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Hundsviech, geliebtes. Lise Gast
Читать онлайн.Название Hundsviech, geliebtes
Год выпуска 0
isbn 9788711509579
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
Sie sagte das zwar seufzend, aber zärtlich. Resi, die kleine Dackelin – es war eine Dame, was Corona auch nicht gleich gestanden hatte. Momme aber war längst mit dieser Tatsache ausgesöhnt, da Hündinnen ja als gescheiter, treuer und weniger schwierig gelten – Resi also quiemte, sie war noch nicht draußen gewesen.
»Also los, Hundchen, komm. Du gibst ja sonst doch keine Ruhe.«
Der Himmel war jetzt weißlich, in sich geschlossen, wie ein hohes Dach über der Welt. Momme konnte es noch immer kaum fassen, daß sie hier wohnte, daß dies ihr Haus sein sollte, daß sie nicht mehr in der Stadt leben mußte. Draußen zu Hause sein, am Wald, ohne neugierige oder gar böswillige Nachbarn – sie mußte tief Luft holen, wenn sie sich das immer wieder aufs neue entzückt und dankbar klarmachte. Hatte sie es in der engen Wohnung im Städtchen wirklich jahrelang ausgehalten?
Coronas Wagen stand in der Ecke des Hofes, dünn betaut. Ein Luxusmodell war es nicht, wahrhaftig, bestoßen und mit Roststellen übersät. Aber vorläufig mußte er ihnen beiden genügen; von einem eigenen Auto für Momme war keine Rede mehr. Jeder Umzug kostet mehr Geld, als man denkt, wo immer man hinzieht, gibt es etwas herzurichten. Daß aber die Stoßstange des Wagens vorn einen Knick nach innen aufwies, war Momme neu. Sie betrachtete die Schadstelle mit einer Mischung von Bekümmernis und Dankbarkeit. Bekümmernis, weil es da etwas gegeben haben mußte, und Dankbarkeit, daß es nicht schlimmer ausgegangen war. Erzählt hatte Corona nichts Diesbezügliches.
›Ich werde nicht fragen‹, nahm Momme sich vor. Das war auch so ein Mutterproblem: fragte man, so war man zudringlich und neugierig. Fragte man nicht, so beschwerten sich die Kinder über mangelndes Interesse. Als ob das Interesse bei einer Mutter je mangeln könnte!
»Komm, Resi. Daß du mir aber nicht vom Weg abgehst –« Sie marschierten los. Der kleine Hund sauste dahin und dorthin, Momme trug die Leine in der Hand. Eigentlich durfte man einen Hund hier gar nicht von der Leine lassen.
›Es wird schon niemand kommen‹, dachte sie und hörte im selben Moment einen Wagen hinter sich.
»Resi, daher –«, rief sie, zu spät. Ausgerechnet der grüne Opel des Forstbeamten. Momme bückte sich und befestigte die Leine am Halsband der diesmal wirklich gehorsamen Dackelin, natürlich zu spät, das war ihr klar. Als sie sich wieder aufrichtete, merkte sie, wie rot sie im Gesicht sein mußte.
Ja, es war der Forstbeamte. Im letzten Augenblick hatte sie noch zu hoffen gewagt, es wäre ein anderer, harmloser Wagen, aber nein. Nun denn.
»Guten Morgen!« Das klang ja freundlich, fast schüchtern. »Ich wollte – wissen Sie eigentlich, daß man –«
»Hunde hier angeleint führen soll, jawohl«, sagte Momme tapfer. »Ich wollte es auch, nur –«
»Deshalb doch nicht. – Ich bin in Sorge –«, er war auch sehr verlegen. Weshalb nur? Momme fühlte instinktiv, daß die Gefahr für heute vorüber war. »Nun? Was gibts?«
»Der Wagen Ihrer Tochter – ich sah vorhin – hat sie einen Unfall gehabt?« fragte er jetzt, sich, wie vorhin Momme, zum Wesentlichen zwingend. Momme sah ihn an.
»Wegen der Stoßstange? Vermutlich. Ich hab es auch erst eben gesehen. – Hören Sie, sind Sie eilig? Es ist kühl, ich hab’ noch nicht gefrühstückt, oder – also: haben Sie schon Kaffee gehabt heute früh?«
»Nein, Sie vermuten richtig. Ich hatte keine Zeit dazu.«
»Dann los. Rechtsum kehrt marsch, Resi, komm nach Hause!«
»Wenn schon, dann in meinem Wagen. Darf ich Sie bitten, einzusteigen? Wenn es auch kein Mercedes ist.«
»Als ob mir das etwas ausmachte ...«
Momme hatte den kleinen Dackel aufgehoben und ließ sich mit ihm auf den rechten Vordersitz sinken. Der Forstmann fuhr erst noch ein Stück vorwärts, wendete – dazu mußte man hier einen Seitenweg suchen – und ließ den Wagen dann bergab laufen, in Mommes Hof hinein. Beide, der Grünuniformierte und Momme, warfen einen kurzen Blick zu der Stelle hin, wo Coronas Wagen zu stehen pflegte. Er war fort. Corona also auch.
Sie taten beide, als hätten sie nicht hingesehen. Momme öffnete die Haustür und ging voran, der Grüne folgte. Sie komplimentierte ihn ins Wohnzimmer auf die Eckbank, die in der Süd-Ost-Ecke unter den Fenstern stand, und ging hin und her, holte Tassen, Milch und Zucker, während die Kaffeemaschine zischend und spuckend zu sprudeln begann. Dabei sprachen sie dies und jenes, von Dakkeln, die Ärger machen, und Dielen, die knarren – wie es die Dielen hier taten. Von Corona sprachen sie nicht. Dennoch war Corona anwesend, auf eine intensive, lebendige Art – ihr rabenschwarzes Haar, ihre sprühenden Augen, ihre ganze dynamische Art. Momme nahm wahr, daß auch ihr Gast es fühlte – und verschluckte ein Lachen.
Ihr fiel eine Filmszene ein, in der eine junge Hexe auf einem ungesattelten, ungezäumten Pferd hockte, den Rock etwas verschoben, und einen Priester ansah, der vor ihr stand und zu ihr aufblickte, aufhimmelte, wäre richtiger gewesen. Die Kamera hatte sein Gesicht aufgenommen, ein glattrasiertes, junges, nettes Gesicht. Und dann wurde das Gesicht durch einen Trick des Aufnahmeleiters in die Breite gezogen, dann in die Länge – wie bei den Zerrspiegeln auf dem Jahrmarkt. Nichts hätte deutlicher machen können, wie verliebt, ja, liebesdurchrast dieser Bedauernswerte war.
So ähnlich kam ihr jetzt dieser junge Grünrock vor. Zwar sagte und tat er nichts, aber man merkte genau, wie es ihn schier zerriß vor Verliebtheit, während er in dem Raum saß und ruhig und ehrbar Kaffee trank, – in dem Zimmer, in dem sonst Corona hin und her ging, vor sich hin summte oder nieste oder schalt, je nachdem. Wie hieß es im ›Land des Lächelns‹? ›Ich trete ins Zimmer ... hier ist der heilige Raum, in dem sie atmet, in dem sie lebt, sie, meine Sonne, mein Traum ...‹ Oder so ähnlich. Auch im ›Faust‹ gab es eine solche Stelle, wo Mephisto den Liebestrunkenen in Gretchens Zimmer eintreten läßt ...
»Resi, du Spanferkel, was soll das nun wieder« – Mommes Schrei riß ihn aus seinen Meditationen. Sie war aufgesprungen und hatte den kleinen Dackel am Nackenfell ergriffen, schalt auf ihn ein, während sie ihn schüttelte. »Ja, Prügel verdientest du! Mein bestes Halstuch – so ein gutes hab ich noch nie gehabt! Ich fand es in London auf einem Parkplatz«, erzählte sie, gleichsam erklärend, ihrem jungen Gast, »und fuhr damit brav und ehrlich zur Polizei, um es abzugeben. Gerade weil es so außerordentlich gut und schwer war. Was sagten die Bobbies dort? ›Ach, nehmen Sie es doch bitte wieder mit, Sie sparen uns damit viel Ärger, Arbeit und Unannehmlichkeiten.« Na, was blieb mir übrig, ich tat’s, und jetzt probiert unser Baby seine Beißerchen dran, freundlich gesagt –«
Sie hob das Tuch, schwere englische Seide, bunt bedruckt, an zwei Ecken hoch. Drei Löcher prangten bereits mitten drin. »Du Teufel du! Reißteufel! Resi Reißteufelchen! Na wart, ich sag es Corona.«
»Ach, bitte, was kann denn Ihr Fräulein Tochter dafür, daß ihr Hündchen das Tuch erwischt hat –« Endlich war der Name gefallen, um den man bisher herumgeredet und herumgedacht hatte, und nun wurde es eine richtig gemütliche Kaffeestunde. Momme und ihr Gast sprachen über Corona, eigentlich nur über sie. Es war so herzerfreuend, daß Momme nicht einmal die vertane Zeit reute. »Aber woher denn, ich kann heute noch viel fertigbringen«, beteuerte sie, als er schließlich ging. Und setzte sich endlich wieder an die Maschine.
In der Tat, auch eine am Kaffeetisch verschwatzte Stunde ließ sich wieder einholen, wenn man in der besten Stimmung ist. Das war Momme. Er hatte sie ja nicht einmal verwarnt, weil sie den Hund ohne Leine hatte laufen lassen. Eigentlich hätte er ihr eine Geldbuße abverlangen können.
Sie lachte. Es war ein hübsches Buch, das sie übersetzte, die Geschichte einer jungverheirateten Seemannsfrau, die auf ihren Mann wartet und sich ein Kind wünscht und keines bekommt. Sie versucht, sich abzulenken, beginnt zu schneidern, geht in einen Reitverein, schafft sich einen Hund an –
»Halt! Resi, wo bist du? Daher! Wo hast du gesteckt?«