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großer Sohn Otto, der von An­fang an mehr Kö­nigs­be­wusst­sein und hö­he­re Zie­le hat­te. Hein­rich blieb im­mer in ers­ter Li­nie Her­zog der Sach­sen, wenn er auch als ein pflicht­treu­er Mann die Auf­ga­ben, die das Schick­sal ihm zu­wies, er­füll­te; Otto fühl­te sich als Nach­fol­ger Karls des Gro­ßen. Wo sein Va­ter als Ers­ter un­ter Glei­chen auf­trat, war er Herr­scher, ohne dass ihm doch das schö­ne Gleich­ge­wicht der See­le, das je­nen aus­zeich­ne­te, ge­fehlt hät­te. Von al­len Sei­ten be­feh­det, von Ver­rat um­ge­ben, konn­te er wohl hef­tig zür­nen und stra­fen; aber er blieb im Her­zen ge­las­sen und frei. Wenn er auf ein­sa­men We­gen un­ter den Ei­chen sei­ner Wäl­der sich mit der Vo­gel­jagd be­lus­tig­te, sang er selbst­ver­ges­sen lieb­li­che Lie­der vor sich hin. Groß­mü­tig, gar nicht miss­trau­isch konn­te er den­sel­ben Fein­den, die ihn im­mer wie­der ver­rie­ten, im­mer wie­der ver­zei­hen.

      Ob­gleich zur­zeit Ot­tos die Zahl der frei­en Leu­te noch be­trächt­lich war, so hat­ten sich in­fol­ge der Le­hens­ver­fas­sung doch die Va­sal­len schon zu sehr zwi­schen Kö­nig und Volk ge­scho­ben, als dass er sich dar­auf hät­te stüt­zen kön­nen. Um ein Ge­gen­ge­wicht ge­gen das Un­ab­hän­gig­keitss­tre­ben der Stäm­me zu schaf­fen, be­dien­te er sich sei­ner Ver­wand­ten und der Bi­schö­fe. Da er in der Ver­wandt­schaft sei­ne ärgs­ten Fein­de hat­te, er­wies sich die erst­ge­nann­te Waf­fe als zwei­schnei­dig. Sehr wert­voll war ihm sein jüngs­ter Bru­der Brun, ein aus­ge­zeich­ne­ter Cha­rak­ter, sich selbst streng be­herr­schend und ge­recht ge­gen an­de­re, den er zum Erz­bi­schof von Köln und Her­zog von Loth­rin­gen mach­te. Bruns zu­gleich wis­sen­schaft­li­che und staats­män­ni­sche Be­ga­bung mach­ten ihn für die­se Dop­pel­stel­lung ge­eig­net. Hein­rich da­ge­gen woll­te selbst Kö­nig wer­den und mach­te sich zum Mit­tel­punkt al­ler Feind­se­lig­kei­ten ge­gen sei­nen Bru­der. Schweig­sam, ver­schlos­sen, rän­ke­süch­tig, da­bei maß­los hef­tig und rach­süch­tig er­scheint sein Cha­rak­ter durch­aus nicht an­zie­hend, aber eine Per­sön­lich­keit muss er doch ge­we­sen sein; weil er sei­nem blon­den Va­ter glich, be­vor­zug­te ihn die Mut­ter, über­haupt mach­te ihn sei­ne Schön­heit bei den Frau­en be­liebt. Nach­dem er sich end­gül­tig un­ter­wor­fen hat­te, er­hielt er das Her­zog­tum Bay­ern und er­wies sich seit­dem als zu­ver­läs­si­ge Stüt­ze des Kö­nigs. Durch sei­ne Hei­rat mit Ju­dith, der Toch­ter des ver­stor­be­nen Her­zogs Ar­nulf, nahm er an dem An­se­hen der ein­hei­mi­schen Dy­nas­tie teil. Sei­nen Schwie­ger­sohn Kon­rad mach­te Otto zum Her­zog von Loth­rin­gen, sei­nen Sohn Lu­dolf zum Her­zog von Schwa­ben, nach­dem er ihn mit der Toch­ter des letz­ten Schwa­ben­her­zogs Her­mann ver­hei­ra­tet hat­te; bei­de fie­len von ihm ab. In den Stäm­men war ein so star­ker Wi­der­stand ge­gen die kö­nig­li­che Ober­herr­schaft, dass die Stam­mes­häup­ter wie durch eine Na­tur­kraft da­von er­grif­fen wur­den; die Zeit­ge­nos­sen we­nigs­tens ha­ben den un­glück­li­chen Lu­dolf, be­vor er Her­zog wur­de, der Un­treue und Wi­der­setz­lich­keit nicht fä­hig ge­hal­ten, und Kon­rad hat durch den Ei­fer, mit dem er, um sein Ver­ge­hen gutz­u­ma­chen, sich am Kamp­fe ge­gen die Un­garn be­tei­lig­te, be­wie­sen, dass er nicht un­edel dach­te.

      Eine ganz an­de­re Grund­la­ge be­stimm­te die Stel­lung der Bi­schö­fe. Als Glie­der der Kir­che ver­tra­ten sie von vorn­her­ein die Idee der Reichs­ein­heit, die in Rom ih­ren Mit­tel­punkt hat­te. Sie wa­ren be­reit, sich der Ho­heit des Kö­nigs, nicht aber den Her­zö­gen un­ter­zu­ord­nen. Der Erz­bi­schof von Mainz be­son­ders, des­sen Di­öze­se sich durch das gan­ze Reich er­streck­te, fühl­te sich dem Rei­che ver­bun­den. Alle Erz­bi­schö­fe er­hiel­ten die Erin­ne­rung an das Ka­ro­lin­ger­reich, wo Papst und Kai­ser ge­mein­sam, Karl der Gro­ße fast al­lein, Kir­che und Reich re­giert hat­ten, und Otto pfleg­te die­se Über­lie­fe­rung. Wäh­rend Hein­rich, sein Va­ter, die Kai­ser­krö­nung ab­ge­lehnt hat­te, ließ er sich in Aa­chen, nach­dem er von den Her­zo­gen und Gro­ßen in ei­nem mit dem Müns­ter ver­bun­de­nen Säu­len­gan­ge auf den Thron ge­ho­ben wor­den war, im In­ne­ren der Kir­che von den Erz­bi­schö­fen von Mainz und Köln nach der al­ten Ord­nung mit dem Schwert um­gür­ten und dem Man­tel be­klei­den, sal­ben und krö­nen. Von den Her­zo­gen, die bei der nach­her statt­fin­den­den Ta­fel die her­kömm­li­chen Äm­ter als Mund­schenk, Truch­seß, Mar­schall und Käm­me­rer aus­üb­ten, fie­len drei bald nach­her von ihm ab. Von den Bi­schö­fen wur­de nur ei­ner spä­ter sein Geg­ner, der Erz­bi­schof Fried­rich von Mainz, der die von Otto an­ge­bahn­te Ver­bin­dung des geist­li­chen Amts mit welt­li­chen Ge­schäf­ten miss­bil­lig­te.

      Die Her­an­zie­hung der Bi­schö­fe zu den Reichs­ge­schäf­ten be­wirk­te Otto da­durch, dass er ih­nen Graf­schafts­rech­te ver­lieh und durch Er­tei­lung von Im­mu­ni­tä­ten Bi­schö­fe und Äbte von den kö­nig­li­chen Ge­rich­ten un­ab­hän­gig mach­te. Er lei­te­te die­se fol­gen­rei­che Um­wand­lung der Ver­fas­sung be­hut­sam ein, sei­ne Söh­ne setz­ten sie un­be­denk­li­cher fort. Bald ka­men gan­ze Graf­schaf­ten an die Bi­schö­fe, die da­durch zu welt­li­chen Fürs­ten wur­den. Der Ge­winn für den Kö­nig war un­über­seh­bar: er konn­te nun auf die An­häng­lich­keit ei­ner An­zahl großer Her­ren rech­nen, die ihn nicht nur durch ih­ren Rat und Ein­fluss, son­dern auch durch das Auf­ge­bot ih­rer Mann­schaft un­ter­stütz­ten. Al­ler­dings wur­de die kirch­li­che Tä­tig­keit der Bi­schö­fe durch den neu­en Auf­ga­ben­kreis, der ih­nen er­wuchs, we­sent­lich ein­ge­schränkt. Pre­digt und Ar­men­pfle­ge, ur­sprüng­lich eine hei­li­ge Pf­licht ih­res Am­tes, muss­ten den Pfar­rern über­las­sen wer­den, die Bi­schö­fe, die die Kö­ni­ge auf ih­ren Rei­sen und Heer­zü­gen be­glei­te­ten, wa­ren nicht sel­ten jah­re­lang von ih­ren Di­öze­sen ab­we­send. In­des­sen die­se dem ho­hen Adel ent­stam­men­den Män­ner wa­ren mit der Ver­welt­li­chung mehr als ein­ver­stan­den. Nur aus­nahms­wei­se war ei­ner von der Wich­tig­keit der geist­li­chen Sei­te sei­nes Am­tes so durch­drun­gen, dass er die Ver­flech­tung in welt­li­che Ge­schäf­te als un­ge­hö­rig und be­läs­ti­gend emp­fand.

      Otto I. hat­te wie Karl der Gro­ße die Gabe nie er­mü­den­der Tä­tig­keit. Er be­durf­te nicht viel Schlafs, und da er im Schla­fe sprach, mein­te man, dass er selbst schla­fend wa­che. Die Nie­der­wer­fung der Auf­stän­de in den Her­zog­tü­mern, die Be­kämp­fung der Sla­wen und Un­garn nah­men die ers­ten Jahr­zehn­te sei­ner Re­gie­rung in An­spruch, dann konn­te er end­lich den Blick auf Ita­li­en rich­ten. Ge­gen den Papst, der den Ka­ro­lin­ger Ar­nulf krön­te, hat­te sich der rö­mi­sche Stadt­a­del er­ho­ben; jetzt tra­ten Um­stän­de ein, die an die­je­ni­gen er­in­nern, wel­che einst Pi­pin und Karl mit Rom ver­knüpf­ten.

      Von zwei Sei­ten wur­de die Grün­dung ei­nes ita­lie­ni­schen Kö­nig­rei­ches er­strebt: von den lan­go­bar­di­schen Teil­fürs­ten, die sich un­ter den letz­ten Ka­ro­lin­gern un­ab­hän­gig ge­macht hat­ten, und von dem rö­mi­schen Stadt­a­del, den Or­si­ni, Fran­gi­pa­ni, den Cres­zen­ti­ern. Stolz auf ihre Ab­kunft, stolz auf ihre schick­sals­vol­le Stadt, er­ho­ben sie den An­spruch auf Herr­schaft, und das Mit­tel, durch das sie ihn zu ver­wirk­li­chen hoff­ten, war das Papst­tum. Da sie es nicht ver­nich­ten konn­ten, dach­ten sie es zu be­nüt­zen und setz­ten Päps­te ein, die Werk­zeu­ge ih­res Wil­lens wa­ren. Da­mals war es Ok­ta­vi­an, der noch ju­gend­li­che Sohn des be­rühm­ten Al­be­rich, der groß­ar­ti­ge rö­misch-na­tio­na­le Plä­ne kühn ver­tre­ten hat­te. Für die­se

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