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mancher Freiersmann hielt um die Hand der „schönen Stormberg“ an. Leute, die Titel, Rang und Würden besaßen. Doch sie wählte keinen von den vielen, keinen, der junge Landschaftsmaler, der sich der paradiesischschönen Gegend wegen in Schneiditz niedergelassen, der hatte ihr‘s angetan, dem gab sie sich zum Weibe, er war ihr lieber als alle die adligen Herren. Und ob der Vater seine Einwilligung zuerst versagte, und ob die Mutter auch schalt und über Mädchentorheiten herzog, die Baronesse Stormberg gab nicht nach, bis sie Alex Berners Gattin geworden. Und wenn sie so nachdachte, bereut hatte sie es niemals, ihrem Herzen gefolgt zu sein. Ihr Mann war wohlhabend und hier, in der Residenz, wo sie geboren, stand hinter ihrem Namen noch immer der alte Name der Barone Stormberg. Wie ein Wall von Vornehmheit wehrte der den Troß der breiten Bürgerlichkeit von ihr ab. Ihr Mann war durch sie Galeriedirektor geworden, eins seiner früheren Bilder hatte ihm den Professortitel eingebracht, die Berners gehörten zu den Intimeren des Hofes. Ein ganz anderes Leben aber stand Else bevor. Not freilich, die würde ihr schönes Kind voraussichtlich nicht kennenlernen, denn die Mitgift, die man dem Mädchen mitgab, durfte nicht klein sein, aber eine andere Umgebung als die, in der sie groß geworden, erwartete Else und da ihre Tochter sie noch immer Antwort heischend ansah, sprach sie: „Wenn ich allerdings auch einmal genau so dachte wie du — so drücktest du dich doch aus —, so läßt sich zwischen einem Alex Berner und einem Walter Zernikow doch kein rechter Vergleich anstellen.“

      „Ich danke für das Kompliment im Namen meines gerade abwesenden Papas, jenes soeben in so schmeichelhaftem Sinne genannten Herrn Alex Berner“, lachte Else. Wozu sollte sie sich über die Art der Mutter, von Walter so herablassend zu sprechen, ärgern, die Mutter brauchte ihn ja nicht zu heiraten, ihren Walter, das wollte sie schon selbst besorgen. Das sieghafte Kraftgefühl, das nur die Jugend kennt, erhob sich in ihr und ließ ihr alles klein und gering erscheinen. Nur eines auf der weiten Welt war groß und wert erstrebt zu werden und das war jener Augenblick, an dem ihr Walter Zernikow den glatten goldenen Reif an den Finger stecken würde. Herrgott, wie schön lag doch das Leben vor ihr. Ganze Ströme von Gold drängten sich durch das breite Fenster und über Elses Blondhaar streiften die Sonnenfäden und verwoben sich mit ihm.

      Frau Magda ließ ihre Augen kühl abwägend über ihr schönes Kind gleiten und leise klang es in ihr: Jammerschade, so viel Schönheit wäre mit einer Fürstenkrone nicht zu teuer erkauft! Aber schließlich mußte sie sich damit abfinden, daß dieser entzückende Liebreiz hineinglitt in die engen Grenzen braver Gutbürgerlichkeit.

      Es klopfte, der Diener trat ein, um Frau Magda etwas zu fragen. Nachdem diese Frage erledigt war, warf die Frau leicht hin, ob Maurer nicht wisse, um was für eines Bildes willen sich ihr Mann so plötzlich nach Berlin begeben hätte.

      Maurer machte eine bedauernde Bewegung, das hieß, er habe keine Ahnung.

      „Hat denn mein Mann kein Wort zu Ihnen darüber gesagt?“ drang Frau Magda weiter in den Diener.

      „Ich weiß soviel wie gar nichts“, erklärte der Alte, „der Herr Professor sagte nur, er habe einen Wink bekommen, daß er aus einer Privatsammlung ein wertvolles Stück für die Galerie erwerben könne.“

      „Und wer meinen Mann auf das betreffende Bild aufmerksam machte, wissen Sie auch nicht?“

      Er verneinte. Nun durfte er gehen, und er tat das gern, der alte Maurer, denn die Art, in der die Frau Professor Fragen stellte, hatte etwas Inquisitorisches. Man kommt sich vor, als ob man vor einem strengen Richter stehe, dessen Fragen einen verlegen machen und einschüchtern, auch wenn man eigentlich gar nichts Unrechtes getan hat. So ähnlich war dem alten Diener aber fast immer in der Nähe der Frau Professor zumute.

      „Der weiß also auch nichts“, Frau Magda pflanzte sich kerzengerade vor ihrer Tochter auf, „und ihn, seinen Getreuen, zieht Papa sonst fast immer ins Vertrauen, sage mal, wie findest du das?“

      Die Angeredete lächelte nachsichtig: „Was soll ich denn finden, Mama?“

      „Ach, stelle dich doch nicht an, als wüßtest du nicht, was ich meine“, die Frau in dem weichen lila Schleppkleid hob abwehrend die Hand, als müsse sie irgendein Hindernis fortscheuchen, „diese plötzliche, allzuplötzliche Reise muß einen anderen Beweggrund haben als den, den dir der Papa angegeben. Dahinter steckt eine andere Geschichte, das liegt doch klar auf der Hand! Ich finde“, sie schwieg sekundenlang und sah dabei auf ihre glänzend gepflegten Fingernägel nieder, als müsse sie davon ablesen, was sie sagen wollte, „ich finde diese Reise direkt mysteriös.“

      „Aber, liebe Mama, was du heute alles findest. Vorhin sprichst du von Geheimniskrämerei, jetzt nennst du Papas harmlose kleine Reise mysteriös“, um Elses Mundwinkel zuckte leichter Spott.

      „Nun, wenn du dir die Mühe gäbest, ein bißchen nachzudenken, würdest du diese Reise entschieden ebenfalls mysteriös finden“, wieder wanderte sie schnell über den weichen Teppich, „doch wozu soll ich mir den Kopf zerbrechen“, sprach Frau Magda stehenbleibend in ruhigerem Tone weiter, „ich will jetzt gehen und ein paar wichtige Briefe schreiben.“

      „Ich werde das gleiche tun“, sagte Else sich erhebend.

      „Wahrscheinlich an —“

      „An Walter will ich schreiben, Mama“, vollendete das junge Mädchen, „ich bin ihm einen Brief schuldig, durch die Vorbereitungen zum Ball bin ich ein paar Tage lang nicht zum Schreiben gekommen.“

      „Ich wundere mich überhaupt, daß du den Ball mitgemacht hast“, warf Frau Magda ein.

      „Du wünschtest es doch, liebe Mama, und da ich noch nicht öffentlich verlobt bin, konnte ich gut deinem Wunsche Folge leisten.“

      Frau Magda erwiderte nichts mehr und verließ das Zimmer. Es war wirklich schade um jedes weitere Wort, das sie verlor. Wenn das törichte Mädchen, wie sie Else bei sich nannte, gewußt hätte, welche Hoffnungen sie an den gestrigen Hofball geknüpft hatte. Hatte sie doch gemeint, in dem glanzvollen Rahmen des Hofballes würde die Gestalt des eleganten Barons Tomwitz die Erinnerung an den einfachen Ingenieur wieder verblassen lassen. Früher bevorzugte Else doch den Baron sichtlich, und ohne diese Reise nach Nauheim wäre auch wahrscheinlich alles so gekommen, wie es sich Frau Magda ersehnte.

      Ach, diese Nauheimer Reise, wie sie die verwünschte! In ihrem Zimmer angelangt, ließ sich die schöne Frau auf das inmitten des Raumes stehende bequeme Ruhebett nieder. Zum Briefeschreiben verspürte sie wenig Lust. Die Arme über dem Kopf verschränkt, lag Frau Magda auf dem mit Fellen bedeckten Ruhebett und ihre großen Augen halb geschlossen, dachte sie darüber nach, wie das in Nauheim alles so gekommen war. Genau besehen war es eine ganz einfache Geschichte: Von Doktor Murtag wurde ihrem Manne, seines Herzleidens wegen, Nauheim als Kuraufenthalt empfohlen, sie und Else begleiteten ihn dorthin. Mit ihnen, in der gleichen Pension, wohnte der Ingenieur Walter Zernikow aus Berlin. Ihr Mann unterhielt sich gern mit dem Ingenieur, der an Else sichtlich großes Gefallen fand. Und Else, die sich sonst Herren gegenüber wenig entgegenkommend verhielt, schien die Gesellschaft des Berliner Ingenieur jeder anderen vorzuziehen. Als sie, die Mutter, endlich merkte, wie die Dinge standen, war es bereits zu spät, zwei junge Menschenherzen brannten in lichterlohen Liebesflammen. Ihr Mann war ganz auf Seite der beiden Liebesleutchen, und so sehr sie sich anfänglich dagegen gesträubt hatte, in eine Verlobung ihrer Tochter mit dem Ingenieur zu willigen, es nützte ja doch nichts, endlich mußte sie doch nachgeben, zwei so harten Köpfen gegenüber, wie sie Vater und Tochter besaßen, konnte sie auf die Dauer keinen Widerstand leisten. Sie hatte nachgegeben, aber immer noch trug sie die stille Hoffnung mit sich herum, Else würde sich‘s doch noch überlegen. Nun mußte sie endlich auch diese Hoffnung begraben. Weihnachten würde die Verlobung stattfinden, so war es ausgemacht. —

      Aber bis Weihnachten waren es noch zwei Monate hin, was konnte sich nicht noch in dieser Zeit ereignen, und vor dem verabredeten Termin sollten sich die Liebenden nicht sehen, nur schreiben durften sie sich, das hatte sie sich ausbedungen. Ein Lächeln schürzte die Lippen Frau Magdas, nein, sie wollte weiter hoffen, es blieben ihr ja noch volle zwei Monate Frist.

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