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andersch gehåt. ‘s is ebenste: bal’e so, bal’e so, nach, met em Worte: Herbst. Dås heest eben, månchmål bloßig.“

      So oder ähnlich redete er, ohne innere Teilnahme. Zu Anfang seiner Worte richtete er sich wohl wie zu etwas Bedeutsamen auf. Die letzten Worte aber streute er, teils gemummelt, teils unnötig schreiend, schon wieder so nebenher zwischen sein Gebastel und Umherstöbern. Leonore ließ ihn lächelnd gewähren. — Als er einmal neben sie trat und, gleichen Schritt haltend mit ihr umherwandeln wollte, gab sie sich anfangs den Anschein, als sehe sie es nicht. Dann aber wandte sie sich, stehen bleibend, zu ihm und maß ihn verwundert:

      „Ist dås dein Ernst?“

      „Ja — du lieber Gott, Ernst? — Wie dn? — Ernst, nee, zu mei’m Spaße mehr.“

      „Du willst sprechen zur Freude. Macht dr so was wirklich Freude, Joseph?“

      Eine frohe Überraschung machte Leonore herzlich.

      „Ach, nu freilich, een-, zweemål um a Gårta rum hal‘ ich‘s aus, drnach is de Freede aus. Denn sieh’ch ein Mån, mach kee biese Gesichte —dås is wås andersch, wie Wenterloda und scheen glåtter Kåmmgarn, es is. . .“

      Ärgerlich unterbrach Leonore seine langstielige Beweisführung.

      „Ach nu, laß, Jesses Maria, laß doch, wenn dir’s keine Freude macht! Wer zwingt dich denn? — Ich nehm dirsch nicht ibel. Vor mir geh und mach du weiter eim Garten rum.“

      Der Doktor hatte ihm neulich den Rat erteilt, ihr allen Willen zu lassen, daß sie in der begonnenen Beruhigung ihrer Nerven erstarke. Daran dachte er und begann sogleich gehorsam seine alte Beschäftigung wieder, da seine Unterhaltung nicht ihren Beifall gefunden hatte.

      Leonore schien wirklich durch den Stumpfsinn ihres Mannes kaum berührt. Sie schritt am anderen Ende des Gartens, schwebend, wie hingezogen von dem durchsichtigen Licht, das sie umspielte und sie trank die schöne Stille der fruchtbunten, herbstlichen Weiten hastiger, denn das Betragen ihres Mannes hatte das saugende Verlangen stärker gemacht, das in der Lücke ihres Daseins wohnte.

       * * *

      Auf einem Spaziergange mit ihrem Manne wurde dieses saugende Verlangen ein Bild ihrer heimlichsten Seele. Es war an einem jener wunderbaren Spätherbsttage, die uns alle Wunder der Nähe enthüllen in schimmernder, plastischer Deutlichkeit.

      Sie schritten auf einem wenig benutzten Feldwege hin, der langsam auf den langen Rücken eines Hügels, der Scheide zweier Thäler, klomm. Es waren tiefgeschnittene Bergthäler, und in jedem lag ein betriebsames Dorf. Beide verloren sich gegen das fernere Hochgebirge durch Windungen im Walde. Dort guckten dann Fabrikschlote heraus und das langsame Dröhnen des Eisenhammers quoll träge durch die Gassen des Dorfes. Es klang, als erzähle ein müder Riese eine lange Geschichte, jede Silbe seiner eintönigen Wörter mit immer gleicher, rauher Wucht hervorstoßend. Die Pausen, in denen das Pfauchen ausströmenden Dampfes wie schwerer Atem hörbar wurde, füllte das eintönige Leben des Dorfes mit leiserem Geschwätz.

      Der Tuchmacher und sein Weib schritten ins Feld hinein, indem sie gemächlich den steigenden Windungen des einsamen Weges folgten. Das Getön zu ihren Füßen wurde immer schwächer. Nun klang es nur wie ein leises Brausen, das in regelmäßigen Stößen mit den undeutlichen Schlägen des ferneren Pochwerkes einsetzte.

      Die stille Feierlichkeit des Herbstlichtes wiegte sich auf den weichen Flügeln eines sanften Windes zu jenen langen, scharfen Tönen, wie sie eben nur der Wind des Oktobers singen kann mit leise eingekniffenen, sinnenden Lippen. Die Sturzäcker umspielte die Glorie künftiger Fruchtbarkeit. Vogelschwärme warfen sich in schnellenden Linien von Busch zu Busch, wie unruhige, wirre Pläne des Himmels. Lerchen liefen eilig in den Furchen, hielten dann hinter Ackerklumpen und stammelten einige zaghafte Triller mit jähem, schluchzendem Abbruch. Am hohen Himmel aber wandelten in stummer Majestät Wolkengebirge über den blauen Abgrund, von einer verborgenen, unerreichbaren Gewalt hingetrieben — ein stummes, riesenhaftes Durcheinanderwogen — ein Kampf, dessen Gewaltsamkeit aussah wie ein Schattenspiel. Denn noch war der Sturm jenes Ringens fern, so weit, daß keiner seiner Laute auf die Erde gelangen konnte.

      Diese lag in dem unberührten Traume eines Tages, dessen allgegenwärtiges Licht mit seinem tiefsten, bebenden Leben nach dem großen Hintergrunde, jenem weltabgelegenen Wetter griff.

      Über Leonore kam eine steigende Hast. Sie eilte auf die Höhe des Rückens. Und als sie dort stand, trank sie mit weiten Augen die stumme Wolkenschlacht des Himmels. Davon bemächtigte sich ihrer die Empfindung eines Rausches, dem sie dadurch entrinnen zu können glaubte, daß sie die Hand über die Augen legte.

      Als sie so dastand, in die selbstgeschaffene Nacht in sich hineinlugend, wachte in ihr eine grundentstiegene Unsicherheit auf. Das immer enger kreisende Wogen ihrer Leidenschaft stieß, angeregt von dem eben Gesehenen, ein eigenes Bild in ihr Bewußtsein.

      Unterdeß war ihr Mann nachgekommen.

      „Was hältst du denn die Augen zu?“

      „. . . . uh — ganz weit . . . weit . . . daß ei’m schwindelt . . . verlorn und vergessen, als wenn man nischt wär . . . . ; aber es bliht grin auf un blau, man härts singen . . . . Dunner! wie Puschbeeme! . . . Ma‘ mächt sich freun und fürcht’ sich. — Heiliger Himmel, nu is als wenn was glänzniges käm un holt mich, und trägt mich un schwingt mich, weit über alle Berge . . . .“

      Leise, verzückt, mit einem leidenschaftlichen Fluten in der Stimme, sprach sie.

      „Verknucht! Jetze nimm de Hände weg und låß dås Gepaper! Wenn jemand kemmt, missa se ja denka Du best nie ganz gescheide“ unterbrach Griebel sie zornig.

      Leonore öffnete die Augen und lachte glücklich: „Da bin ich wieder bei dir, du, lieber, haha! lieber Månn. — Ach, wår dås åber weit! — Mach du mal die Augen zu, na!“

      Griebel kniff die Augen ein, daß sie aussahen wie umwulstete Spalte. Und um der Sicherheit des Verschlusses willen, zog er seine korpulente Nase an den Strängen feister Falten in die Höhe. So verharrte er eine Weile und wartete auf eine Erscheinung.

      „Na, was siehste denn?“ frug Leonore ungeduldig.

      „Nischt!“ prustete er lachend und rieb sich die geöffneten Augen. „Kendscherei, tomme!“

      6

       Inhaltsverzeichnis

      So kam Leonore abermals in einen Traumzustand. Von der dauernden Mystik, welche ihre Seele früher erfüllt hatte, unterschied er sich durch das blutvollere Spiel einer Episode. Er blühte bis in das Geräusch des Tages hinein. Mitten im Schaffen erlag sie ihm, einer weichen, lösenden Mattigkeit. Dann fühlte sie sich aufblühen, als dehnten sich vertrocknete Gänge in ihr durch eine losbrechende Flut der Befruchtung. Und sie gab sich diesen Momenten vorwurfslos hin. Mit keinem Aufreißen des Willens zur Pflicht, wie früher, rüttelte sie an den versunkenen Thoren ihres Bewußtseins. So verschwand die uranfängliche Spaltung ihres Wesens. Ihr Tag wandelte in ihrem Traum, und der Puls ihrer Seele schlug in allen Handgriffen.

      Dann saß sie, scheinbar wie immer, die feinen Finger in unruhigem Spiel bewegend. Aber ihre weichblauen Augen standen nicht verloren in einem weißen, scharfen Gesicht, sondern ihre Blicke glommen, und die Brust ging stürmischer, ein sieghafter Zug lag auf ihrem blühenden Antlitz.

      Denn ihre Gestalt rundete sich mehr und mehr. Die keimende Woge eines jungen Busens blühte in volleren Wallungen. Das Weiß ihrer Nägel wich einem immer satteren Rot, und das müde Blond ihres reichen Haares war goldiger.

      Auch das wesenlose Lied ihrer Seele schien verstummt. Die krankhafte Starrheit war von dem rechten Auge gewichen. Lag sein Lid auch noch in alter Kraftlosigkeit über ihm hin, so wandelte es darunter doch ohne Hemmung wie der Stern des anderen. Eine unnennbare süße, heiße Fülle empfand sie auch oft, wenn sie den Knaben küßte.

      Jäh

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