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war gerade krank, und da muß ich immer bei ihm sein, weil ich ihm da erzähle oder was ausschneide, und dann ist er ganz zufrieden. Aber es waren bloß die Windpocken, also nicht schlimm. Und jetzt ist er wieder gesund und alles gut. Vor allem aber: Ich brauche nicht weg. Ich möchte doch gar nicht, denn hier ist es so schön. Mützchen hatte das nur gedacht, und Onkel Henry wollte es auch gern. Jetzt nimmt er aber die großen Jungen, alle beide, weil er selbst keine Kinder hat und sich immer welche wünschte. Und ich glaube, vielleicht kann der eine von ihnen mal wie sein Sohn in die Fabrik kommen, denn Onkel Henry hat gesagt, man muß doch wissen, für wen man arbeitet. Erst aber sollen sie dort weiter in die Schule gehen, und das ist bestimmt besser für sie, weil sie hier so einen weiten Schulweg haben, und Klavierstunden bekommen sie dort auch. Onkel Henry ist furchtbar lieb, und daß er unsere Mutter nicht gemocht hat, das stimmt gar nicht. Ich habe ihn danach gefragt, man kann sich wunderbar mit ihm unterhalten. Er hat sie sogar sehr gern gehabt, aber sie wollte eben lieber unsern Vater haben als ihn. Und da hat irgend jemand aus der lieben Verwandtschaft behauptet, es wäre umgekehrt gewesen, und er habe sie nicht leiden können. Von mir sagte er, ich sähe ihr ähnlich, und daran hätte er mich gleich erkannt, als wir uns in dem Rasthaus an der Autobahn trafen und ich ihm Kaffee brachte. Das glaube ich aber wieder nicht so recht, denn zuallererst hat er mich beim Überholen gesehen, und da war er wirklich wütend, aber das geht vielleicht jedem so, wenn er vorbei will und nicht kann.

      Auf jeden Fall ist er jetzt furchtbar lieb, und ich darf in Grüningen bleiben bei Hannesle, bei Mützchen und Onkel Hannes und Gottfried. Und Onkel Henry hat gesagt – er hat doch eine Papierfabrik und kennt viele Zeitungsleute –, wenn Du Dich erst genug herumgetrieben hast in der Welt, wird er dafür sorgen, daß...

      Aber das soll ich ja noch nicht verraten. Ich habe auch noch nichts verraten, nicht wahr, nein? Axel, bitte, Du darfst gar nichts merken, sonst müßte ich den Brief noch mal abschreiben ohne die letzte Zeile, denn wenn ich sie durchstreiche, liest Du sie ja doch erst recht. Und Hannesle zerrt schon so sehr an mir und will durchaus mit mir panschen gehen. Wir haben nämlich, weil es so heiß ist, eine Wanne voll Wasser auf den Rasen gestellt, aber Hannesle braucht immer jemanden, den er vollspritzen kann. Allein macht es ihm kein Vergnügen.

      Nicht wahr, Du verrätst nichts! Das kann man ja auch nicht. Tausend Grüße von uns allen, auch von Onkel Henry und natürlich vom gesamten Grüninger Schulhaus. Den schönsten Gruß aber von

      Deinem glücklichen Regele.“

      Januar

      Ein neues Jahr entsteigt der Nacht,

      der Schnee hüllt Weg und Stege ein,

      der König Eismann hält die Wacht.

      Gedenkt der armen Vögelein.

      Prinz Karneval beginnt sein Spiel,

      da tanzen alle Leute,

      sogar der Schneemann bleibt nicht kühl,

      Schneeflöckchen hüpft vor Freude.

      Mit Winnetou zum Bodensee

      Unsere Kinder machten keine teuren Sommerreisen, wir hatten kein Auto, keine Zeit und kein Geld dazu. Dafür dachten sie sich andere schöne Dinge aus. Der Jüngste, Ben, und seine etwas ältere Schwester Steffi planten eines Sommers eine Reise an den Bodensee. Als das übliche Aufsatzthema in der Schule kam – Mein schönstes Ferienerlebnis –, schrieb Ben, damals zwölf Jahre alt, folgendes, und mancher wird ihn um sein Ferienerlebnis beneiden:

      Ich gehöre in eine ponynärrische Familie und bin der Jüngste von achten. Seit ich denken kann, leben wir mit Ponys zusammen, erst in Westfalen auf einem Gutshof, jetzt in einem eigenen Holzhaus in Württemberg. Das kaufte meine Mutter, damit wir mit unsern Pferden Zusammenleben können. Es hieß vom ersten Tag an „Der Ponyhof“. Dort wohnen wir in einem Wiesental, und um unser Häuschen herum grasen unsere liebsten Spielgefährten: die kleinen Rappen, Füchse und Braunen, der stolze Hengst Winnetou und die winzigen Fohlen.

      Erst hatten wir nur Shettys, das sind die allerkleinsten Ponys; als aber unsere größeren Geschwister auch reiten wollten, kauften wir Isländer dazu. Auf denen reitet auch Mutter.

      Daß es mit diesen Pferdchen viel Spaß gibt, kann man sich denken. Ponys werden sehr zahm. Und so ist es keine Seltenheit, daß Winnetou, unser kleiner Hengst, uns mitunter in der Wohnküche besucht oder daß Appelschnut, seine kleine kohlschwarze Frau, auf der Gartenterrasse erscheint, wo wir mit Besuch Kaffee trinken. Und erst die Fohlen! Anfangs sind sie so winzig wie Stadtköfferchen, und wir können sie auf den Armen herumtragen. Man bedenke, Pferde! Die Mutterstuten haben nichts dagegen, sie wissen, daß wir ihren Kindern nicht weh tun.

      Wir reiten natürlich alle. Seit kurzem besitzen wir aber auch zwei kleine Ponywagen, mit denen wir ausfahren können. Mit dem Zweispänner geht es jeden Tag in die Stadt zum Einkaufen, und eine meiner Schwestern ist damit zur Hochzeit gefahren, sogar vierspännig. Das war wunderbar und aufregend. Der Einspänner ist richtig geländegängig, mit dem kann man jeden Waldweg fahren. Wir haben ihn sogar schon über Baumstämme gehoben und durch Bäche geschleust. Wenn es steil bergauf geht, steigen wir natürlich aus, und wir achten auch darauf, daß unsern Ponys nichts passiert, wenn es bergab geht. In der Ebene aber saust der Wagen, daß die Haare fliegen. Unsere Ponys laufen gern schnell und haben den größten Spaß daran, das federleichte, gummibereifte Wägelchen zu ziehen.

      Am liebsten fahre ich mit Winnetou, den ich auch allein reite. Meine Geschwister sind schon über ihn hinausgewachsen. Ich habe ihn selbst zugeritten, als er zu uns kam. Das war ein Theater! Mutter und eins meiner Geschwister hielten ihn rechts und links, bis ich mich auf seinen Rücken hinaufgemogelt hatte. Aber sobald sie ihn losließen, drehte er sich wie ein Kreisel, dreimal, fünfmal, zehnmal, und ging dabei vorn und hinten hoch, bis er mich los war und ich in weitem Bogen in die Wiese sauste. Was haben wir da gelacht!

      Jetzt aber geht er wie ein Dressurpferd unter mir, auch ohne Zügel, wenn ich gerade mal keinen bei der Hand habe. Er springt über Bäche und Hindernisse und tritt in fast jedem Turnier der Umgebung auf, lachend begrüßt vom Publikum, das ihn schon kennt. Beim Jagdgalopp überholt er sogar die Isländer, obwohl sie längere Beine haben.

      Die Fohlen, die Appelschnut von ihm bekommt, sind alle erst schwarz, wenn sie geboren werden, und es ist jedes Jahr spannend, ob es ein Rappe bleibt oder ein Schimmel wird. Einmal haben wir erlebt, daß ein Fohlen ganz bunt wurde: braun die Kruppe, weiß die Beine, schwarz die Mähne und der Schweif aus den drei Farben gemischt. Dieses Pony heißt Aki und ist so komisch, daß wir es nicht verkauft haben, obwohl wir schon genügend Pferde besitzen. Wir haben es heute noch, und es erheitert alle Besucher, wenn es „Bittebitte“ macht oder uns die Brotrinden aus der Tasche stiehlt.

      In dem Sommer nun, von dem ich erzählen will, war bei uns der Teufel los. Die Ponys spielten uns einen Streich nach dem anderen. Immer erfanden sie neue Möglichkeiten, auszureißen. Dauernd waren wir auf Ponyjagd. „Aki ist weg“, hieß es, „lauft und sucht sie, ehe sie Unheil anrichtet. Der häufigste Alarmschrei war: „Eben hab’ ich gesehen, wie der Winnetou wieder...“, und die ganze Familie rannte.

      Winnetou, mein kleiner Schimmel, ist sehr unternehmend und unbeschreiblich frech. Und immer heißt es dann: „Natürlich, dein Pony!“

      Darum und auch, weil meine Schwester Steffi und ich gern eine Reise machen wollten, entstand der Plan: „Dürfen wir mit Winnetou an den Bodensee fahren?“ Mutter, die gerade andere Dinge im Kopf hatte, sagte leichtsinnigerweise: „Ja, nur los. Dann hört wenigstens die ewige Ponysucherei auf. Es darf aber nichts kosten.“

      Na, da haben wir nicht lange gewartet, sondern gleich alles, was wir unterwegs brauchten, auf den Einspänner gepackt. Die Strecke hatten wir uns auf einer Wanderkarte herausgesucht; wir wollten natürlich keine Autostraßen fahren, und zur Übernachtung hofften wir auf die Reitvereine am Wege. Etwas Geld hatten wir, und Mutter, die nun sah, daß es uns ernst war, stiftete auch noch einen Schein. Hafer für Winnetou nahmen wir aus der gemeinsamen Futterkiste.

      „Hier hätte er ja auch welchen bekommen“, sagte Steffi

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