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trat er in die Saaltür, um einen Augenblick dem Tanze zuzusehen. Eben flog seine blonde Tochter am Arme des Barons Tomwitz vorüber. Der hübsche Leutnant machte ein so vergnügtes Gesicht und lachte mit dem jungen Mädchen. Er wußte ja noch nicht, daß für seine Liebe keine Hoffnung mehr bestand. Woher sollte er das wissen, was wohl noch keiner in der Residenz wußte, daß sich die vielbegehrte Else Berner in dem lieblichen Nauheim mit einem einfachen Ingenieur versprochen.

      Seine Else, sein Sonnenkind, hatte sich entschieden, und er würde ihr kein Hindernis in den Weg legen, wie es seine Frau noch immer versuchte, der ein Baron von Tomwitz als Freier für die schöne Tochter begehrenswerter erschien. Ein Ingenieur Zernikow wollte ihr nicht recht behagen. Aber sie würde sich wohl damit abfinden müssen, er lächelte leicht, denn Else hatte seinen eigensinnigen Kopf geerbt. Da, jetzt kam sie noch einmal an ihm vorbeigewirbelt, ihre Augen fanden ihn und grüßten ihn. Herrgott, wie schön das Mädel war! Voll stolzer Vaterfreude sah er den Davontanzenden nach. Sein Mädel, sein Liebling, die sollte einmal recht, recht glücklich werden, das war sein heißester Wunsch.

      Hofrat von Weiden klopfte ihm auf die Schulter: „Na, Professor, sehen Sie auch ein bißchen dem Herumgehüpfe zu? Glückliche Jugend!“ seufzte er mit einem Blick auf die Tanzenden und dann seinen Arm leicht unter den Berners schiebend, setzte er hinzu: „Kommen Sie mit, wollen ein wenig die Büfette plündern, ich habe ‘nen Mordshunger.“

      Nachdem man sich an einem der kleinen Tische neben den riesigen Büfetten niedergelassen, winkte der Hofrat einen der Lakaien heran und gab ihm eine Bestellung auf. Bald standen einige appetitliche Brötchen und ein paar Glas Sekt vor den Herren.

      „Sagen Sie, Professor, fürchten Sie sich nicht ein bißchen vor all den Ehrungen, die in wenigen Tagen über Sie hereinbrechen werden“, meinte Herr von Weiden behaglich kauend.

      „Man muß es eben ertragen“, gab der andere freundlich zurück.

      „Die Stunde geht auch durch den schlimmsten Tag“, zitierte der Hofrat lachend, „nicht wahr, so denken Sie?“

      „Ungefähr so“, bestätigte der Professor. Einige andere Herren traten herzu und man redete über allerlei. Plötzlich sagte der Hofrat unvermittelt: „Wissen Sie übrigens schon, daß man den alten Thomas wieder am Eingang zur Galerie gesehen haben will?“

      „Was?“ Professor Berners Gesicht veränderte sich jäh, als zeige sich ihm ein Medusenhaupt, so starrte er den Sprecher an.

      „Aber Professorchen, wie sehen Sie denn aus!“ Hofrat von Weiden blickte verwundert: „Sie werden doch nicht etwa solche Ammenmärchen glauben.“

      „Ammenmärchen! Sie haben recht“, lachte der Professor, aber es klang seltsam erzwungen. Was war‘s nur, was ihm bei den Worten des Hofrats plötzlich fast den Atem geraubt hatte, auch sein Herzklopfen setzte schmerzhaft ein.

      „Was heißt das, man will den alten Thomas wieder am Eingang zur Galerie gesehen haben?“ fragte einer der Herren.

      Der Hofrat zog die Augenbrauen hoch: „An dieser Frage merkt man, daß Sie erst seit kurzem bei uns leben, Herr von Pettow, denn unsere Residenzler wissen alle, wer der alte Thomas ist.“

      „Darf man es, wenn man recht schön bittet, nicht auch erfahren?“ sagte der mit dem Namen „von Pettow“ Angesprochene.

      „Warum nicht? Ich wenigstens wüßte keinen Hinderungsgrund“, war die Erwiderung.

      Der Professor erhob sich: „Ich will einmal nach Gattin und Tochter sehen, mich entschuldigen die Herren wohl gütigst, wenn ich keine Lust verspüre, mein eigenes Todesurteil mitanzuhören.“ Wieder lachte er gezwungen und fort war er.

      „Sein eigenes Todesurteil?“ sagte Herr von Pettow in gedehnter Frage und machte ein kurioses Gesicht, als ob er an dem Verstand des Fortgegangenen zweifelte.

      Der Hofrat zuckte die Achseln: „Hätte ich gewußt, daß der gute Professor ein Ammenmärchen tragisch nimmt, hätte ich geschwiegen, doch nun ist‘s egal. Also hören Sie die Geschichte vom alten Thomas.“ Er lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück. „Der erste Schneiditzer Galeriedirektor hieß Baron Thomas, er soll mit dem damaligen Herzog die Urkunde aufgesetzt haben, die verlangt, daß der jeweilige Direktor nach fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit sein Porträt zu stiften habe, das aber nach dem Tode des Direktors von der Familie desselben beansprucht werden kann. Drei Direktoren hängen jetzt in der Galerie, die fünfundzwanzig Jahre in ihrer Stellung erreicht haben. Den Anfang mit seinem Bild machte Baron Thomas selbst. Sein Bild zeigt ein liebes, altes, faltiges Männergesicht, in zopfgeschmückter Puderperücke, und nun geht hier die Sage, einige Tage vorher, ehe der derzeitige Direktor stirbt, würde der alte Thomas am Eingang zur Galerie gesehen, so, wie er auf seinem Bilde dargestellt ist. Jetzt will man ihn wieder gesehen haben, also —“ er schwieg.

      „Also wäre jetzt an den Professor die Reihe gekommen, zu sterben“, vollendete einer der Herren.

      Pettow schüttelte den Kopf: „Ein Ammen märchen, gewiß, nicht mehr, aber ich, Herr Hofrat, hätte dem Professor nicht erzählt, daß der alte Thomas wieder spuken soll.“

      „Ich bitte Sie, warum nicht“, wehrte sich der Hofrat, „er ist doch kein bleichsüchtiger Backfisch.“

      „Das allerdings nicht, aber ein nervöser, herzleidender Mann.“

      Der Hofrat zuckte nachlässig die Achseln, als hielte er es nicht der Mühe wert, darauf etwas zu erwidern. —

      Der Professor hatte inzwischen seine Frau aufgesucht. Es war nicht so leicht, ihrer habhaft zu werden. Er fand sie in ein lebhaftes Gespräch mit einigen bekannten Damen vertieft, und sie schaute verwundert auf, als ihr Mann plötzlich vor ihr stand. „Laß dich nicht stören, liebste Magda“, lächelte er, „ich will dir nur sagen, daß ich jetzt nach Hause gehe, mich quält mein Kopfweh wieder so arg, daß ich mich gerne bald zur Ruhe begeben möchte. Du brauchst dich aber meinetwegen nicht zu sorgen“, fuhr er fort, „bleib du nur mit Else noch hier, der Wagen holt euch ja zur bestimmten Zeit ab.“

      „Armer Alex, du tust mir sehr leid“, Frau Magda Berners schönes Gesicht blickte ihn voll Teilnahme an, „aber wenn du jetzt fort willst, müßtest du ja zu Fuß heimkehren und es ist doch schon ziemlich spät.“

      „Auf dem Schloßplatz stehen heute sicher ein paar Taxis, aber ich will gar nicht fahren, das Zufußgehen wird für mich besser sein, denke ich“, gab er zurück, „übrigens ist ja das Wetter wundervoll, und frische Luft ist für meine Kopfschmerzen ein gutes Linderungsmittel. Von Else will ich mich lieber gar nicht verabschieden, um ihr nicht vielleicht die Tanzfreude zu vergällen.“

      Seine Frau nickte: „Das ist recht, Alex, man soll der Jugend ihr Vergnügen nicht stören“, sie reichte ihm die Hand: „Ich wünsche dir vor allem gute Besserung.“

      Als sich der Professor in der Garderobe Hut und Mantel geben ließ, stürzte plötzlich Hofrat von Weiden mit flüchtigem Gruß an ihm vorüber und den Paletot über den Arm nehmend, eilte er hinaus.

      „Man meint, beim Herrn Hofrat tät‘s brennen“, flüsterte ein Diener seinem neben ihm stehenden Kollegen zu.

      Langsam trat Berner aus dem Schlosse. Dunkel lag der große Schloßpark, in der Ferne verklang Wagenrollen. Jedenfalls saß der Hofrat in diesem Wagen, mußte der Professor denken. Der hatte es wahrhaftig allzueilig gehabt und dabei fiel ihm dessen Bemerkung ein, daß man den alten Thomas wieder am Eingang zur Galerie gesehen haben wollte. Das alte Märchen tauchte wieder auf. — Wahrscheinlich, es war lachhaft und doch, — nein, er vermochte nicht darüber zu lachen und es war jedenfalls taktlos von Weiden, derartiges in seiner Gegenwart zu erwähnen. — Natürlich, dem Hofrat konnte es schon angenehm sein, wenn die Sage vom alten Thomas recht hatte, dann wurde ja der gutbezahlte Posten des Galeriedirektors frei für den Maler Hans Welschmann, des Hofrats ein wenig leichtlebigen Schwiegersohn, der sich schon vor einem Jahre mit Erfolg darum beworben hatte. Damals, vor einem Jahre, bekundete er selbst einmal die Absicht, zurückzutreten, er fühlte sich in jener Zeit sehr leidend und den Anforderungen seiner Stellung nicht recht gewachsen. Aber dann, als sich sein Leiden besserte, blieb er

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