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du ja jetzt getan.« Weil ich nicht wusste, wohin mit meinen Händen, nippte ich betont gelangweilt an meinem Bier. Josh sollte auf keinen Fall merken, wie sehr mir unsere Unterhaltung zusetzte. Die Erinnerung an seine Berührungen war noch zu frisch, als dass ich sie einfach so hätte verdrängen können. Schon gar nicht, wenn er so dicht neben mir stand, dass seine Schulter bei jedem Atemzug gegen meine stieß.

      »Man könnte das Gefühl haben, dass du mich loswerden willst.« Ich musste sein Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass sich darauf ein Grinsen abzeichnete, das dieses Grübchen auf seiner linken Wange zum Vorschein brachte.

      »Könnte daran liegen, dass es genauso ist.« Schulterzuckend drehte ich den Kopf, was sich sehr schnell als Fehler herausstellte. Als ich mich zu ihm umdrehte, war er mir so nah, dass unsere Lippen nur wenige Zentimeter trennten.

      Joshs Atem tanzte bei seinen nächsten Worten federleicht und warm über meine Haut. »Ich wollte dir sagen, dass es mir leidtut, Em.«

      Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Vorstellung, dass er sich für unsere gemeinsame Nacht entschuldigen wollte, ließ mich erstarren. Vielleicht war er doch betrunken gewesen, obwohl er vollkommen nüchtern gewirkt hatte. Vielleicht bereute er diese Nacht genauso wie ich. Nur aus anderen Gründen.

      »Wobei es nicht wirklich eine Entschuldigung ist.« Josh fuhr sich mit der Hand über die Schläfe und wirkte dabei so unsicher, wie ich es nicht oft an ihm gesehen hatte. »Es ist mehr eine Erklärung.«

      »Du musst mir nichts erklären.« Was auch immer es war, ich wollte es nicht hören.

      »Das weiß ich, aber ich möchte es.«

      Es kostete so viel Kraft, wütend auf ihn zu sein. Über Jahre wütend auf ihn zu sein, für etwas, das passiert war, als ich sechzehn gewesen war. Nur mit Hilfe dieser Wut konnte ich es überhaupt ertragen, ihn zu sehen, mit ihm zu sprechen und ihm wieder nah zu sein. Diese Wut war es, an die ich mich klammerte und die mir Kraft gab, während er den Kopf schief legte. »Letzte Woche im Coffeeshop mit Lilly ... Ich mache so was nicht.«

      Lilly? Es ging hier um seine Tochter? »Du machst was nicht?«

      Seine Brust hob und senkte sich unter zwei tiefen Atemzügen. »Ich stelle ihr keine ... Frauen vor.«

      Stumm wie ein Fisch, dazu mit Augen vermutlich so groß wie Untertassen, sah ich ihn an, während er auf seine Lippe biss. »Nicht, dass es viele gewesen wären in den letzten Jahren, aber Lilly soll sich an niemanden gewöhnen, wenn es nicht sicher ist, dass diese Person auch dauerhaft in ihrem Leben bleibt.« Er legte den Kopf in den Nacken und seufzte. »Ich mache es mit jedem Wort schlimmer, oder?«

      Tat er das? Was genau ich von dieser Offenbarung halten sollte, wusste ich nicht. Das zwischen uns war ein einmaliger Fehler gewesen. Es gab keinerlei Grund, überhaupt daran zu denken, dass ich seine Tochter jemals kennenlernen würde. Sie hatte im Coffeeshop niedlich ausgesehen. Wie ein Kind eben. Und mit Kindern hatte ich nie viel zu tun gehabt. Das wollte ich in naher Zukunft nicht ändern. Schon gar nicht mit Joshs Tochter.

      »Lilly ist sehr anhänglich. Wenn sie einen Menschen in ihr Herz schließt, dann mag sie alles an ihm, und das am besten für immer.« Beim Gedanken an seine Tochter schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Ihr würdet euch gut verstehen.«

      Mit wirklich vielen Dingen hatte ich gerechnet, aber nicht damit, dass Josh mir erklärte, warum er mir seine Tochter nicht vorstellen wollte. Dieser Grundsatz machte ihn vermutlich zu einem guten Vater, auch wenn der Gedanke, dass er seine Affären vor ihr versteckte, einen sehr faden Beigeschmack hatte.

      »Rede mit mir, Em.«

      »Was willst du hören?« Hilflos suchte ich nach Worten. »Ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich sie kennenlernen werde.«

      »Ja, das dachte ich mir.« Dieses Mal lächelte er nur halbherzig. »Du hast jedes Recht der Welt, mich zu hassen. Das weiß ich. Aber wenn du das vielleicht nicht tun würdest, wäre das ...« Den Rest des Satzes ließ er ungesagt.

      Während ich in das warme Braun seiner Augen starrte, wurde mir schlagartig bewusst, was hier gerade passierte. Ich geriet wieder in seinen Bann. Wie damals. Josh schaffte es, mich mit ein paar netten Worten und einem Lächeln einzulullen, bis ich vergaß, wer wir waren und warum es zwischen uns nie funktionieren würde. Vor vier Jahren hatte es genauso angefangen. Noch einmal würde ich es mir nicht erlauben, auf seine falschen Versprechungen hereinzufallen. Ich hatte Joshua Sanders einmal überstanden, ich war nicht stark genug für ein zweites Mal.

      Ruckartig stieß ich mich von der Wand ab, ließ ihn stehen und flüchtete, so schnell mich meine Füße trugen.

      Annie öffnete die Tür nach dem zweiten Klopfen und sah mich aus großen, verschlafenen Augen an. Sie trug einen riesigen, rosa Pyjama mit unzähligen Katzen darauf. »Habe ich dich geweckt?« Daran hätte ich denken sollen, bevor ich sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Sie war Frühaufsteherin, keine Nachteule wie Grace und ich.

      »Nein, ich war noch wach.« Gähnend schüttelte sie den Kopf, und ich ahnte, dass ihre Antwort nicht der Wahrheit entsprach. »Komm rein.«

      »Sicher?«

      Stumm trat sie einen Schritt zur Seite und hielt mir die Tür noch ein Stück weiter auf.

      Ich schlüpfte an ihr vorbei in das kleine Wohnzimmer, das sie sich mit ihrer Mitbewohnerin teilte. In der Wohnung war es mucksmäuschenstill. »Ist Marsha nicht da?«

      »Sie übernachtet bei einem Kenneth oder Keith. Ich habe den Namen vergessen.« Annie ließ sich in ihrem wundervollen Katzenpyjama auf die Couch fallen. »Wo ist Grace? Wolltet ihr nicht zusammen zu dieser Party?«

      Seufzend setzte ich mich neben sie. »In Chicago. Sie hat einen spottbilligen Flug gefunden und konnte sich das Angebot nicht entgehen lassen. Also bin ich allein gegangen.«

      Annie musterte mich mit leicht schief gelegtem Kopf. »Soll ich raten, was passiert ist?«

      »Sieht man mir das so deutlich an?« Frustriert ließ ich mich tiefer in die Polster sinken. Diesen Abend hatte ich mir komplett anders vorgestellt.

      »Ja. Und bevor du mir erzählst, was er getan hat, mache ich uns einen Tee, okay?« Sie stand auf und steuerte die kleine Küche an, die direkt ans Wohnzimmer grenzte.

      »Du hast nicht zufällig Alkohol da?«

      »Nein, aber etwas Besseres.« Ich hörte sie in der Küche hantieren, bevor sie mit zwei dampfenden Bechern und einer riesengroßen Tafel Schokolade zurückkam. »Ich weiß nicht, wie gut Alkohol Probleme löst, aber Zucker ist eine wunderbare Hilfe in allen Lebenslagen.« Annie stellte den Tee vorsichtig vor mir ab, bevor sie sich wieder neben mich setzte und leise schlürfend den ersten Schluck von ihrem nahm.

      »Du warst noch nie betrunken?«

      »Nein.« Sie schüttelte fast entschuldigend den Kopf. »Das steht auf der langen Liste von Dingen, die ich noch tun will und werde.«

      »Es gibt eine Liste?« Davon hatte sie noch nie erzählt.

      »Ja, aber die ist unvollständig und eigentlich auch belanglos.«

      »Was steht da so drauf?« Auch wenn sie behauptete, dass diese ominöse Liste keine große Bedeutung hatte, war ich schrecklich neugierig. Und so lange wir über Annie redeten, musste ich mich nicht mit Josh auseinandersetzen.

      »Ach, alltäglicher Kram.« Sie zog die Beine an und schlang die Arme um ihre Knie. »Einen Jahrmarkt besuchen, nachts am Strand sitzen, einen Horrorfilm ansehen. Solche Sachen halt.«

      »Einen Strand herbeizuzaubern wird schwierig, aber ein gruseliger Film wäre kein Problem.« Vielleicht konnte ich ihr nicht bei allen Dingen auf ihrer Liste helfen, aber ich würde mein Bestes geben.

      »Wie wäre es, wenn du mir erzählst, wie Josh dich aufgeregt hat?«

      Es länger hinauszuzögern ergab wohl keinen Sinn. Ich war extra hergekommen, weil ich mit jemandem reden musste. »Er war auch auf der Party.«

      »Ich nehme an, ihr habt euch gestritten?«

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