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Über den Tod hinaus. Anny von Panhuys
Читать онлайн.Название Über den Tod hinaus
Год выпуска 0
isbn 9788711592281
Автор произведения Anny von Panhuys
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„So!“ Ganz langgezogen brachte Maurer dieses „so“ hervor, „aber Sie fühlten sich doch gestern gar nicht wohl, Herr Professor und“ — er stockte eine Sekunde, um dann rasch fortzufahren: „da wäre es doch besser, Sie schöben die Reise noch einige Tage auf.“ Er sah dabei den Professor an, als hätte er soeben eine besondere Weisheit verkündet. Daß er sich aber in dieser Ansicht entschieden getäuscht hatte, verriet ihm die Antwort seines Herrn.
„Sie müssen doch eigentlich wissen, Maurer, daß sich solche Reisen nicht aufschieben lassen. Ganz unter der Hand bekam ich einen Wink, daß ich Gelegenheit hätte, ein wertvolles Gemälde aus einer Privatsammlung zu erstehen. Wenn erst andere Interessenten Witterung von der Sache erhalten, komme ich natürlich zu spät.“
Schuldbewußt senkte Maurer den Kopf. Gewiß, was Professor Berner da zuletzt sagte, das hätte er wissen müssen, wozu war er denn seit zwanzig Jahren Diener bei einem Galeriedirektor. Und ohne noch ein Wort zu sagen, ging er daran, den Koffer zu packen.
Der Professor blieb allein im Eßzimmer zurück. Er goß sich noch ein Täßchen Tee ein und las dabei ein paar Briefe, die mit der ersten Post bestellt worden waren.
Hinter ihm ging plötzlich die Tür, rauschten leichte Frauengewänder und mit fröhlichem „Guten Morgen, Papa!“ reichte ihm seine blonde Tochter die Rechte. „Ich war eine rechte Langschläferin heute“, plauderte der kleine, rote Mädchenmund und dem Vater gegenüber Platz nehmend, strichen die hübschen, schlanken Hände ein Brötchen. „Ich habe einen Wolfshunger“, lachte Else Berner und biß mit sichtbarem Behagen in das Gebäck. „Mama schläft noch ganz fest“, berichtete sie und dann von einem Gedanken erfaßt, sagte sie, den Vater besorgt ansehend: „Wie geht es dir, Papa, Mama erzählte mir gestern, daß du den Ball so früh verlassen, weil du Kopfweh gehabt hättest?“
„Danke, mein Kind, es ist vorüber, ich bin wieder ganz auf dem Damm“, er sah das reizende Gesicht ihm gegenüber lächelnd an, „so wohl fühle ich mich, daß ich sogar heute nach Berlin fahren will, eines Gemäldeankaufs wegen.“
„Ah!“ Else ließ die gehobene Hand, die das kleine Täßchen zum Munde führen wollte, wieder sinken, „davon hast du uns ja gestern gar nichts gesagt?“
„Gestern?“ — Er schien einen Augenblick bestürzt über die Frage, doch gleich darauf lächelte er: „Ja, Fräulein Tochter, gestern wußte ich selbst noch nichts von dieser Reise, wenigstens erfuhr ich es erst spät abends.“
„Das ist etwas anderes, dann bist du natürlich entschuldigt.“ Else machte ein drollig wichtiges Gesicht.
„Heißen Dank!“ Der Professor verbeugte sich neckend.
„Hat denn der Herr Galeriedirektor noch nicht Schätze genug in der Schneiditzer Galerie hängen?“ forschte das junge Mädchen.
„Nein, mein Mädelchen, immer noch nicht genug und unser Ländchen besitzt genügend Mammon, sich noch eine Menge Schätze zuzulegen“, ein wenig abwesenden Tones sagte es der Professor, und dann sprach er plötzlich und sah Else dabei ernst in die Augen: „Sag mal, mein Kind, wenn ich sterben sollte, würdest du mein Bild aus der Galerie beanspruchen?“
„Aber Papa, wie kommst du nur darauf?“ lautete die maßlos erstaunte Gegenfrage.
„Gott, Kindchen, man kann doch nicht wissen, wie lange man lebt, — es ist ja auch nur so eine Frage“, er rückte verlegen an dem vor ihm stehenden Teller, „es ist so eine müßige Frage, deren Beantwortung von Interesse für mich ist, weil ich gestern mit dem Herzog über dieses Thema sprach.“
„Und was sagte der Herzog?“
„Er meinte, die Familieneitelkeit sei größer als die Familienliebe, und das Bild eines Familienmitgliedes, das in der Landesgalerie hängt, repräsentiere doch ganz anders, als eins über dem Sofa im Salon.“
Else warf in drolligem Schmollen die Lippen auf: „Der Herzog, der sich zwanzigmal von berühmten Malern abkonterfeien läßt, um jedem Mitglied seines Hauses ein Bild zu spenden, redet wie der Blinde von der Farbe. Wenn man bloß ein so famoses Bild von seinem Väterchen besitzt, läßt man das, wenn man nicht dazu gezwungen ist, nicht in der Galerie hängen, wo es allen neugierigen, fremden, teilnahmlosen Menschenaugen preisgegeben ist, und Mama denkt sicher ebenso wie ich.“ Ihre Stimme bebte ein wenig, als sie schloß: „Doch, wozu davon sprechen, noch bist du ja bei uns, Papa, und wirst auch hoffentlich noch recht lange bei uns bleiben“, sie lächelte zwar, doch in ihren Augen war ein verdächtiges Leuchten wie von niedergezwungenen Tränen.
Gerührt bemerkte es Professor Berner und um das Thema abzubrechen, er wußte ja nun, was er wissen wollte, sagte er leichthin: „Wenn die Mama nicht bald zum Vorschein kommt, muß ich abfahren, ohne ihr Adieu zu sagen.“
„Vorhin schlief sie noch sehr fest.“
„Da ist‘s besser, sie nicht zu stören, bestelle ihr meine besten Grüße und ich sei übermorgen mittag wieder zurück“, der Professor stand auf, „ich will mich nun zurechtmachen, mit dem Packen wird Maurer inzwischen auch wohl fertig sein.“
„Darf ich dich zur Bahn begleiten, Papa?“ fragte das junge Mädchen, sich gleichfalls erhebend.
„Gewiß, Else“, erwiderte er und nickte ihr freundlich zu.
Else Berner hatte sich schnell angekleidet. Ein schlichtes, tadellos sitzendes Jackenkleid hob die Vorzüge ihrer schlanken, geschmeidigen Figur noch besonders hervor und der große Filzhut, mit dem graziösen gelbgetönten Reiher, brachte das zarte, feingeschnittene Gesicht, um das sich das blonde Haar in tiefen Scheiteln legte, zu entzückender Geltung. Arm in Arm mit ihr wanderte der Professor dem Bahnhof zu. Es war ein sommerheller, herrlicher Herbstmorgen, eine köstliche Frische war in der Luft und ein feiner, hellgrauer Reif lag auf den letzten Blättern der Alleebäume.
Rauhreif schimmerte auf den Ästen und in der Sonne blitzte es auf wie unzählige Funkelkristalle.
Auch von den Dächern glitzerte die kristallene Pracht und zauberte über schlichte Ziegelsteine oder regenverwaschene Schiefer ein Mosaik von abertausend von kleinen Brillanten.
Maurer war bereits mit der Handtasche vorangegangen. Der Professor warf einen Blick auf seine Uhr und trotzdem er feststellte, man habe nicht mehr allzuviel Zeit, wurden seine Schritte langsamer. Man ging gerade an der Galerie vorüber und Berners Augen suchten den Ort, wo er diese Nacht den alten Thomas gesehen zu haben vermeinte.
In dem großen Haupteingang hatte die Erscheinung gestanden. Jetzt, bei dem klaren Tageslicht, sahen die Ereignisse der Nacht völlig verwandelt aus. Eine Wahnvorstellung hat mich erschreckt, sagte sich der Professor, wie er es sich schon gestern gesagt, aber heute war mehr Sicherheit in seiner Feststellung. An einem so klaren, heiteren Herbstmorgen mußte auch der letzte Rest von gespenstersehendem Aberglauben zerflattern. Ein Frohgefühl erfüllte des Professors Brust, wovor er sich erschreckte, war wirklich nur eine Ausgeburt seiner überreizten Nerven und des erregten Blutes gewesen. Ein ernster, sinnender Ausdruck trat jäh in sein Gesicht. War der Grund, deswegen er die heutige Reise unternahm, vielleicht auch nichts weiter als eine Ausgeburt seiner überreizten Nerven, diese plötzliche Reise, die er mit einem Bilderkauf zu erklären versucht hatte. Er dachte ja gar nicht daran, ein Bild zu erstehen, seiner Reise nach der Reichshauptstadt lag eine andere Absicht zugrunde. Vielleicht war es eine Torheit, die er im Begriffe war zu tun.
Vielleicht? Aber er konnte nicht anders. Seit dem Gespräch mit dem Herzog verfolgte ihn ein Gedanke und er mußte diesen Gedanken, dem die schlaflose Nacht erst Form gegeben, aüsführen. Und weshalb sollte er es nicht tun, konnte sein Tun doch für seine Familie gar keine schlimmen Folgen haben, denn Frau und Tochter liebten ihn ja und in der Sicherheit dieser Überzeugung brauchte er nicht zu schwanken, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Am Bahnhof verabschiedeten sich Vater und Tochter sehr zärtlich voneinander, der Professor bestieg ein Abteil zweiter Klasse, in das der Diener bereits den Handkoffer hineingestellt.
„Ihre Tabletten habe ich auch eingepackt, Herr Professor“, flüsterte Maurer seinem