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      Diese Heilsbotschaft gilt allen, weil Gott will, dass alle „zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1Tim 3,16) und Versöhnung erfahren (2Kor 5,18–20). Wo immer das Evangelium gelebt und gepredigt wird, da wird die Versöhnung zwischen Gott und Mensch und zwischen Mensch und Mensch sichtbar und hörbar. Und damit die Botschaft vom Kreuz, dem Leidenstod Christi, der den Weg zur Versöhnung weit aufgemacht hat. Kein anderes Symbol beschreibt das Evangelium so treffend wie das des Kreuzes. Dem Kreuz gebührt die zentrale Stellung in unserer Theologie der Evangelisation.31 Die Evangelisation der Gemeinde kommt vom Kreuz und führt zum Kreuz. Hier macht sie den Ort fest, an dem Lebensveränderung möglich wird. Und es ist ein Ort, an dem der Mensch seine absolute Ohnmacht zur Versöhnung mit Gott und der Selbstbefreiung aus dem Netz der Sünde zugibt, zugleich aber sich vor Gott beugt, der ihm in Christus die Gnade erweist und Beistand leistet. Wo immer das Evangelium nun gelebt und gepredigt wird, wird es auch um Versöhnung zwischen Mensch und Gott und Mensch und Mensch gehen.

      Damit erweist sich die evangelistische Botschaft als Rede von Gott, seinem Willen und Liebe, seinem Gericht und Gnade und seinem exklusiven und die ganze Existenz des Menschen umfassenden Heilsangebot in Jesus Christus.

      Menschen, die dieses Angebot verstanden und angenommen haben, werden sich an Gottes Werten orientieren. Der Apostel Johannes schreibt: „Daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind“ (1Joh 2,3–5). Evangelisation schließt die Nachfolge Jesu mit ein und die Nachfolge Jesu stellt einen Prozess der Transformation des Menschen in das von Gott gewollte und gedachte Ideal dar (Eph 4,12ff).

      2.3Gemeinde Jesu – Gottes erwählter Evangelist

      Das Evangelium kommt zu den Menschen durch Botschafter des Evangeliums. Es bedarf eines Evangelisten. Die „Präsenz“ des Evangeliums setzt die „Präsenz“ eines Evangelisten voraus.32 Nur wo ein solcher Botschafter ist, findet die Botschaft ihren Adressaten. Doch wer ist dieser Botschafter? Traditionell sah man besonders begabte Verkündiger als Träger der Evangelisation. Und sicher ist das nicht falsch.

      Aber auf den begabten Prediger allein kommt es nicht an. Philip W. Keevil schreibt in seiner Untersuchung der Predigt in Zeiten amerikanischer Erweckungen: „Wenn die Predigt ein Teil der Bewegung des Geistes in den Gemeinden ist, die geistliche Vitalität verursacht und in supranaturalen Effekten resultiert, dann kann man Erweckung beobachten.“33 Der Geist Gottes wirkt also in der Gemeinde und er wirkt auch durch die Predigt, aber nicht nur. Das ganze Gemeindeleben ist hier gefragt. Leben und Wort gehören zusammen.

      Gott ist der eigentliche Agent der Evangelisation in der Welt. Und die Gemeinde ist sein wichtigster Botschafter. Sie ist „die Übersetzerin und Verständlich-Macherin des Evangeliums.“34 Die Gemeinde ist der wichtigste Agent, durch den Gott in der Welt evangelisiert.35 Und Evangelisation ist „Herz und Leben der Gemeinde“, wie Hans Kasdorf es so treffend ausdrückte.36 Ihr Arbeitsplatz ist Evangelisation.37 Sie sollte deshalb immer von ihrem missionarischen Auftrag her gedacht und gebaut werden.38 So gesehen kann sie nur als missionale Gemeinde, eine Gemeinde, die von ihrem Wesen her missionarisch ist, geglaubt und gelebt werden. Als solche wird sie nicht einfach zu sich rufen, sondern zu den Menschen gehen, die Gott noch nicht kennen. Sie existiert in der „Geh- und nicht in der Komm-Struktur“39 Damit ist alles, was sie ausmacht, evangelistisch bestimmt. Wenn man will, hat das Evangelium in der Gemeinde seine Gestalt gefunden. Und zwar immer jene lokale Gestalt, die Gottes Wort Fleisch werden lässt und so den Menschen verständlich wird. Eine solche Gemeinde wird immer als gesellschaftliche Alternative, aber nie als Fremdelement40 wahrgenommen werden.

      In dieser evangelistischen Gemeinschaft haben Menschen von Gott die besondere Begabung eines Evangelisten erhalten (Eph 4,11). Diese sollen „die Heiligen zurüsten zum Werk ihres Dienstes“ (Eph 4,12). Damit leiten sie die Evangelisation der Gemeinde im jeweiligen Kontext. Wichtig ist, dass es nicht um die Evangelisation einzelner Evangelisten in der Welt geht. Die Evangelisten sind eingebunden in das evangelistische Gesamtwerk der Gemeinde. Und jede selbstständige Gemeinde ist laut Henry Venn und Rufus Anderson eine selbst-proklamierende41 und damit selbst-evangelisierende Gemeinde. Sie wird sich zwar auch der Hilfe von außen erfreuen, bedarf dieser jedoch nicht direkt. Ein Gastevangelist oder auch Evangelisationswerk sind Hilfsinstrumente der Evangelisation – der Hauptakteur in der Evangelisation ist jedoch die Gemeinde. Hilfsinstrumente können nur in einzelnen evangelistischen Veranstaltungen, nicht aber in der Evangelisation der Gemeinde an sich eingesetzt werden. Und da Evangelisation weit mehr ist als Veranstaltung,42 ist auch der Einsatz solcher Hilfsinstrumente begrenzt.

      Dabei ist es wesentlich, dass alle Glieder der Gemeinde mit allen ihnen gegebenen Gaben des Heiligen Geistes in den Prozess der Evangelisation hineingenommen sind. Wie der Körper des Menschen sich nur dann unbeschwert voranbewegen kann, wenn alle seine Glieder intakt und gesund sind und „mitgehen“, so auch der Leib Christi, die Gemeinde. Sie wird evangelistisch erfolgreich, wenn sich alle ihre Glieder für Evangelisation einsetzen. Die Koordination aller Gaben auf das eine missionarisch-evangelistische Ziel bewirkt Multiplikation.43 Evangelisation wird somit zu einem „Wagnis für alle“.44 Man kann diesen Team-Einsatz in der missionarischen Arbeit der Urkirche deutlich beobachten, wie Gottfried Schille in seiner Darstellung der Mission der apostolischen Gemeinden plausibel macht. Er spricht sogar von der „urchristlichen Kollegialmission“.45

      Die evangelistische Gemeinde steht im Auftrag Gottes, folgt der Methode Christi und wird vom Heiligen Geist geleitet. Aus der trinitarischen Theologie der Evangelisation ergeben sich die wichtigsten Setzungen für den evangelistischen Alltag der Gemeinde.46

      2.4Kultur der Hingabe

      Gemeinde-Evangelisation folgt dem Beispiel Jesu. Sie, die Gemeinde, ist gesandt, wie er gesandt wurde (Joh 20,21). In seiner Evangelisation findet sie ihren Meister und das Vorbild. Jesus beginnt seinen evangelistischen Einsatz auf der Erde, indem er den Menschen, die er zum Leben führen will, gleich wird. Er, das ewige Wort Gottes, Gott in Person, wurde Mensch, lebte unter den Menschen – und dann haben Menschen in ihm die Herrlichkeit Gottes erkannt (Joh 1,1–12). Freilich kostete das unseren Herrn alles, sogar sein Leben (Phil 2,6ff). Doch ermöglichte seine Hingabe erst Evangelisation.

      So wie der Meister taten es auch seine Jünger. Paulus, der große Missionar und Evangelist der Urkirche, war bereit, den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche zu werden, damit er diese für den Glauben an Jesus gewinne (1Kor 9,19ff). Seine Identifikation mit den Heiden handelte ihm großen Ärger bei den Juden ein und schließlich lieferten diese ihn den römischen Behörden als Aufrührer aus. Gefängnis und schließlich Tod waren die Folgen. Identifikation mit den Menschen, die man für Jesus gewinnen möchte, ist nicht ohne Opfer zu haben. Jesus benutzt daher auch für seine Nachfolger die Bezeichnung Zeuge, griechisch martys (Apg 1,8), ein Begriff, dem wir das deutsche Wort Martyrium entlehnt haben.

      Eine evangelisierende Gemeinde, wollte sie dem Vorbild Jesu treu bleiben, begibt sich in die Lebenswelt der Menschen, die sie für Gott gewinnen will. Sie wird sich in ihre Kultur hineindenken und sich dieser bewusst anpassen. Sie wird den „Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche“, den Deutschen ein Deutscher und den Russen ein Russe werden. Evangelisation setzt grundsätzlich ein solches bewusstes Hingehen voraus. Theologisch gesprochen, reden wir an dieser Stelle von der Inkarnation und Inkulturation des Evangelisten in die Lebenswelt der Menschen.47 Wo die stattfindet, da wird der Evangelist sprachfähig und das Evangelium verständlich.

      Eine solche Hingabe an die Menschen und ihre Kultur ist freilich nicht einfach. Sie erfordert die Bereitschaft, sich sowohl dem Fremden zu nähern als auch die liebgewonnene eigen Kultur aufzugeben. Ohne der „Hilfe von oben“ scheint der Prozess nicht zu gelingen. Jesus traute es seinen Jüngern nur zu, wenn diese den Heiligen Geist empfingen. „Ihr werden

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