Gras schleichen, sie sieht den Tanz aller Nachtfalter! Sie sieht deutlich die Mücke, die die Fledermaus fängt. — In der Nacht beherrscht sie alles!

      Vor ihr breitet sich die Erde baumlos und offen aus, mit Feldern und Wiesen, Moorstrecken und Heideflächen. Der Tau spielt über Gras und Kräutern, rollt an Stengeln und Halmen herab, und legt sich in Haufen auf die Blumen.

      Es strahlt und schimmert da draußen! Aber das Grün ist nicht scharf wie am Tage und das Weiß und das Rot empfindet man nicht wie Wind im Auge ... die Farben der Nacht sind alle so zart und milde!

      Nun beginnt das Leben auf den geheimnisvollen Wechseln. Das welke Laub der Waldwege bibbert und bebt, ein vereinzelter, dürrer Zweig wiegt sich auf und nieder. Da unten wandern die Mäuse! Eine Ricke mit ihren Kitzen kommt ganz oben zum Vorschein; sie stehen lange und winden — setzen dann in ein paar Sprüngen über den Waldrain hinweg. Der Fuchs maust am Gehege entlang und äugt verstohlen nach den Rehkitzen; das hinterste, findet Reinecke, ist ein etwas ausgelassener, kleiner Kerl!

      Aber es sind alles Wanderer, die andere Pfade geschritten und durch andere Tunnel gegangen sind, als den, welchen Strix bewacht.

      Da hört sie Blätter krachen, Zweige knacken ... auf dem Wechsel unter ihr ist jemand. Tripp, trapp! Tripp, trapp! das ist ein Hase ...

      Hasen waren in früheren Zeiten ihre tägliche Speise; damals, als der Wald noch Hasen genug hatte, verbrauchte sie ein paar Hundert im Jahr; jetzt muß sie sich mit bedeutend weniger begnügen und Jungfüchse und Dachswelfen zur Aushilfe nehmen.

      Der Hase macht auf dem Wechsel dicht vor dem Tunnel Halt.

      Er setzt sich und lauscht — er hebt sich ganz auf die Hinterläufe ... die Augen stehen ihm starr im Kopf, während der Windfang mit der tiefen Hasenscharte in der Lippe sich fortwährend rund herum bewegt. Strix kann mittels des Gehörs ihren kleinen Lampe auf der ganzen Reise verfolgen! Sie hört, wie er aus seiner aufgerichteten, kundschaftenden Stellung die spitzen Vorderläufe wieder an die Erde setzt, hört seine kräftigen Lungen arbeiten, seine Nüstern sich blähen — o, wonniger Laut! — hört seinen Magen schreien und die Gedärme vor Hunger rummeln. Da weiß sie, daß sie nicht vergeblich gelauert haben wird.

      Und dann geht es, wie es gehen soll!

      Der Hase hoppelt sorglos und sicher durch den ersten Schlehentunnel — und sorglos und sicher kommt er heraus; er will weiter über den Waldrain in seinem Tripp, Trapp-Gehüpfe, als sich plötzlich etwas wie eine schwarze, warme Wolke auf ihn senkt. Ungeahnt taucht Strix aus der Finsternis auf; auf ihren Wollflügeln kommt sie — von hinten.

      Sie kommt mit dem lähmenden Schrecken, der die Folge jeglicher Überrumpelung ist, und wird erst sichtbar, als sie sich in greifbarer Entfernung von ihrer Beute befindet.

      Der Hase wird in beiden Flanken gepackt, und so gewaltsam ist das Hineinhauen, daß die Fänge der Eule sich in der Brust begegnen. Er stößt einen Schrei aus, im nächsten Augenblick sitzt ihm etwas wie ein Krummesser im Nacken; der Hase hat noch so eben Zeit zu dem Gedanken: So, da bist du offenbar auf die Dornen gelaufen! dann weiß er von nichts mehr, er zappelt mit den Hinterläufen und streckt die Drossel ... die gelben Lichter starren steif in den Raum hinein.

      Strix geht in der Dunkelheit der Nacht mit gesenktem Kopf, mit krummem Buckel und gesenkten Flügeln auf ihr Opfer zu, und sie walzt vor Äsungslust um den armen Hasen herum. Dann pflanzt sie die kreuzförmigen Fänge auf ihn, knappt mit dem Schnabel und öffnet ihren mächtigen Schlund. Sie zerschneidet Brustbein und Knochen ... es kracht und knackt in dem Hasenleib; große Stücke gleiten mit Haut und Haar hinab, während lebenswarmes Blut ihre Schwungfedern befleckt und sich in ihren Schnabelwinkeln und in den gelben Fängen festsetzt.

      Sie ist ganz satt — — aber noch steht ihr der größte Genuß bevor. Sie fliegt auf ihren Ast hinauf und sitzt da und starrt und sieht auf den toten Hasen hinab, als wolle sie ihn noch einmal mit Grauen erfüllen. Stundenlang kann sie so sitzen, und wie ein Geizhals unverwandt und grübelnd auf ihren Überfluß hinabstarren — bis sie dem herzzerreißenden Geheul ihres alten Gatten, der nach Nahrung schreit, nicht länger widerstehen kann.

      Da ruft sie ihn — und wollüstig schlingt Uf die blutigen Überbleibsel herunter.

      — — —

      Nacht aus, Nacht ein erlegt Strix die Nahrung für sich und Uf an dieser alten Fangstätte. Dann, eines schönen Abends, versiegt plötzlich der Zulauf. Die Stelle ist abgefangen, Strix hat alles erlegt, was auf dieser Seite des Waldes herausgeht.

       Da muß sie eine neue Taktik versuchen — oder sich auf lange Zeit anderswohin begeben.

      Es ist mondhell! Blaßgrün scheint die Strahlenfülle der Himmelslaterne auf den Wald hinab. Ein alter, abgestorbener Gespensterbaum auf einem Werder draußen im Moor tastet mit seinen eingeschrumpften Zweigen flehend zum Himmel empor, er versinkt wie im Wasser — der Rest des Murrkopfes ist im Nebel verborgen. Die schlanke Weißbirke tritt als Elfe aus dem Nebelgebräu der Moorhexe hervor und umspringt tanzend den Baum.

      Ein Mensch würde das Bild so sehen — — und er würde sein Herz klopfen fühlen unter dem Druck seiner Phantasie; er würde sich erdrückt fühlen von der Mystik des Waldes, von der eigenartigen Beleuchtung der einsamen Umgebung.

      Aber Strix hat keine Phantasie, mit der sie zu kämpfen braucht; für sie ist der Wald zu nächtlicher Zeit eine Freistätte, ein Heim; sie ist vertraut mit jedem Bilde, mit jedem Laut — und verkrüppelte, rindenlose Aststücke oder verschleierte Birken haben, trotz der Gaukelkünste des Nebels, keine Zauberkraft, kein Leben für sie.

      Bald wird der Mond gelb; er ist seinem Untergang nahe! Grau, aber mit einer Ahnung von Rot und Klarheit, hängt die Dämmerung schon über dem östlichen Horizont. Es murrt da unten, es wimmelt von Licht unter der dunkeln Decke, wie es unter einem Waldboden von Mäusen wimmelt.

      Da kommen die Hasen mit Müdigkeit in den Augen, mit dem Bedürfnis nach Ruhe in den matten Gliedern; geräuschlos huschen sie auf ihren Hexensteigen durch das Korn, sie wollen in den Wald hinein und sich setzen. Sorglos hüpft Lampe auf seinen weichen Ballen und mit hochgekniffenem Bauch, um nicht naß zu werden, denn der Tau spritzt hoch von dem Grase.

      Strix thront auf dem Fangzweig. Sie saß dort gestern Abend und auch vorgestern Abend — aber ohne Ergebnis; die Fangstelle ist ihr nicht freigiebig.

      Die Hasen sind scheu und mißtrauisch geworden. Sie benutzen den hundertjährigen Wechsel nicht mehr; der Steig betrügt, das haben sie entdeckt — sie schlagen andere Wege ein, die ihn weit umgehen.

      Da nimmt Strix ihre Zuflucht zu der Stimme!

      Sie beherrscht ein ganz ungewöhnliches Instrument! Sie kann die Stimme so tief tönen lassen wie nur ein Baß, und eine Reihe hohler, posaunenartiger Töne entsenden; aber sie kann auch in die Höhe gehen und ein scharfes, gellendes Geheul anstimmen.

      Ein heimliches Schaudern, ein stilles Grauen geht durch alles Lebende des Waldes, wenn sie des Nachts ihre mächtige Stimme ertönen läßt ... die kleinen Vögel rings umher in den Nadelfestungen des Tannendickichts weichen tiefer hinein zwischen die schirmenden Zweige, der Buntspecht und das Eichhörnchen ducken sich tief in ihre Astlöcher, ja, selbst der Marder hält inne in seiner nächtlichen Jagd, wenn er die unharmonische Verkündigung seines großen Nebenbuhlers hört. Den Fall gesetzt, die Eule wäre hungrig, und nähme, was ihr in den Weg käme, da würde Taa in ihrem Rachen verschwinden wie eine Ratte!

      Mit viel Mystik hat die Natur sie begabt. Ihr lichtscheues Treiben, die Farbe ihres Federkleides, ihr Bedürfnis nach Einsamkeit hat ihr seit undenklichen Zeiten das Mißtrauen der Menge zugezogen — auch über ihrer Stimme liegt etwas, das mystisch und eigenartig wirkt.

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