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Kaffeetisch in der Laube. Mützchen goß ein.

      Regine war dicht am Platzen, man sah es ihr an. Sie mußte heraus damit.

      „Nun sag’s schon“, lächelte Onkel Henry, als die Tassen gefüllt waren, „du kannst es ja doch nicht abwarten.“

      „Mützchen, wir haben uns was Herrliches ausgedacht! Was Herrliches, Mützchen!“ sprudelte Regine. Mützchen versuchte, ihr zuzulächeln.

      „Was denn? Nun erzähle doch!“

      „Also, weil Onkel Henry doch immer so allein ist und gar keine Kinder hat und weil – ja, und die Jungen haben es so weit, und Klavierstunde könnten sie dort auch haben, Onkel hat einen Flügel und kennt auch einen feinen Klavierlehrer. Und sie wären auch zu zweit, da kriegt man nicht so leicht Heimweh. Und alle Ferien wären sie natürlich hier und manchmal auch sonntags, weil der Onkel doch einen Wagen hat. Und die Jungensschulen sind dort gut, sagt Onkel Henry...“

      „Die Jungen? Was haben denn die Jungen damit zu tun?“ fragte Mützchen. Sie hielt das Milchkännchen noch in der Hand über ihrer Tasse.

      „Ja, natürlich die Jungen! Weil ich doch nicht weg will von hier! Von Hannesle und von euch! Und ich brauche doch auch keine höhere Schule. Aber die Jungen sind doch auch schon größer, und einmal gehen sie sowieso fort von zu Hause. Und es wäre doch herrlich für sie.“

      „So. Darf ich einmal...“ Onkel Henry nahm Mützchen behutsam die Milchkanne aus der Hand. Die Tasse lief schon ein ganzes Weilchen über, er hatte es aber auch eben erst gesehen.

      Mützchen guckte darauf und mußte lachen, und dann lachten sie alle drei. Lachten und schütteten das Übergelaufene in den Kies des Gartenweges und tranken erst allesamt einmal einen Schluck Kaffee. Und dann wurde richtig erzählt, der Reihe nach.

      Onkel Henry nahm die Sache in die Hand und fädelte sie richtig ein, von der kaputten Scheibe angefangen bis zu dem Augenblick, in dem Regine den guten Gedanken fand.

      „Nein, du fandest ihn!“ verwahrte sich Regine heftig und eifrig. „Du bist auf die Jungen gekommen!“

      „Aber du hast mir von ihnen erzählt!“

      „Ja, das von der Fahrerei, das alles. Daß sie im Winter manchmal ganz erfroren sind, wenn sie ankommen, und Jürgen hat einmal die ganze Strecke schieben müssen, in Regen und Sturm. Und naß sind sie oft bis auf die Haut. Nein, gut haben sie es nicht! Im Sommer schon, aber auch da sind sie manchmal schrecklich müde, und zum Schwimmen gehen und so etwas, dazu reicht die Zeit nie so richtig. Und mit den Klavierstunden hat Onkel Hannes auch aufhören müssen, weil die Jungen einfach keine Zeit zum Üben haben. Das wäre alles bei Onkel Henry viel besser!“

      „Ob es nicht wirklich ein wenig besser wäre?“ fragte Onkel Henry jetzt vorsichtig. „Ich hätte sie so gern bei mir. Ich habe mir immer von Herzen Kinder gewünscht. Für wen arbeitet man schließlich, wenn nicht für die, die nach einem kommen? Und da ich keine habe und nun auch keine Frau mehr, so würden Sie mir damit eine große Freude machen. Wir müssen das alles einmal in Ruhe mit Ihrem Mann besprechen. Eins aber möchte ich gleich vorwegnehmen: Ich wäre oft mit den Jungen hier, sooft es geht. Mit dem Wagen ist man ja rasch über Land, und ich muß sagen, Sie haben sich hier ein bezauberndes Stückchen Erde ausgesucht. Ich glaube, Grüningen hat sich der liebe Gott in seiner besten Laune ausgedacht, das Schulhaus aber in erster Linie.“

      Er lächelte Mützchen zu, und Mützchen strahlte zurück. Immer sagte sie ja: „Grüningen ist der schönste Platz in Nordrhein-Westfalen.“

      Etwas später hörte man, wie die Schulkinder mit lautem Hallo aus dem Hause stürzten, die Schule war aus für heute. Nun würde Onkel Hannes gleich kommen. Richtig, da bog er um die Ecke.

      Regine hatte ihn sehnsüchtig und gleichzeitig mit angstvollem Herzklopfen erwartet. Jetzt mußte es also heraus.

      Es fiel ihr sehr schwer. Und sie sah deutlich, daß Onkel Hannes traurig war, als er alles angehört hatte. Seine Augen wurden ganz dunkel. Ach, alles konnte er leiden, nur nicht ein Vertuschen und Verschweigen.

      „Sei nicht böse“, flüsterte sie erstickt, „Onkel Henry will mir helfen, hat er gesagt.“

      „Natürlich ersetze ich die Scheibe“, tröstete der Onkel, „aber du mußt dir vornehmen, daß du es das nächste Mal wirklich gleich sagst, wenn dir so etwas passiert.“

      „Nein, das nächste Mal tu ich es nicht wieder“, schluckte Regine, „das nächste Mal sage ich es gleich, wirklich!“

      „Gut, Regele“, sagte Onkel Hannes sanft, „es hat dir wohl viel Kummer gemacht?“

      „Ja, Onkel Hannes, danke! Und jetzt darf ich bei euch bleiben?“

      In diesem Augenblick erschien Hannesle, noch im Schlafanzug vom Mittagsschlaf her, der heute ein bißchen länger gedauert hatte, in der hinteren Haustür. Es sah ärgerlich und vorwurfsvoll drein.

      „Hannesle!“ rief Regine, sprang auf und lief zu ihm hinüber. „Komm, Onkel Henry ist da. Wart, du sagst ihm gleich so guten Tag!“

      Sie hob ihn auf den Arm und schleppte ihn heran.

      „Guten Tag, kleiner Mann“, sagte Onkel Henry und sah lächelnd in das runde, rotgeschlafene Kindergesicht. „Sehen Sie, da haben Sie doch noch Nachwuchs. Bis der in die Stadt muß, um zu lernen, vergehen noch ein paar Jahre.“

      Regine hatte den Kleinen kurzerhand auf Onkel Henrys Schoß gesetzt, obwohl er ja eigentlich kein Schoßkind mehr war.

      Mützchen lächelte Onkel Henry zu. Aber es war ein ernstes und ein wenig wehmütiges Lächeln.

      „Es geht schnell, glauben Sie mir. Es geht viel zu schnell“, sagte sie leise.

      Der Onkel erwiderte ihren Blick, sagte aber nichts. Aber er guckte so lieb, so lieb, wie man es ihm eigentlich nie zugetraut hätte.

      „Nun lauf und zieh ihn erst einmal an“, sagte Mützchen zu Regine, „zieh ihm das Sonntagshöschen an und das helle Hemd. Du möchtest ihn doch immer fein haben. Und heute ist ja auch ein Feiertag, finde ich.“

      Die großen Jungen kamen an diesem Tag erst gegen Abend nach Hause. Das war ganz gut so, da konnte man vorher alles in Ruhe besprechen. Es war ja noch nichts Endgültiges, aber doch ein Plan, eine Aussicht. Onkel Henry begrüßte sie und sah sie prüfend an. Man konnte nicht recht beurteilen, wer ihm zunächst mehr gefiel. Jürgen mit seinem roten Schopf und den unternehmend blitzenden Augen – er hatte Mützchens Temperament, da war kein Zweifel. Man konnte sich gut vorstellen, daß er einmal Sportlehrer werden würde, verwegen und mitreißend, ein Kerl, der seinen Weg im Leben schon finden würde.

      Dieter war anders. Bei ihm war es schwerer, zu beurteilen, wohin es ihn führen würde. Er hatte ein klares Profil, und er konnte verträumt gucken, besonders wenn er am Klavier saß oder über irgend etwas nachgrübelte. Regine hatte sich immer mehr zu Jürgen hingezogen gefühlt und zu Gottfried, außer zu ihrem Hannesle natürlich, den sie von Anfang an als ihr Kind angesehen hatte. Aber Dieter war auch nett, fand sie. Jetzt stand sie mit klopfendem Herzen dabei, als der Onkel die Jungen musterte. Ihre Brüder, waren sie nicht prächtige Kerls? Obwohl, natürlich, so wie Axel war keiner!

      „Und wie geht es deinem richtigen Bruder? Axel heißt er ja wohl. Du mußt mir viel von ihm erzählen, Regele“, sagte Onkel Henry im selben Augenblick, als sie dies dachte. „Ja, alles muß ich wissen. Ihr werdet mich ja jetzt öfters hier haben, wenn es euch recht ist. Übrigens, wenn die Jungen heute mitfahren – es ist ja Samstag, und ich könnte euch morgen abend wieder rechtzeitig abliefern –, da könntest du eigentlich auch mitfahren, Regele, finde ich. Oder hast du noch immer ein bißchen Angst? Dann ist doch keine Gefahr, daß ich dich gegen deinen Willen entführe!“

      Onkel Henry lachte, und dann lachten sie alle, auch die Jungen, als sie hörten, daß sie mitfahren sollten. Im Mercedes 220!

      „Lieber Axel,

      bei

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