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abgemacht, er hatte sie gerade an diesem Morgen besorgen sollen.

      Aber Oskar Wünning tat nichts dergleichen. „Eine schreckliche Geschichte“, sagte er, ohne Susanne anzusehen, „mein Bruder und meine Schwägerin sind ganz außer sich …“

      Eigentlich hatte sie etwas anderes von ihrem Verlobten erwartet. Trost, Ermutigung, Zuspruch. Aber sie zeigte ihre Enttäuschung nicht. „Ja, es ist entsetzlich“, sagte sie.

      Oskar Wünning sah immer noch an ihr vorbei. „Wie konnte das bloß passieren?“

      In Susanne Schäfers weißes Gesicht stieg eine jähe rote Welle. „Es war nicht meine Schuld, du mußt es mir glauben, ich …“

      Er schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. „Ich weiß, Susanne. Ich wollte dir keinen Vorwurf machen.“

      „Es war ein Verhängnis, Oskar.“

      „Ja“, sagte er, „man hat den Fahrer gestellt. Fünfzig Meter hinter der Unfallstelle. Der Kerl muß betrunken gewesen sein.“

      „Wenn ich die Kinder bloß durch den Park zurückgeführt hätte!“ rief sie mit erstickter Stimme. „Wir hatten uns im Freibad verspätet, trotzdem … ich werde mir das niemals verzeihen.“

      Wieder fand er kein gutes Wort für sie. „Daß es ausgerechnet Rosel erwischen mußte …“, sagte er nur. Er klemmte die Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger, zerrte daran.

      „Sie war immer so lebhaft“, sagte Susanne.

      Er ließ die Hand sinken, setzte sich kerzengerade auf, starrte sie an — es war das erstemal, daß er ihr gerade in die Augen sah, seit er das Krankenzimmer betreten hatte. „Du willst doch wohl nicht etwa meiner Nichte die Schuld an dem Unglücksfall geben?“

      „Aber nein, Oskar“, sagte sie erschrocken, „natürlich nicht, nur …“ sie stockte, wagte nicht, weiterzusprechen.

      „Na, dafür bin ich dir immerhin noch dankbar“, sagte er mit einem Sarkasmus, der an ihm völlig ungewohnt war, „ich dachte schon …“

      „Nein, nein! Die Kinder befanden sich ja auf dem Zebrastreifen, hatten den Gehsteig schon fast erreicht! Wer konnte ahnen, daß …“

      „Du, als Lehrerin“, sagte er, sehr langsam, jede Silbe betonend, „hättest eine solche Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen müssen!“

      Susanne Schäfer zuckte zusammen, als wenn sie einen Schlag bekommen hätte, starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an, die fast schwarz vor Erregung waren.

      „Verzeih“, sagte er sofort, „verzeih, Liebling! Ich bin so durcheinander. Diese Aufregung … und diese Szene zu Hause, du kannst dir das nicht vorstellen! Ich weiß schon nicht mehr, was ich rede.“

      Sie glaubte ihm, weil sie ihm glauben wollte. „Ja, Oskar, ja … ich verstehe dich! Es ist … es ist alles so ungeheuerlich, daß man … man weiß einfach nicht, wie man sich dazu stellen soll.“

      „Wir alle brauchen Zeit, um damit fertig zu werden.“

      „Wann ist die Beerdigung?“

      „Übermorgen“, sagte er.

      „Bis dahin werde ich wieder auf sein.“

      Er legte die Stirn in Falten. „Du hast doch nicht etwa vor, zur Beerdigung zu kommen?“

      Sie sah ihn erstaunt an. „Warum denn nicht? Schließlich bin ich die Lehrerin …“

      „Ja, schon“ gab er widerwillig zu.

      „… und beinahe wäre ich Rosels Tante geworden!“

      „Gerade deshalb solltest du nicht …“ Er brach ab. „Mein Gott, Susanne, warum machst du es mir denn so schwer! Versuch doch zu begreifen!“

      „Was?“

      „Man würde in deinem Erscheinen eine Taktlosigkeit … sehen.“

      Ihre schmalen Hände verkrampften sich in das weiße Laken. „Das verstehe ich nicht“, sagte sie mühsam.

      „Sag lieber, du willst es nicht verstehen.“

      „Nein, wirklich …“

      „Deine Anwesenheit, Susanne, würde in allen … jedenfalls in den Eltern und den Familienmitgliedern der verunglückten Kinder … die schreckliche Wunde neu aufreißen!“

      Sie begriff immer noch nicht — alles in ihr sträubte sich dagegen zu begreifen. „Aber“, sagte sie mit zuckenden Lippen, „an meinen Anblick werden sie sich wohl oder übel wieder gewohnen müssen! Niemand kann von mir erwarten, daß ich mich in Luft auflöse oder in den Erdboden versinke!“

      „Das sollst du ja auch nicht. Nur … du mußt den Leuten Zeit lassen.“ Er begleitete diese Erklärung mit fahrigen Handbewegungen. „Die großen Ferien beginnen in wenigen Tagen. Bis dahin kannst du dich krankmelden. Und dann … na, dann verreist du einfach irgendwohin. Bis zu Beginn des neuen Schuljahres ist ja vielleicht schon wieder Gras über die ganze Sache gewachsen.“

      „Du willst mich los sein“, sagte sie tonlos.

      Er verzog das Gesicht. „Unsinn! Ich versuche nur, dir zu helfen.“

      „Indem du mich fortschickst!?“

      „Es ist doch nur zu deinem Besten, Liebling.“

      Noch nie hatte ihr das Kosewort „Liebling“ so verlogen geklungen wie in diesem Augenblick.

      „Mach mir doch nichts vor“, sagte sie hart, „ich bin dir gleichgültig.“

      „Susanne!“

      „Sonst wäre es nicht möglich, daß du unsere Verlobung einfach unter den Tisch fallenlassen könntest!“

      Er stand auf. „Du bringst es also tatsächlich fertig, in dieser Situation noch an eine Verlobungsfeier zu denken!“

      „Ich will keine Feier“, sagte sie wild, „ich habe sie nie gewollt, und das weißt du ganz genau! Ich möchte nur wissen, ob das wahr war, was du mir gesagt hast … ob du mich liebst! Aber nein, es kann nicht wahr sein, denn sonst würdest du jetzt ja bedingungslos zu mir halten, gerade jetzt, und nicht versuchen, mich abzuschieben!“

      „Solang du dich in diesem Zustand befindest“, erklärte er steif, „hat es wohl keinen Zweck, mich länger mit dir zu unterhalten!“ Er versuchte, seinen Zügen Würde und Überlegenheit zu geben, aber er konnte das unruhige Flackern seiner Augen nicht unter Kontrolle bringen.

      „Oskar!“ rief sie.

      „Bis bald, Susanne!“ Er näherte sich der Tür.

      Bis zur letzten Sekunde hatte sie sich an die Illusion geklammert, daß alles ein Irrtum sein müßte. Sie hatte gehofft, so heiß gehofft, daß er sie in die Arme nehmen, ihre Zweifel ersticken, sie seiner Liebe versichern würde.

      „Nein!“ schrie sie außer sich. „Geh nicht!“ Sie warf die Bettdecke ab, lief ihm nach — in einem knöchellangen gestreiften Krankenhausnachthemd, dessen Ärmel ihr über die Handgelenke rutschten.

      Oskar Wünning hatte die Klinke schon in der Hand, jetzt aber blieb er unwillkürlich stehen, wandte sich zu ihr um.

      Aber sie erreichte ihn nicht. Schon nach zwei Schritten taumelte sie, drehte sich um die eigene Achse und sank lautlos in sich zusammen.

      Er wollte hinspringen, aber er reagierte zu langsam. Sie schlug auf dem Boden auf, ehe er sie erreichte.

      „Susanne“, stammelte er entsetzt, „Liebling, Susanne …“

      Er wurde beiseite gestoßen. Dr. Herzog hatte das Zimmer betreten, überschaute mit einem einzigen Blick die Situation, beugte sich über das ohnmächtige Mädchen. „Da haben Sie ja was Schönes angerichtet“, sagte er grimmig.

      „Ich wußte ja nicht … ich wollte nicht …“

      Dr.

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