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Devolution. Ralph Denzel
Читать онлайн.Название Devolution
Год выпуска 0
isbn 9783941717190
Автор произведения Ralph Denzel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Fump, Pflatsch.
Fump, Pflatsch.
Fump, Pflatsch.
Die heutigen Wetteraussichten von Konstanz: Örtlich Niederschlag von verzweifelten Menschen. Nach dem 11. September war aus Respekt vor den Opfern der Song »It’s raining men« nicht mehr gespielt worden. Während Noah nun wie unzählige andere Menschen schockiert und unfähig etwas zu machen diesem Schauspiel zuschaute, dröhnte dieser Song in seinem Kopf. Jedoch war es nicht die beschwingte Partymusik, die man von jeder besseren Coverband an einem Abend mindestens einmal hörte: Für ihn klang es wie der Gesang der Hölle. Egal wie sehr er sich auch anstrengte, das Lied abzustellen, es gelang ihm einfach nicht – es schien sogar, dass die Menschen fast im Takt des Liedes auf dem Pflastersteinboden vor dem Münster aufklatschten. Einer, ein junger Mann, höchstens neunzehn, landete besonders nahe vor Noah.
Beim Aufprall platzte der Körper des Mannes auf wie eine Wassermelone. Das Blut spritzte hoch und Noah ins Gesicht. Er hatte wegrennen wollen, sich übergeben, aber er war nur verzweifelt und starr gewesen, während das Blut des jungen Mannes seine Wange hinuntergelaufen war und sein Gesicht mit lauter kleinen roten Punkten gesprenkelt hatte.
An diesem Tag hatte er das erste Mal Drogen genommen und der Münsterturm war zugemauert worden, um solche Zwischenfälle zu vermeiden. Deutsche Bürokratie: wenn schon sterben, dann wenigstens geordnet. Die Möglichkeiten wurden ja einige Zeit später gegeben.
Das Seestadion. Zuerst hatte man all die Selbstmörder auf dem Friedhof beigesetzt, solange, bis der Platz aufgebraucht war. Wohin nun mit den Menschen? Man hatte einen großen, abgelegenen Platz gebraucht, am besten mit Möglichkeit für Massengräber. So waren pfiffige Planer auf das Stadion gekommen.
Es kam der August und es war nur noch ein Jahr bis zum Einschlag. Normalerweise wäre das Stadion jetzt voller Musikfreunde gewesen, die zu Rock am See in die Stadt gepilgert waren. Jetzt waren es Menschenhaufen, die sich auf die unterschiedlichsten Arten das Leben genommen hatten.
Unzählige Menschen.
Im anliegenden Wald waren die Bäume gefällt worden, um dort Löcher auszuheben, die groß genug waren für die Toten, die jeden Tag in Müllwagen kamen, anders konnte man der Masse kaum Herr werden. Es erinnerte an die Zeit der Pest, als die Pestwägen durch die Straßen zogen und die neusten Opfer des schwarzen Todes aufluden und vor die Stadt karrten, um sie dort zu verscharren. Der Pestkarren gehörte nun zu den Stadtwerken Konstanz.
So ging es immer weiter.
Der Rettungsdienst und die Krankenhäuser arbeiteten kaum noch. Wofür sollte man auch einen Menschen am Leben erhalten, wenn er sowieso in einem Jahr sterben würde? Das einzige, was sie taten, war Überdosen auszugeben, soweit dies eben noch möglich war und man nicht Gefahr lief, eventuell am Ende selbst ohne dazustehen.
Es war ungefähr im Dezember, als die Bundesregierung eine Art Weihnachtsgeschenk an das Land verschickte – das letzte Weihnachten der Weltgeschichte. Es war ein Medikament, welches innerhalb von wenigen Minuten den Tod herbeiführen würde – ohne Nebenwirkungen. Ein Nachrichtenmagazin brachte als einen ihrer letzten Berichte die Meldung, dass dieses Medikament schon hergestellt worden war, als man noch die Hoffnung hatte, der Asteroid könne abgewehrt werden, was der Regierung ihren letzten Skandal einbrachte, der jedoch keinen wirklich interessierte.
Trotzdem setzte sich die deutsche Gründlichkeit fort. So wurden die Medikamente nicht an die Bürger verschickt, nein, vielmehr wurden sie nur an örtlichen Sammelstellen verabreicht – in Konstanz also das Bodenseestadion, um dort den Abtransportweg zu optimieren. Umfallen und direkt ins Stadion auf den Haufen zur Zwischenlagerung, so war der makabre Plan gewesen.
Es war auch Dezember, als man genau sagen konnte, wo der Asteroid einschlagen würde. Davor waren es nur vage Vorhersagen gewesen, die alles, aber nicht zuverlässig gewesen waren, aber sie hatten gereicht. Es war Dr. Richard Henrys, ein pickeliges Computergenie, landläufig auch der intelligenteste Mensch der Welt genannt, der mit seinem Modell den genauen Einschlagsort errechnete. Fehlerchance: 1 : 1 503 000 303. Noah hätte den kleinen Scheißkerl umbringen können, als er damals diese Nachricht in die Welt hinausposaunte, mit einen Grinsen auf seinem Gesicht, als hätte er gerade den Wissenschaftspreis seiner Schule gewonnen und nicht unzählige Menschen zum Tode verurteilt.
Dann hörten die Selbstmorde in Konstanz auf. Die Menschen flüchteten so weit wie sie konnten und die, die da blieben – joggten, vögelten, fixten, erlösten ihre Kinder – das Übliche in einer Welt, in der nichts mehr von Wert war.
Devolution.
Noah mühte sich auf. Der Boden fühlte sich angenehm warm an, aufgeheizt von einem weiteren schönen Sommertag, aber er fühlte nur eine eisige Kälte in sich, die ihn erzittern ließ.
Seine Beine waren noch schlapp und wackelig, trugen ihn jedoch so gut es ging. Seine Zigarette, die er immer noch in den Fingern hielt, war fast komplett abgebrannt und stank nach verbranntem Plastik, während der Filter langsam kokelte. Er warf sie weg und zündete sich eine neue an, in der Hoffnung, das Nikotin würde seine Nerven beruhigen.
Er wusste in diesem Moment nicht, was er tun sollte.
Vielleicht war ihm klar geworden, dass das, was er vorhatte nicht so einfach werden würde, wie er es sich am Anfang vorgestellt hatte, als die Idee, mit seinen Freunden den Weltuntergang zu begehen, romantisch verklärt angemutet hatte. Er hatte Monate in einem von Drogen umnebeltem Zustand verbracht, was ihn daran gehindert hatte, sich bewusst zu werden, was ihn eigentlich erwarten würde.
Es war nicht so einfach wie in einer Facebook-Gruppe – »Wahre Freunde sitzen am Weltuntergang zusammen und schließen Wetten darauf ab, wer zuerst abkratzt.« Wenn Noah jetzt wetten müsste, würde er sagen, er würde zuerst sterben. Unmöglich, dass er diesen Druck noch länger aushalten würde.
In diesem Augenblick konnte er sich nämlich nicht vorstellen, dass er dieses Grauen überleben würde. Mit jeder Minute, in der die Drogen ihre Wirkung verloren, fühlte er die Angst in sich wachsen. Wie ein Krebsgeschwür fraß sie sich durch seinen Geist und wurde befeuert von den grauenhaften, grotesken Eindrücken, die sich ihm boten.
Vor gut einer Stunde hatte er noch zwischen den Beinen einer Frau gelegen und war gerade aufschreiend gekommen. Jetzt saß er hier und wünschte sich den Tod – nein, nicht den Tod. Er wünschte sich das Leben.
Er wünschte sich, dass dieser verdammte Asteroid verschwinden würde und die Welt nicht untergehen müsste. Warum konnte er nicht einfach sein altes Leben wieder aufnehmen? Er hatte immer versucht ein guter Mensch zu sein, hatte seiner Nachbarin geholfen, hatte alten Damen immer die Tür aufgehalten, wenn es sich ergeben hatte – er war ein guter Mensch gewesen und nun würde er sterben – verängstigt und vielleicht unsagbar qualvoll, wer wusste das schon.
Warum? Es war nicht fair.
Er schloss die Augen und spannte seine Muskeln an, versuchte, die Angst aus sich herauszupressen.
Nein, er musste gehen. Es war ein Pakt zwischen ihm und seinen Freunden gewesen. Am 16. Juli 2013 sitzen wir zusammen auf einer Bank in Konstanz am Bodensee. Wir trinken Bier und sind zusammen.
Dort haben wir Logenplätze für den Weltuntergang.
Er hatte es geschworen, genauso wie die anderen. Keiner hatte gezögert. Sie hatten sich die Hand darauf gegeben und Mick hatte sogar explizit gesagt: Ich schwöre es euch.
Genauso wie es Tom getan hatte, der gerade aus der Kirche kommen würde. Wahrscheinlich würde er wieder nach Weihrauch duften, der sich in seiner Kleidung wie ein starkes Parfüm festgesetzt hatte.
Chris, der bei den Sammelstellen arbeitete und dort Menschen eingeschläfert hatte, als wäre es das Natürlichste der Welt gewesen. Davor war er Rettungsassistent gewesen. Als die Medikamente verbraucht waren, hatte er sich