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      Plötzlich hielt er im Essen inne:

      „Nu, du wårscht åber doch krank?“

      „Da soll man nich krank wer’n.“

      „Wie meenst‘n dås?“

      „Ein aler Bär bist de!!“

      „Haha!“ Eine tolle Heiterkeit kam über ihn und er trommelte mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Tisch. — „Haha . . . då . . . då — . . . sä . . . mr . . . blos . . . haha . . . warum denn . . .“ vor Lachen sprach er ruckweise, brach aber jäh ab, als er auf Leonore sah.

      Sie saß starr aufrecht, bleich, und die Züge ihres feinen Gesichtes waren schneidend scharf.

      Er fürchtete sich plötzlich, gelacht zu haben, raffte sich aber doch auf und that schüchtern noch einmal die Frage:

      „Warum denn a Bär, hä?“

      „Weil du — hm — weil du in alles, aber auch in alles aso — so — so neipatscht.“

      Und als sie das in steigender Erregung hinausgeschleudert hatte, verhielt es ihr den Atem. Ein Ducken kam über sie, eine Furcht vor einem jähen Sprung. Und in dieser Furcht empfand Leonore eine merkwürdige strotzende Kraftfülle.

      Aber es geschah nichts. Griebel saß eine Weile betreten da. Dann lenkte er ein:

      „Nu bis och nie biese, Lorla!“

      Sie empfing einen entehrenden Rutenstreich und beklommen und schwer ging ihr Atem.

      Still wurde das Frühstück vollendet.

      Währenddessen erlag Leonore wieder ihrer Weichheit, und als Griebel Miene machte aufzustehen, eilte sie hin und griff nach seinem Überzieher.

      Indem sie das Kleidungsstück .von dem Ständer nahm, trat ihr Mann ganz nahe an sie heran: „Sieh‘ch ich wußt’s, Lorla, du bist doch gut.“ Sein warmer Atem streifte ihre Wange.

      Plötzlich hatte sie das körperliche Gefühl, er greife ihr unter die Arme, leicht neckend und doch mit Fingern, deren Zittern ein heißes Prickeln über ihre Haut rinnen ließ.

      Mit einem Schrei drehte sie sich um:

      „Aber Joseph, was machst du denn!?“

      „Nu gar, reen gar nischt. Du siehst‘s jå, ich stieh blos då. Warum schreiste denn?“

      Wahrhaftig, er stand da und kraute mit den Fingern der rechten Hand gemütlich seine feisten, langen Backen.

      „Nu ja. Da stehste da, wie ein Teemannla! — Da, nimm!“ erwiderte sie voll Verachtung, warf den Überzieher in seine Arme und ging erregt hinaus.

      „Wußt ichs doch, dåß dås bloß Krankheet is,“ sann Griebel hinter ihr her, beteuerte es sich außerdem mit einem Kopfnicken, sah noch einmal nach dem Knaben und verließ das Zimmer . . . . . . .

      „. . .åber ees wundert mich: daß se nie schlecht aussieht, wenn’s auch noch aso sehr mit‘r wirtschaft’t. Nee, s Gegenteel, se sieht gut aus, mecht ma sprecha — unberufa.“

      Er war vor die Hausthür getreten, hatte die rechte Hand über die Augen gelegt und sah zum Himmel empor. Dann ging er eigentümlich schnell in die Mitte der Gasse, warf einen forschenden Blick auf die Fenster seines Wohnzimmers und schritt beruhigt seines Weges. Unterwegs kehrte er in dem Laden seiner Schwiegermutter ein:

      „Guda Morgen, Mutter!“

      „Scheen guda Morgen, lieber Herr Schwiegersohn! — Na, was macht de Lordl?“

      „Deswegen komm ich eben her,“ und er erzählte alles. „De Krankheet håt sich jetze bei n‘r gedreht. Jetze hat sie de heeßa Nerven. Dås låß ich mir nie nahma. Wenn de zum Beispiel zu n’r sprechst: Lorla, dås is eene Semmel, då werd se steif, macht ronde, grußa Aja, wart’ ‘n Weile un schreit drnoch: då mecht ma krank wer‘n. Sieh‘ch dir se ån, wie se aussieht. Gieh ‚och månchmål een Schlag nieber. Ma weeß doch nie. Vorgesehn is immer besser wie nåchgedåcht.“

       * * *

      4

       Inhaltsverzeichnis

      In den schönsten Frühlingstagen verwandelt sich die lachende Klarheit des jungen Lichtes ohne erkennbare Veranlassung plötzlich in das unreine Quirlen eines schimmernden Luftstaubes. Dann erblickt man die ganze Welt wie durch angelaufene Fensterscheiben: Alles sieht weicher, müder aus, eine ganz leise Regung der Trauer liegt auf allem, und die Stimmen des süßen Raumes tönen verhüllt, aus Fernen, zaghafter, so wie das Schluchzen der Menschenrede einsetzt, mit einer leidenschaftlich heißen Schwäche.

      Gerade dieser Veränderung erlag auch Leonore, die in der Schlafstube sich auf einen Stuhl niedergelassen hatte. All ihre Sicherheit war zitternd, alle Helle unbestimmt, die Klarheit des Tages ihrer Pflichten gesetzlos geworden. Wie in Wolken eingehüllt saß sie. Der lange, gemessene Schritt ihres Mannes ärgerte sie nicht; er klang in ihrem Ohr noch, als er schon außer Hörweite war und verlor sich dann in dem Summen ihres Selbstempfindens wie ein verhauchendes Klingen. — So saß sie, die Hände im Schoß, und die Finger spielten eilig umeinander.

      Von Zeit zu Zeit nickte sie langsam, als wisse sie nun alles, und dabei wurden ihre Augen groß:

      „Ja, ja . . . das Leben, das Leben . . . ich weeß nie . . . ja, ja! . . .“

      Die eintretende Amme störte sie.

      „Wo is’n Gustla,“ frug sie in ihrer abgehetzten Manier.

      „Ich wer bei ‘m bleiben. — Geh du in die Küche und hilf dr Anna.“

      Und als die Amme kaum hinausgequirlt war, polterte das Dienstmädchen mit der Frage herein:

      „Soll ich ‘n s ganze Rindfleesch druffsetza?“

      „Nein, die Hälfte. Hack’s bei der großen Knoche weg. Das andre leg ein zum Sauerbraten.“

      Dann war sie wieder allein.

      Draußen fegte der Wind durch die Gassen, der unbändige Wind des Herbstes. Er riß den Leuten die Rede von den Lippen und lief lachend damit fort. Die Wimmerlaute lastgepeinigter Räder versetzten ihn in höchstes Entzücken, daß er sich hinter Häuserkanten tanzend drehte und ihnen nachäffte. Er warf mit Blättern und Sand um sich und schrie ungeschlachte Laute in offene Hausthore.

      Das große Griebelsche Haus brummte in seinen Lärm und man wußte nicht, ob aus Ärger oder vor Behagen.

      „Das geht ja tolle um,“ dachte Leonore und erhob sich, um nach dem Knaben zu sehen.

      Der aber schlief fest, die kleinen Fäustchen gegen die roten Wangen gedrückt.

      Bei dem Anblick empfand sie eine Freude, als lege ein weicher Schleier sich wohlthuend über ihren ganzen Leib.

      Sie rückte einen Stuhl zum Wagen und langte sich ihr Strickzeug herbei . . . .. Schlingen auf Schlingen hüpften von der glänzenden Nadel — traumhafte Kreislein, die sich lautlos zu einer unendlichen Kette in ihr spannen: . . . .. es ist ein schöner Hügel in einer gesegneten Weite. Die Wünsche blühen wie stille Blumen. Die Blätter der Bäume regen sich sacht. Das goldene Licht tropft von ihnen und sanfte Bäche trinken es mit glänzenden Augen.

      Einmal hörtest du ein Lied hinter dem Hügel. Das ist lange her.

      Nach Jahren kommst du wieder und sitzest und lauschest.

      Alles ist wie immer.

      Nur das Lied fehlt.

      Aber du bist nicht traurig; denn es hat doch einmal dir geklungen dort hinten und hängt noch immer stumm, mit seiner unnennbar süßen Geberde in der Luft um dich — über den stillen Blüten — den sachten Bäumen — den glänzenden Augen der sanften

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