Скачать книгу

und ihn unter sich kleiner und kleiner werden sehen. Auch das ist gleichsam eine Befreiung!

      Nein, was soll sie fürchten! Sie hat den Übermut und die Sicherheit aller großen Vögel, sie besitzt den Glauben an sich selbst und das Vertrauen zu den eigenen Fähigkeiten und Kräften.

       Da auf einmal fängt ihr Horstbaum an zu zittern und zu beben. Sie hört, wie sich große, gehörnte Krallen einen Weg am Stamm hinauf bahnen.

      Sie preßt sich fester auf ihre Eier, rollt mit den Augen und faucht wie eine Kröte.

      Die Krallen kommen näher und näher — und machen dann plötzlich unter ihr Halt. Da fängt sie an zu jammern und zu klagen wie eine Bruthenne und stößt eine Reihe tieftönender Aah — Aah aus ...

      Dem Leuchtturmwärter klingt es, als klage ein todkranker, leidender Mensch.

      Das Herz pocht in ihm! Wenn jetzt nur Eier und keine Jungen im Nest sind, ist er seines Fanges so gut wie sicher. Er zieht seine Strickleiter heraus und befestigt sie an einem Zweig.

      Da tönt es plötzlich wie ein Tju vor seinem Ohr. Die Mütze fällt ihm ab und drei lange tiefe Risse, aus denen Blut hervorquillt, zerfetzen ihm die Wange.

      Es ist Strix, die jetzt angreifend zu Werke geht; endlich ist ihre Geduld erschöpft.

      Aber da gibt’s kein Erbarmen! Auch auf diese Möglichkeit ist Vogelhansen vorbereitet; er wirft seinen Rock über den Kopf und zieht einen alten Fechthandschuh über die rechte Hand — dann betäubt ein halber Liter Ammoniak den Uhu, und es gelingt ihm, das Nest zu plündern.

      Strix fliegt in der Verwirrung eine Strecke über den Wald hin und fällt dann ohnmächtig zwischen den Bäumen nieder.

      Als sie aus der Betäubung erwacht und hustet und nach Atem ringt, steht das Hahnengesicht des Leuchtturmwärters mit den kleinen stechenden Augen noch immer vor ihrem inneren Blick. Die Augen starren sie gieriger an als die der Füchse, wenn sie, neidisch auf ihren Fang, geifernd um sie herum sitzen, und sie sind grausamer und berechnender kalt als der Blick, den ihr Taa an jenem Tage zuschleuderte, nachdem sie ihn unversehens aus den Klauen der Jungen errettet hatte. Und gegen ihr Trommelfell hämmert es: Kla-datsch, kla-datsch! ...

      Die Fußtritte kann sie nie wieder vergessen!

      Später legte sie noch einmal und lag getreulich wochenlang brütend auf einem einzigen, erbärmlichen, kleinen Ei.

      Aber, woran es liegen mochte — aus dem Ei wurde nie etwas anderes als die Schale.

      3. Der geflügelte Wolf

      Das Flammengelb des Sonnenuntergangs stand noch am Himmel! Es spannte seinen Brandgurt um die Erde und ließ ihre pechschwarzen Haarsträhnen sich sträuben. Es entschleierte am Horizont einen großen Wald, meißelte das Kuppelgewölbe der Buchen aus und schliff den Sägezahnrand der Tannen blank.

      Drinnen im Walde, tief unten zwischen dem welken Laub, sitzt Strix auf einem bemoosten, halbverfaulten Baumstumpf.

      Vor ihr, den Oberkörper halb auf den Baumstumpf hinauf, hält eine kleine, schreckgelähmte Maus sich in verzerrter Stellung, sie zittert und bebt am ganzen Leibe.

      In ihrem Kampf ums tägliche Brot ist die Maus in die Nähe des Baumstumpfes gekommen, und in der Hoffnung, in dem faulen Holz einen Käfer zu finden, ist sie, ohne Böses zu ahnen, hinaufgehuscht, als sie plötzlich, gerade glücklich über den Rand gelangt, einem Paar großer, rollender Lichter begegnete.

      Im selben Augenblick ist sie an den Fleck genagelt.

      Alle ihre Kräfte, all ihre Energie und ihr Wille haben sie verlassen; schreckgebannt und verloren sitzt sie da, zu regungslosem Verharren hypnotisiert.

      Der böse Zaubervogel sieht und sieht das erstaunte, kleine Wesen nur mit seinen glühenden Lichtern an, dann erhebt er ruhig seine Marterfänge und krallt sie um die Maus.

       Zappelndes Leben kommt in das dem Tode geweihte Tierchen, als die Fänge von allen Seiten ihre Hornmesser in seinen Leib hineintreiben.

      — — —

      Strix liebt Mäuse — und jetzt, wo sie für den Rest des Sommers nur Uf und sich selbst zu versorgen hat, gibt sie sich gern dem zeiterfordernden Mäusefang hin. Nur auf diese Weise ist es ihr nämlich möglich, die kleinen Kerle zu fangen: die Leckerbissen verschwinden wie Krumen zwischen ihren groben Fängen.

      Die Frösche sangen ihre bubbelnden, quakenden Gesänge ... sangen so innig und mit einer eigenen überzeugenden Kraft! Sie brachten in ihrer Sprache das Lob des Mitsommerabends zum Ausdruck und wetteiferten, wer das am betörendsten zu tun vermochte.

      Einige knarrten wie altes Holz im Sturm, andere krachten wie das dürre Reisig des Waldes, wieder andere glucksten, gurgelten und bubbelten die Töne heraus — es klang nach Eisschmelze und Platzregen, nach Rieseln in Entwässerungsröhren und Gräben.

      In den Pausen aber ließ die Rohrdommel sich hören! Eigentlich hatte sie die ganze Zeit gesungen, sie hatte sich nur kein Gehör verschaffen können — jetzt dröhnte die Luft von ihren spröden, dünnen Tönen, bis die lebendigen kleinen Nußknacker von neuem begannen.

      Still! Still! Alle Frösche im Walde wurden auf einmal stumm —: ein großer Vogel strich mit weichem Flügelschlag lautlos über das Wasser.

       Strix untersucht den Saum des Röhrichts ...

      Langsam läßt sie sich über Wasserlachen und Wasserrosen dahingleiten, über die Schilfpflanzen im Sumpf, wie über das Wollgras am Ufer entlang; tief, mit hängenden Fängen flattert sie dahin und guckt zwischen die Erderhöhungen hinab. Wildenten und Bläßhühner suchen schleunigst ihr Versteck auf ... es plätschert und spritzt um sie her.

      Der Waldsee hat ihr nichts geliefert!

      So muss sie denn eine ihrer andern Fangstellen aufsuchen.

      — — —

      Weit draußen am Waldessaum, am Rain, steht eine kleine, verkrüppelte Eiche; ein dürrer Zweig ragt aus der Mitte ihres Stammes auf: dicht über dem Zweig bildet der Stamm einen Knick, biegt sonderbar ungeschickt ein und wird hohl im Rücken wie eine Elfe.

      Ein stark begangener Wildwechsel läuft gerade unter der Eiche hin. Zu beiden Seiten des Waldrains und an seinen Abhängen hinauf wächst dichtes Schlehdorngestrüpp, oben dahingegen ist er nackt und kahl.

      Der Wechsel führt das Wild nach dem Felde und wieder zurück. Er läuft erst durch den einen Schlehentunnel, dann über den Wall hinauf und weiter durch den zweiten Tunnel. Wenn nun der Hase oder das Rehkitz, das Wiesel oder der Marder dem Wechsel folgen und in das schirmende Dornengeflecht hineinschlüpfen, machen sie gern einen Augenblick halt, um zu verschnaufen.

      Aber sie nehmen sich nicht in acht vor dem kleinen Stück offenen Walles; die müden Wanderer trippeln noch, wenn sie gemächlich und sorglos über den Rand des Knicks gleiten.

       Dieser Umstand ist gerade die Pointe des Fangplatzes, er verleiht ihm Ruf und Anziehungskraft!

      Kein Habicht oder Bussard kann sich im Walde niederlassen, der nicht früher oder später den Weg zu diesem Lauerplatz findet. In früheren Zeiten ist hier manch’ ein Kampf zwischen Strix’ verblichenen Vorfahren ausgefochten. Die streitbaren Uhumännchen haben um ihr Leben gekämpft und die Fänge oft derartig ineinander geschlagen, daß sie zu einem Klumpen verfilzt tot unter dem Baum gelegen haben.

      Es ist schon spät am Abend, als der dürre Eichenzweig kracht unter den Fängen der großen Horneule! Sie faltet die weichen Daunenflügel zusammen, und verkriecht sich in die Krümmung des Stammes, so daß ihr Kopf die Höhlung ausfüllt. Sie ist ganz unsichtbar ...

      Das Flammengelb des Sonnenuntergangs ist nicht mehr am Himmel sichtbar! Die Kuppelwölbung der Buchen, den Sägezahnrand der Tannen hat die Nacht verschlungen; es ist düster und unheimlich im Wald wie in einer Höhle.

      Aber für Strix ist es noch heller Tag.

      Jetzt

Скачать книгу