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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays
Год выпуска 0
isbn 9788075830760
Автор произведения Rudolf Stratz
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Meinethalb! Aber nun zum dritten- und letztenmal!«
»Zum letztenmal hoffentlich nicht!« sagte er lachend.
Auch sie lachte. Sie nickten sich zu und schieden.
8.
Mit seinem blonden Vollbart, dem narbengezierten Antlitz, das dem alten Korpsstudenten hier in Afrika das Aussehen eines furchtbaren Kriegers gab, und dem funkelnden Kneifer die Menge der um ihn gescharten Mauren und Juden weit überragend, stand Albrecht Steffen auf dem Marktplatz da und handelte. Mit der Kaltblütigkeit des vielerfahrenen Geschäftsmannes, den der ehrwürdige arabische Kaufherr sowenig übers Ohr haut wie Israel in all seinen Schattierungen, vom alttestamentarischen Patriarchen in Käppchen und Kaftan bis zu dem bleichen spanischen Elegant in dem abgelegten Zivil irgendeines britischen Leutnants aus Gibraltar.
Das eigentliche Geschäft war beendet. Es galt jetzt nur noch, die Kaufsumme zu zählen und das dazwischen verteilte falsche Geld auszuscheiden. Zu diesem Zweck hatte sich die ganze Gesellschaft um einen aus dem Schlamm des Bodens aufragenden und von der Morgensonne bereits getrockneten Feldstein gruppiert. Auf diesem ließ der Handlungsreisende mit geübter Hand eines der großen silbernen Fünfpesetastücke nach dem anderen aufspringen, um dann je nach dem Klang des Metalls die Münzen, die ein Berberjunge aus dem Kot auffischte und blank rieb, seinem leinenen Geldbeutel einzuverleiben oder ohne ein weiteres Wort dem Käufer wieder zuzustellen.
»Die Welt wird ehrlich, meine Damen!« lachte er und lüftete, zu der herankommenden kleinen Maultierkarawane gewendet, den Schlapphut. »Kaum ein Fünftel falsches Geld! Es ist geradezu unheimlich!«
Hilda reichte ihm vom Sattel herab die Hand. »Was werfen Sie denn um Gottes willen das Geld in den Schmutz, Herr Steffen?«
»Ich sondere die Spreu vom Weizen!« Er wies auf das zurückgeschobene Silberhäufchen, in das sich ein weißbärtiger, düster schöner Araber mit einem jungen jüdischen Stutzer schweigend teilte. »Das ist alles falsches Geld. Dessen Anfertigung ist, wie Sie wissen, außer dem Stierkampf und dem Bürgerkrieg die einzige Arbeit, die das spanische Volk als seiner würdig betrachtet. Und man muß es ihm lassen: darin ist es unermüdlich. Ich war übrigens auch nicht faul. Ich habe heute schon Leder gekauft, Pesetas gewechselt, einen vorteilhaften Abschluß in Blutegeln gemacht und eine Hausse in Honig hervorgerufen – ich komme mir vor wie Rothschild auf der Londoner Börse!«
»Und was haben Sie jetzt vor?«
»Nichts!«
»Dann begleiten Sie uns doch!« bat die Kleine. »Wir haben solche Angst. Tetuan ist eine schreckliche Stadt. Zu Fuß können wir uns auf der Straße schon gar nicht sehen lassen, nur auf diesen abscheulichen Maultieren. Dabei kann Klara natürlich nirgends zeichnen. Jetzt haben wir uns den Schlüssel zur Festung holen lassen. Da kommt niemand anderes hinein, und wir sind vielleicht eine Weile ungestört!«
»Hoffen wir's! Ich glaub' es nicht! Der Schlüssel ist doch nur dazu da, um von den Fremden Bakschisch zu erlangen. Das Volk klettert, wo es will, über die Mauern. Wie war denn die Nacht?«
»Fragen Sie nicht!« sagte die Kleine melancholisch. »Ich mache ja eine Erholungsreise. An die Erholung werd' ich denken!«
Sie klommen, die Stadt im Rücken lassend, zu der Kasbah, dem hochragenden maurischen Kastell Tetuans, empor. Die Gassen hörten auf. Schuttplätze, grasbewachsene Hänge umgaben den Weg bis in das Innere des zerfallenen Werks. Eine wüste Trümmerwelt, wie überall in dem verrotteten Lande, in dem selbst die Erinnerung an die einstige maurische Herrlichkeit von Granada, an Cordovas Kunstblüte, an den Glanz der Wissenschaft am Hof der Omaijaden völlig geschwunden, in der Roheit eines unwissenden, fanatischen Hirtenvolkes versunken zu sein scheint.
Verfall ringsumher in den bröckligen Mauern, den verrosteten Kanonen auf fauligen Lafetten, den aus den Angeln hängenden Toren. Nur eins war von der Zeit unversehrt geblieben: der Blick von dem Wartturm herab auf das weiße, im Frühlicht leuchtende Häusermeer von Tetuan, die ringsum saftgrün prangende Ebene, von fahler, zerrissener Bergwildnis umrahmt, und in der Ferne der silbergraue Schimmer des Mittelmeers.
Hier ließ sich Klara nieder und begann ihr Malgerät zu ordnen. Die Gouvernante setzte sich steif abseits, und Hilda ging mit dem jungen Kaufmann plaudernd zwischen den behaglich im Grase sich wälzenden Maultieren auf und ab.
Es war Steffen, als sei zwischen den Schwestern etwas vorgefallen. Und in der Tat konnte ihm die Kleine ihr überströmendes Herz nicht lange verschließen.
»Denken Sie nur«, sagte sie bekümmert und beklommen und blieb stehen. »Wir haben uns heute morgen gezankt ... wir drei! Das passiert sonst nie! Wir haben uns ja so gerne. Aber wir sind schon alle so nervös und weinerlich, von dem abscheulichen Land ... zwei Nächte haben wir jetzt kein Auge zugemacht, sondern auf den Stühlen gesessen und Licht gebrannt – Sie können sich schon denken, weshalb – und den Tag über immer im Regen auf dem bösen Maultier und die Treiber mit ihrem ›Ärra, Ärra‹ hinterher, und nichts zu essen und zu trinken. Wir haben nur noch eine Flasche. Auf der steht › Old Scotch Wkisky‹ und innen schwimmen ein paar Pfropfen, eine Menge Fliegen und ein bißchen Rotwein, schwarz wie Tinte ... nein ... ich halt' es nicht aus; ich hab' es Klara gesagt: Ich will nach Tanger zurück! Meine älteste Schwester auch!«
»Eine solche Weltumseglerin! Das nimmt mich wunder!«
»Ja, das hat seine Gründe.« Die Kleine lächelte verstohlen. »Sehen Sie nur, wie grimmig sie dasitzt! Sie möchte um ihr Leben gern in Tanger sein, wenn die Cooksche Reisegesellschaft dort ankommt. Wir haben sie vor vier Wochen in San Sebastian getroffen. Unterdes sind die Cooksleute überall in Spanien gewesen.«
»Und nun kommen Sie von Kadiz nach Tanger?«
»Ja, und von da nach Gibraltar. Und da ist jemand darunter ... ein verwitweter Major außer Diensten. Lachen Sie, bitte, nicht! Wenn Sie meine Schwester ansehen, werden Sie merken, daß das noch ganz gut ginge! Der Major ist auch nicht mehr der Jüngste. Und daß er gerade schön ist, kann man nicht behaupten. Er hat das alles mehr innerlich und ist ein sehr guter Mensch. Trotz seinem Fluchen und Krakeelen.«
»Soso!« sagte der Kaufmann nachdenklich und blickte auf die schwarz und reglos dasitzende Gouvernante. »So spinnt sich derlei über Länder und Meere!«
»Ja, wenn man ein bißchen was dazu tut!« beharrte die Kleine eifrig. »Sehen muß man sich doch vor allem, und dann ist es noch zweifelhaft, ob etwas daraus wird. Aber Klara will ja nicht. Sie will nicht fort von hier.«
»... Ja, wenn sie doch hier malen muß!«
»Sie kann ja nicht. Sehen Sie, Sie haben recht gehabt. Da kommen diese schrecklichen braunen Kerle und Kinder und alles schon über die Mauer geklettert und stellen sich um sie herum. Und wenn der Soldat sie wegtreibt, gibt es erst recht ein Geschrei und Gezanke, daß man jeden Augenblick glaubt, es bleibt einer tot. Vorhin haben sie schon um die Ecke herum mit Steinen nach uns geworfen. Nein, hier ist nichts zu holen!«
»Aber warum bleibt Ihre Schwester denn hier?«
»Ich weiß es schon!« meinte Hilda. »Aber ich werd' mich hüten, es zu sagen! Und was sie will, das geschieht! Denn sie verdient ja doch alles Geld. Ich verdanke es doch auch nur Klara, daß ich hab' mein Lehrerinnenexamen machen können.«
»Und jetzt wollen Sie eine Stellung annehmen?«
»Ich hab' schon eine. In Genf. Die Familie eines Seidenfabrikanten, wo die Kinder Deutsch lernen sollen. In vierzehn Tagen muß ich dort sein. Meine Schwestern laden mich auf der Rückreise dort ab. Das sind jetzt die