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Strix: Die Geschichte eines Uhus. Svend Fleuron
Читать онлайн.Название Strix: Die Geschichte eines Uhus
Год выпуска 0
isbn 4064066118488
Автор произведения Svend Fleuron
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Auf den Gütern jenseits der Förde tauchen plötzlich große, bunte, langschweifige Vögel in Mengen auf.
Es sind Fasanen!
Sie sind in kleinen Feldhölzungen ausgesetzt, wo sie sich durch Kunst im Überfluß vermehren. Es wimmelt von Ihnen am Waldboden und in den Bäumen. Sie sind so fett und gleichgültig, daß sie weder laufen noch fliegen mögen.
Sie ziehen aus allen Richtungen viele von den großen Uhus an;hier brauchen sie ja nur ins Gras niederzustoßen, gleich haben sie die Fänge voll Nahrung.
Rings um diese kleinen Gehölze, einladend über Dickicht und Gestrüpp aufragend, stehen hohe, schlanke Pfähle aufgepflanzt. Auf der Spitze eines jeden liegt — so recht dazu gemacht, um sich darauf zu setzen — ein kleines strammgespanntes Tellereisen.
Diese Eisen machen es im Umsehen Uhu-leer um Strix herum.
Zu dieser Zeit trifft sie ihr letztes Männchen.
Er ist alt und abgelebt, aber ihr bleibt keine Wahl — da sind keine andern Männchen ihrer Art.
Er singt und heult ihr einen Winter lang etwas vor und betört sie fälschlich, indem er trotz der schlechten Zeiten beständig mit Beute in den Klauen fliegt.
Es ist ein Eisen, das er schleppt. Er trägt es solange, bis die Federn des Eisens sich ihm durch das Bein geklemmt haben, dann stirbt der Fuß ab, und eines schönen Tages fällt er mit Eisen und Fang zu Boden.
Ein erstklassiger Freier ist er ja freilich nicht, aber was tut das — — er ist ein Uhu und kein Kanarienvogel!
— — —
Da thront er neben ihr ...
Jedesmal, wenn sie die Hautblende von den Augen fortzieht, sieht sie einen Schatten ihrer selbst vor sich: einen großen, braunen Uhu mit Federbüscheln wie ein paar Katzenohren und mit einer Mundspalte, die sich darunter weit nach hinten zu fortsetzt ...
Das ist der einklauige: UF!
Er ist an die hundert Jahre; seine Zeitgenossen sind der Wolf und der Adler gewesen — der letzte Überrest von Tieren, die noch etwas von der großen Zeit an sich haben.
Den ganzen Winter sitzen sie zusammen in dem hohlen Baumstamm und würgen an ihrem Gewöll. In der Regel schlafen sie gut — und erwachen sie zufällig, so haben sie genug zu tun.
Bald fordern die Nackenfedern einen Besuch ihrer Krallen, bald wollen die Lichter gerieben und die Wangen gewaschen werden, oder der Schnabelbart mit den vielen eingetrockneten Blut- und Fleischüberbleibseln meldet sich und bittet eindringlich, daß man ihn reinigt und bürstet.
Dann pudern sie sich halbe Stunden lang und nehmen die possierlichsten Stellungen ein. Uf wird zu einem jämmerlichen Großvater in der Nachtmütze und mit Haarzotteln um die Ohren; Strix wird zur Furie; zu einem wilden Gespenst — bereit zu kratzen und um sich zu schlagen!
Aber zur Frühlingszeit, wenn die Märzstürme den Wald „stimmen“, wenn die Larven in dem faulen Holz des Baumstamms mit offenbar fieberhafter Hast anfangen, ihr eifriges Klopfen und Hämmern zu beschleunigen, wenn die Träume, die sie träumen, immer wiederkehren, da geht es nicht mehr an, nur zu schlafen und sich zu putzen! Da müssen sie auf — auf und die Hörner sträuben und mit den Flügeln schlagen, während sie auf dem Zunder, auf dem sie sitzen, hüpfen und tanzen; da müssen sie schwänzeln und sich kröpfen und hu—u, hu—u heulen ...
Und dann bauen sie ihren Horst.
In einem Bett aus Reisig liegen zwei graubedaunte Junge!
Sie sind runzelig im Gesicht wie alte Weiber und häßlich für alle, nur nicht für Strix. Der Horst liegt in einer großen Vertiefung unter einem alten Baumstumpf, aber er geht in den Baumstumpf hinein, weit hinein, so daß man in ein tiefes, undurchdringliches Dunkel sieht. Es ist ein ganz vorzügliches Nest, da ist ein Fußboden und da ist ein Dach — auf dem Fußboden liegen allerhand Federreste. Ganz hinten im Baumstumpf ist die Vorratskammer; da gibt es Amseln und Birkhühner und Hasen — und alle Speisen sind frisch, die Tiere sind ganz kürzlich geschlagen. Aber vor dem Baumstumpf ist der Fußboden in weitem Umkreis mit Flügeln und Knochen übersät; da sieht es aus wie vor einer Räuberhöhle.
Die Jungen sind noch klein. Vor zwölf Tagen erst sind sie aus dem Ei gekrochen, und Strix’ einkralliges, altes Männchen sitzt getreulich über ihnen, um durch die Wärme seines Körpers den Lebensfunken in ihnen zu erhalten. Uf kann schlecht fangen, kaum für den eigenen Bedarf, geschweige denn für den anderer; seine Kralle ist stumpf und seine Augen sind schwach — da haben er und sie die Rollen vertauscht. Ihr liegt es also ob, alle Vorräte zu beschaffen!
Und sie ist zu allen Zeiten ein kühner Jäger gewesen. Gleich bei Tagesanbruch fliegt sie vom Nest auf. In dem blanken, sonnenfreien Licht, das der ganzen Umgebung und allen Gegenständen ihre richtige Größe verleiht, jagt sie am eifrigsten und fängt sie am besten. Da durchsucht sie den Wald, steigt über Mooren und kleinen Wiesen auf ... sie rüttelt wie ein Falke auf hastig klappenden Flügeln und späht hinab. Während die Holztauben gurren und die Drosseln singen, während die Hasen ganz davon in Anspruch genommen sind, auf Freiers Füßen zu gehen, während die Wasserhühner in den Moortümpeln sich um Männchen und Brutplätze balgen, kürt sie zwischen dem Überfluß und macht Beute.
Oder sie fliegt auf ein baumfreies Feld hinaus, hinaus auf Äcker und Heiden, und läßt, während das Tageslicht mehr und mehr Übermacht gewinnt, die Ferne unter sich aufsteigen: neue Wälder weit da draußen fangen an zu winken, Anger mit Lämmern und Zicklein kommen verlockend nahe, sie gewahrt ferne Feldraine und Menschennester, in deren Nähe es von Wieseln und Ratten wimmelt.
Rings umher unter ihr ertönt das Kullern des Birkhahns und das herausfordernde Zusammenrufen streitbarer Rebhähne ... abgezehrte und abgearbeitete Fehen sieht sie mit Stöcken von Schwänzen anstelle der früher so dicken, buschigen Lunten herumhuschen. Die Geburt der Jungen hat alle Haare mitgenommen.
Aber die Fangzeit ist kurz zu dieser Zeit des Jahres ... bald surrt glühende Luft vor ihrem Blick, scharfe, ätzende Strahlen beißen sie in die Augen — und auf einmal ist es, als werde die Erde unter ihr sonnenbestrichen, der letzte Rest von Klarheit verzieht sich — und nun blinkt und flimmert und glitzert das Gras.
Da nimmt sie mit dem fürlieb, was sie zwischen den Fängen hat, und fliegt schleunigst zurück nach ihrer Behausung, das rote Licht des Sonnenaufgangs über den Flügeln.
So holt sie Ratten aus den weitentlegenen Dörfern, Birkhühner aus der Heide, Hasen vom Felde, Krähen aus dem Walde — sie müht sich getreulich ab und nimmt, was sie kriegen kann. Mit einem triumphierenden Hu-u bringt sie ihrem Gatten den Fang, und wenn Uf sieht, was sie hat, sträubt er die Hörner und gibt einen zufriedenen, gurrenden Laut von sich —! Wieder ein Hase! sagt er überrascht in seiner Sprache! ja! sie strengt sich an!
Dann erhebt er sich von den beiden Jungen mit den scharfen Fängen; ihre unheimlichen, halbkahlen Köpfe gucken hervor und zeigen sich ihrem mütterlichen Ursprung. Sie will ihm bei der Beute behilflich sein, will ihm helfen, sie abzuziehen und zu zerlegen, aber er reißt sie ihr weg: sie soll nur fangen, nichts als fangen — — —!
Doch Strix läßt sich nicht kommandieren; sie kennt ihn und weiß, daß er gern für seinen eigenen Schnabel sorgt; so tranchiert sie denn das Wild nach bester Regel, zermalmt die Knochen und macht zähe Muskeln weich; sie kaut die Bissen durch und pfropft sie holterdiepolter ihren heißhungrigen Kleinen in die Schnäbel.
Uf sitzt da und schmollt — —: sie soll nur fangen, nichts als fangen — —
Es dämmert ... es ist ein früher Morgen im Mai! Die Fledermäuse heben sich noch wie Möwen vom Himmel ab. Die Drosseln schlagen ihre ersten, tastenden Schläge, nur ein ganz kurzes Flöten ohne Zusammenhang.
Dann fängt ein Birkhahn draußen am Waldrand an zu kullern und zu schleifen. Eine Amsel trillert, ein kleiner Zaunkönig piepst — der ganze Wald erwacht und begrüßt den dämmernden Tag mit Gesang. Der Kuckuck ruft in