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Arbeiten lag kein Plan. Sie staubte die Möbel ab, kehrte darauf die Stube und mußte dann noch einmal alles vom Staube reinigen. In voller Thätigkeit stehend, bemerkte sie, daß die Fensterscheiben blind seien. Sie rief nach Wasser und Putzlappen. Ohne die Ausführung des Befehles aber abzuwarten, lief sie in die Küche und begann mit den Vorbereitungen zum Mittagessen.

      „Mein Gott“, unterbrach sie sich, „da steht und liejt noch alles drieben in der Stube. Geh und trag Wasser in de Pfanne, Mädel, ich muß doch erscht drieben Ordnung machen,“ stürmte hinüber und begann aufs neue auszufegen.

      Ein fremder Zwang, der Wille ihres Mannes, wirkte in ihr und löste regellos die gewohnten Handgriffe aus, wie das Getriebe einer Maschinerie. Ein wirres Fieber war ihr Fleiß. Alle Verrichtungen drängten sich ihr auf einen Punkt zusammen. Kein Zielen war ihr Wille, eine Beängstigung, die sie trieb, daß sie mit zitternden Händen schaffte, mit bebenden Knien, keuchender Brust und glühenden Schläfen lief.

      So war wirklich ihre Fähigkeit zur Thätigkeit mit der Geburt des Kindes erloschen; die Spannung eines Lebens gewichen, das die Energie der Mutter ihr angewöhnt hatte.

      Mitten aus dem zwecklosen Wirbel ihres Schaffens sank sie erschöpft auf einen Stuhl und sah dumpf vor sich nieder, um sich schrill aufzureißen:

      „Alles liegt und steht noch da und ich setz’ mich hierher!“

      Sie sprang auf und sank wieder zurück.

      „Ich kann aber nich! — Ich k a n n nich! — Es geht n i c h!! — Mein Gott, was soll denn wer’n?!“

      Darauf brach sie in verzweifeltes Weinen aus.

      Wie einen beengenden Gürtel fühlte sie das Leben, in das sie sich auf das Gebot ihres Mannes begeben hatte. Es ist eintönig in seiner Vielgestaltigkeit und doch verworren und hart. Die weite Weichheit ihrer Seele zuckt wie im Krampf unter diesem unbarmherzigen Druck.

      Sie weiß, daß die Erfüllung ihrer Arbeiten ihre Pflicht ist, und vermag doch ihr Wesen in dieses Gebot nicht hineinzuzwingen. Mit Schrecken fühlt sie es zwischen den Fingern ihres Willens fortgleiten und hat zugleich das Gefühl wachsender Befreiung dabei: denn das, was in unräumliche Fernen schwimmt, ist sie selbst, ist das, woraus ihr wahres Leben sich Kraft trinkt. Die Beängstigung aber, die dem Fortebbenden nachruft mit zuckenden, schluchzenden Lauten des Weinens, weilt dort bei dem Leben der Menschen, das ihr stets so unbegreiflich vorgekommen ist.

      Sie empfindet mit schlaffer Freude, wie ihr strömender Schmerz die Kraft dieser Beängstigung bricht, daß das Gebot aus immer weiterer Entfernung, immer leiser nach ihr verlangt.

      Wie abschüttelnde, heraufarbeitende, tiefe Atemzüge genießt sie nun das befreiende Weinen. Endlich verschwinden die letzten Schatten der Gegenwart hinter dem Horizont ihrer Seele. Hinter einem weichen Schleier schimmere eine glänzende, stille Welt herauf, von schönen Ebenen, leisen Städten, sanften wunschlosen Menschen und einem Himmel, der mit seinen wandelnden Farben wunderbare Weisen singt.

      So zaubert das feinste Gefüge ihres Organismus im zeugenden Spiel von Berührung und Flucht das Abbild der streitenden, brutalen Welt, das ihr kraftloser Leib so siech in sich aufgenommen hat, noch von keinem starken Instinkt entzweit und verfeindet, noch von keinem Affekt zu einer heißen Forderung getrieben.

      In wachem Traumschlaf genießt sie die müden, sanften Wunder ererbter Schwachheit.

      Die Ellenbogen auf die Knie gestützt, die Hände andächtig gefaltet, sitzt sie regungslos da, mitten in der Stube. Der Besen liegt neben ihr. Mit weiten, schimmernden Augen starrt sie auf den Boden.

      Dann hört sie die langen, festen Schritte ihres Mannes die Stiege heraufkommen, im weiten, hallenden Flur immer stärker werden, die gegenüberliegende Thür aufgehen.

      „Wo is‘n die Frau?“ fragt ihr Mann hinein.

      „Ja ich weeß nie.“ Es ist des Dienstmädchens Stimme.

      „Is se offe?“

      „O ja.“

      „Und‘s Essen? s is doch gleich zwölfe.“

      „Wie sollte ichn fertig wer’n, wenn mir ålles alleene bleibt?“

      Leonore möchte aufstehen; aber alles ist ihr doch so gleichgültig, so unnötig. Sie vermag sich nicht loszureißen von dem Zwang, der sie beherrscht.

      Schon tritt ihr Mann herein, ärgerlich hustend, und seine großen Arbeitsschuhe treten noch härter auf. Er bleibt an der Thür stehen, dann schließt er sie langsam überlegend.

      Aber Leonore kann sich noch nicht erheben. Nun ist es ein Gemisch von Scham und Trotz, das sie regungslos auf ihrem Platze erhält.

      „Nu, wie is! — Gibts heute kee Mittagassa, he?“ platzt er rauh heraus, da sein Weib sich nicht rührt.

      Erschrocken fährt sie nun empor. — Kein Gruß und so hart? — Und mit ihren noch traumleuchtenden Augen, in denen es bange zu zittern beginnt, sieht sie ihn stumm an.

      „Wås siehst’n mich ån? — Wenn du krank bist, le‘ dich ins Bette. Wenn du offe bist, mach. Es vo beeda. Ich muß assa, wenn ich arbta wil.“

      Mit bebender Hand streicht sich Leonore die schönen, weichen Haare aus der Stirn.

      „Aber Joseph —“

      „Ach wås, ich . . . .“

      „Du! . . . Du — . . .“

      Das erstemal sagt sie das Wort wie einen Vorwurf, dann in Trauer, von Weinen halb erstickt. „Was, du willst mir doch nie etwan drohn?“

      „Ach Gott, nein, nein! — Ich will nichts, gar nichts, gar, gar nichts mehr.“

      Von Weinen geschüttelt, läuft sie hinaus.

      Nach kurzem Sinnen eilt er ihr nach und ruft gedämpft den Flur hin:

      „Lorla, här amål! — Ich håb dr wås mitgebracht, wås scheenes!“

      Aber sie verschwindet eilig auf der Treppe zum oberen Stockwerk. Im Begriff, ihr nachzueilen, bleibt er plötzlich stehen und schüttelt den Kopf: „Nein, Griebel, dås måchst du doch nich!“ Dann kehrte er zögernd in die Stube zurück.

      Aber es läßt ihm keine Ruhe. Nach einigen Rundgängen lehnt er sich ans Fenster, tritt aber bald hastig zurück und beginnt, wieder in der Stube auf und ab zu schreiten.

      „Hmhm — hmhm — ach wås — ja, ich muß doch assa! — — — nuch! — — ich wår doch nich extra böse! — vr wås is man ein Mån! — — — åber sie is eben doch noch krank, då . . . . . . . . . . Warum leeft sie naus?! Die hätt’ sich gewiß gefreut! —“

      Er zieht ein rotes Schächtelchen heraus und sieht hinein.

      Endlich überwindet er sich ganz:

      „Åh, sehn mr, wo sie is. Ich wer mirsch dådermit noch nich verderba, wenn ich auch amål nachgebe.“

      Dann steigt er in den oberen Stock.

      Die Thür zur alten Stube ist von innen verriegelt.

      „Lorla, dummes Weib, mach uf!“

      Es giebt keine Antwort.

      „Du, ich hab dr wås mitgebråcht, wås scheenes — — a Rengla.“

      Die Thür blieb verschlossen.

      „Ich bin wieder gut, ganz, ganz gut.“

      Kein Laut.

      Eine Weile überlegt er noch. Dann geht er wieder hinunter.

      „Ja, då muß sie halt ausbusta, hmhm! — Åber ich hätt’s nich gedacht von’r — Un jetz schon, un jetz schon-“ —

      — — —

      Als er draußen rüttelte und ein barmherziges Beben seine fette Stimme seelenvoll tief machte, riß Leonore ihr Gesicht aus den Händen. Die Thür wankt! Auf den Zehen eilt sie hin und stemmt

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