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Hundsviech, geliebtes. Lise Gast
Читать онлайн.Название Hundsviech, geliebtes
Год выпуска 0
isbn 9788711509579
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
»Natürlich hab ich Platz. Ich schaff’ dann einfach Übereinander-Betten für die Kinder an. Das wollte ich übrigens schon lange. Es gibt jetzt solche, die über Eck stehen, also sehr raumsparend sind. Wart, ich zeig dir eine Abbildung. Sogar Erwachsene können drin schlafen, mal eine Nacht oder zwei, oder auch eine Woche lang. Wer streckt sich beim Schlafen schon ganz aus! Natürlich, solche Mordstrümmer von Männern wie meine Söhne würden nicht hineingehen –«, sie lachte zu Rupprecht empor. Noch immer fand sie es überwältigend, daß sie, die höchstens mittelgroße, stämmige Person, solche Riesensöhne großgezogen hatte.
»Und du meinst, du findest hier eine Bude?« fragte Rupprecht seine jüngere Schwester. Die blitzte ihn mit ihren schwarzen Augen an.
»Ich krieg alles, was ich will. Das wär gelacht!« sagte sie. Er glaubte es ihr.
Da war Momme wieder. Sie breitete Bilder von hellen, modernen skandinavischen Möbeln vor ihm auf dem Tisch aus. Und alle drei steckten die Köpfe darüber zusammen. Neuanschaffungen haben immer etwas Faszinierendes, vor allem für Leute, die in großer Sparsamkeit aufgewachsen sind. Zu denken: »Das und das kannst du dir jetzt leisten. Es ist nicht nur für andere da, du, du selbst könntest es dir kaufen –« Wundervoll! Sie genossen es alle drei. Und dann rückte der Sohn sogar damit heraus, daß er heute über Nacht bleiben könne. Momme war hingerissen.
»Dann machen wir uns einen schönen Abend!«
Dieser Abend fand ohne Corona statt. Sie hatte ›etwas vor‹ und verschwand sehr bald; Rupprecht sah ihr bedauernd nach.
»Da war die Flaggengala, die sie aufgezogen hat, also gar nicht für mich«, sagte er. »Wem mag sie gelten? Hat sie jemanden hier?«
Er forschte im Gesicht der Mutter. Corona, die Jüngste der Familie, hatte immer etwas von einem enfant terrible gehabt, genauer gesagt: sie war reiner Sprengstoff. Es gab kaum einen Tag im Zusammenleben mit ihr, an dem der Familie die Luft nicht irgendwann wegblieb angesichts einer neuen Idee, die ihr gerade gekommen war. Diese Schwester endlich unter der Haube zu wissen, wäre Rupprecht eine Erleichterung gewesen. Er sprach es aus. Momme sah ihn zweifelnd an.
»Rupprecht, deine liebevolle Sorge in Ehren – aber glaubst du wirklich, die Ehe sei heutzutage noch der sichere Hafen, in den früher einmal die weiblichen Schifflein eingelaufen sind, die Segel vom Dankgebet geplagter Eltern geschwellt? Motto: Die ist nun in guten Händen? Ach, längst, längst vorbei! Beruf, Ehe, keine Ehe – alles ist gleichermaßen gefährdet in unserer Zeit. Zwar ist das nicht neu. Wie sagt Hamlet, der zweifelsohne vor einigen hundert Jahren lebte? ›Die Zeit ist aus den Fugen.‹ Damals schon, jetzt nicht weniger. Ich denke oft neidvoll an den Alten Fritzen, der, als man ihn auf den Namen Sanssouci seines Schlosses hin ansprach, gesagt haben soll: ›Erst im Grabe werde ich ohne Sorge sein.‹ Ich nicht, mir geht es nicht so gut. Ich werde mich noch im Grabe um euch sorgen, immer, immer. Zumal um Corona.«
»Hat sie irgend etwas –«
»Nicht, daß ich wüßte. Versteh mich richtig, natürlich hat sie Freundschaften, und natürlich schlägt sie vorn und hinten aus, wenn ich meine, diese Freundschaften sollten sich auf den Tag beschränken. Wir sind hier den Augen der Nachbarschaft derart ausgesetzt, das Städtchen ist klein, jeder kennt jeden. Und wenn hier nächtelang die Autos auf der Straße stehen –«
»Das geht keinen was an, Corona ist großjährig«, sagte Rupprecht rasch. Momme schüttelte den Kopf, den sie ein wenig gesenkt hatte. Er sah zum erstenmal, daß ihr Haar, von Natur aus dunkelblond, ein wenig strähnig, kurz geschnitten, jetzt mit Grau durchsetzt war. Es fiel nicht sehr auf, und immer hatte er seine Mutter vor Augen, wie sie damals war, als er anfing, über sie hinauszuwachsen: resolut, fröhlich, oft drastisch in ihrer Ausdrucksweise, patent. Alterslos. War das vorbei? Natürlich, alle Menschen altern, wenn sie nicht früh sterben. Aaaaber ...
»Weißt du, was sie mir neulich sagte, als ich fand, sie käme recht spät heim?« hörte er seine Mutter fortfahren. »Es ist sicherlich ein Schnack, der nicht von ihr stammt, aber ich hätte meiner Mutter seinerzeit so etwas nicht zu sagen gewagt. ›Ein anständiges Mädchen‹ dozierte sie im Ton einer Gouvernante, ›ist um acht zu Hause. Sie schläft nämlich nachmittags mit ihrem Freund.‹ Na?«
Momme sah, daß Rupprecht lachen mußte. Sie lachte auch.
»Trotzdem solltet ihr hier raus«, sagte er dann, wieder ernsthaft werdend. »Und zwar bald. Am liebsten sofort. Um das einmal mit dir zu besprechen, bin ich hergekommen. Nicht nur deshalb, aber auch deshalb. Und wie nötig es ist, hast du mir ja bewiesen. Wenn wir alle zusammenlegen, könntest du schon zu einem eigenen Haus kommen, verdient hast du es um uns.
Ich sage das nicht, weil wir dir die Kinder aufhalsen wollen. Immerhin hast du eine Anzahl Enkel, die gern zu dir kommen, und da braucht eine Großmutter ein Haus mit einem Garten drumrum, in dem getrampelt und gelacht, geheult, gestritten und getobt werden kann, wo Corona ihre eigene Etage hat, die keinen etwas angeht, ein Haus, vor dem Autos stehen können, ohne daß die liebe Nachbarschaft sich die Klatschmäuler zerreißt –«
»Oh Rupprecht, wie sehr hab ich mir das gewünscht, von jeher!« Momme sah ihn an, ihr Blick war weich und versonnen. ›So mag sie ausgesehen haben, als sie jung war‹, dachte der Sohn und schlug die Augen nieder. Wie den meisten der jungen Generation war es ihm peinlich, sich vorzustellen, daß auch seine Eltern einmal jung gewesen waren – mit allen Konsequenzen. Sie schwiegen beide. Dann gab sich Rupprecht einen Stoß:
»Du wärst also einverstanden, hier raus und in ein sturmsicheres Haus zu ziehen?«
Momme lachte.
»Wenn uns eins über den Weg läuft, natürlich! Ja und topp und einverstanden!« Sie hielt ihm die Hand hin. Er schlug ein. ›Wenn uns eins über den Weg läuft ...‹ Wem läuft schon ein Haus, ein Traumhaus über den Weg!
Am andern Morgen kam es gelaufen, und zwar so:
Als Rupprecht von Mommes Fahrkünsten gehört hatte, schlug er vor, sie solle ihn ein Stück begleiten, damit sie seinen Wagen fahren könne. Die Rückfahrt per Bundesbahn werde er ihr spendieren. Voller Vergnügen sagte die Mutter zu. Auf diese Weise hatte sie ihren Sohn noch ein Weilchen für sich.
Es war noch früh am Morgen, kühl und frisch. Corona schlief, sie war spät heimgekommen. Auch das Städtchen fing eben erst an, sich zu rühren.
Das Haus lag im Flußtal, durch das die große Straße der Bahn parallel lief. Nebentäler mündeten im rechten Winkel hinein. Eins dieser Täler wählte Rupprecht, um abzubiegen, hielt gleich am Anfang und ließ Momme ans Steuer. Von hier aus ging es nach Norden durch die schöne hohenlohesche Landschaft, über wenig befahrene Straßen mit vielen Kurven, durch eine liebliche Gegend. Mit leichter Beklemmung nahm Rupprecht auf dem rechten Sitz Platz, der Mutter noch einmal die Fahrtechnik erklärend. »Der Rückwärtsgang liegt –« und so weiter. Momme klemmte sich hinter das Steuer und fuhr los.
Hier wechselten alte und neue Häuser miteinander ab, Vorgärten, peinlich sauber gehalten, ein Backhaus, jetzt stillgelegt, aber mit Rosen umwachsen. Bald trat der Wald rechts und links näher, das Tal wurde enger, und links lag, zwischen Bach und Straße, das letzte Haus, die Schelmenmühle. Die eigentliche Mühle gab es nicht mehr; was noch stand, war ein winziges Steinhäuschen am Bach, Austraghaus für alte Müllersleute, wenn es das gegeben hatte – über der Tür, in Stein gehauen, stand die Zahl 1798. So lange stand es schon – Momme hatte einmal beim Spazierengehen die Jahreszahl gelesen und sich ausgemalt, was dieses Häuschen alles erlebt und gesehen haben mochte und was es erzählen könnte, wenn es wollte. Rechts, im Winkel dazu, stand eine große Scheune; dunkles Holz, Giebeldach mit roten Schindeln. Diese Scheune war in der Zeit, als so viele