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Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
Читать онлайн.Название Deutsche Geschichte
Год выпуска 0
isbn 9783962817725
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Bookwire
Herzog Bernhard zur Lippe, ein treuer Anhänger Heinrichs des Löwen, wurde aus einem gefürchteten Kriegsmann, der vor Beraubung von Klöstern nicht zurückgeschreckt war, ein Kreuzzugsprediger und schließlich ein Bischof. Als Vater von fünf Söhnen und sechs Töchtern trat er in ein Kloster ein nach Überwindung des Widerstandes seiner Frau, die vermutlich weniger gesündigt und mehr gelitten hatte als er. Der religiöse Schwung war so stark, dass, wenn die Klöster entarteten, was immer geschah, sich neue Orden bildeten, die sie reformierten und mit religiösem Leben erfüllten. Im zwölften Jahrhundert gründeten Adlige die vielen Zisterzienserklöster, die so Großes zur Kultivierung des Nordens und Ostens geleistet haben. Graf Brüning von Gleichen trat in das Kloster Volkerode ein, das seine Mutter nördlich von Mühlhausen in Thüringen gegründet hatte, Graf Siegfried von Bomeneburg gründete Kloster Amelungsborn, ein Edler von Wolmundstein, der einen Freund im Turnier verwundet hatte, Kloster Waldsassen, Ritter Ludolf von Wenden das Kloster Riddagshausen bei Braunschweig, Graf Wilbrand von Hallermund in einer Einöde zwischen dem Steinhuder Meer und der Weser Kloster Loccum. Erklärt auch der wirtschaftliche Nutzen, den die Zisterzienserklöster brachten, ihre rasche Aufnahme, so war doch fast in jedem einzelnen Fall ein religiöses Gefühl der Antrieb der Stiftung, Reue über vergossenes Blut, Einsicht in die Flüchtigkeit irdischer Güter oder auch nur die Meinung, dass ein wirkungsvoller Akt der Frömmigkeit zur Vollendung eines christlichen Edlen gehöre.
Die enge Verbindung des kriegerischen Adels mit der Kirche wird erst recht verständlich, wenn man bedenkt, dass die frühmittelalterliche Kirche einen heidnischen Charakter hatte. Sie hatte ihn nicht nur, weil ihre Glieder zum großen Teil erst kürzlich bekehrte Heiden waren, nicht nur, weil zahlreiche Elemente des Heidenglaubens in die Kirche aufgenommen und übergegangen waren. Christus kam in eine erstarrte Welt, die er das Sterben lehrte. Er ist der Gott des Todes, darum waren seinem Antlitz von Anfang an Züge tiefster Trauer eingegraben. Vielleicht erlebte in ihm die Menschheit zum ersten Male bewusst den Tod. Das junge Germanenvolk war noch nicht erstarrt, sein Dasein vollzog sich jenseits von Gut und Böse, zwischen seinen strömenden Kräften des Hasses und der Liebe, des Frevels und der Reue konnte die Selbstsucht nicht zu hemmender Schranke gerinnen. Der spätere Mensch sieht mit Staunen, wie in der mittelalterlichen Welt entsetzlicher Blutdurst und zarte Himmelssehnsucht, Hochmut und Demut sich kreuzen, wie schwerste Verbrechen durch ein gelindes Priesterwort gesühnt werden, wie hohe Kirchenfürsten ihre irdischen Leidenschaften austoben, ohne sich dadurch beschwert zu fühlen. Blutrote Sünde wusch eine Träne ab. Diese junge Welt, in der der Tod nicht schmerzte, weil sie so voll Leben war, dass der Tod nur ein Überströmen in neues Leben bedeutete, erlebte das Christentum anders als die antike Welt, die vergessen hatte, dass nichts auferstehen kann, was nicht zuvor gestorben ist. Dementsprechend musste die Kirche sich wandeln.
Das Gudrunlied erzählt, wie nach der blutigen Schlacht auf dem Wülpensande die überlebenden Helden die Toten zu bestatten beschließen, nicht nur die Freunde, sondern auch die Feinde, damit sie nicht den Raben und Wölfen zur Speise werden. Damit ihres tapferen Endes ewig gedacht werde, stiften sie ein Kloster mit einem Hospital, zu dessen Gunsten die Verwandten der Gefallenen Gaben beisteuern. Auch der Armen wird gedacht: ihnen soll der Erlös aus den Pferden, Rüstungen und Gewändern der Gefallenen zugute kommen. Eine Anzahl von Pfaffen, die dem Kloster zugewiesen wurde, soll betend und singend die Seelen der Erschlagenen Gott empfehlen. Vor der Schlacht hatten sie, weil es ihnen an Schiffen fehlte, einer Pilgerschar, die auf der Insel gelandet war, ihre Schiffe weggenommen; diesem Frevel schrieben sie den unglücklichen Ausgang des Treffens zu, und damit sie beim nächsten Gefecht besseres Glück hätten, beeilten sie sich nun, den Schaden zu ersetzen. Dann segelten sie heim, das Herz erfüllt von Rachegedanken, ungeduldig gespannt auf neues Blutvergießen. So war das Christentum der Edlen: zuweilen wurde ein härenes Gewand über den strahlenden Harnisch gezogen,