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sich. Und auch die Bank Behrens & Söhne, mit der die Hapag arbeitet. John Meyer hat schlimme Tage. Er muß die Püffe abfangen, und gibt er sie an Vorstand und Aufsichtsrat weiter, prallen sie nur desto heftiger auf ihn zurück.

      Wohl oder übel muß man sich in einer neuen Sitzung bequemen, der von Carr vorgeschlagenen Konferenz zuzustimmen. Mitte des Jahres findet sie in dem neuen Hotel „Hamburger Hof“ in Hamburg statt. Wieder kommen die Vertreter der bedeutenden Linien Englands, Frankreichs, Hollands, Belgiens zusammen, und auch der Norddeutsche Lloyd ist dabei.

      John Meyer und Edward Carr sind persönlich zugegen.

      Carr hat sich schriftliche Anweisungen von seinem Teilhaber geben lassen. Er liest seine Reden und Einwände, gut vorbereitet, ab und erreicht, da ihm selber nichts Ablenkendes einfällt, damit tatsächlich eine allgemeine Erhöhung der Zwischendeckspreise auf hundert Mark und sogar für die Carr-Linie eine Vorzugsrate, die um zehn Mark tiefer liegt. Auf diese Weise ist die Carr-Linie aufs neue und beste wieder konkurrenzfähig.

      Ballin selber gelingt unterdessen eine Übereinkunft mit den Agenten, die in Hamburg bislang als Zwischenträger für englische Linien gearbeitet, wie er selber ja früher auch, und gelegentlich tut er’s auch noch jetzt für seinen alten Freund Wilding.

      Aber auch mit den englischen Kontoren selber kann er neue Kommissionssätze festlegen. Wenn alles das besonders für die Carr-Linie vorteilhaft ist, so spürt doch auch die Hapag Erleichterung durch die gefestigte Lage.

      Herr Mestern, Herr Ruperti und selbst der sarkastische Carl Laeisz sind sich einig, daß man Carr nicht weiter reizen dürfe. Der Aufsichtsrat erwägt sogar, schon Ende des Jahres, ein etwaiges neuerliches Verkaufsgebot Carrs nicht mehr abzuweisen.

      Fühler werden ausgestreckt und wieder zurückgezogen.

      Carr geht um keinen Pfennig von der geäußerten Forderung ab. Ballin, darin eingeweiht, hat ihm dringlichst zu eiserner Unnachgiebigkeit geraten.

      Jetzt ist nur Zähigkeit im Hinhalten nötig.

      Als Carr aber dennoch die Geduld zu reißen droht, überredet sein Teilhaber ihn, den nächsten Winter in Ägypten zu verbringen. Dafür reichen die Einnahmen noch.

      *

      Im Februar kommt Carr zurück. Er findet Ballin blaß und überarbeitet und fürchtet schon das Schlimmste. Aber die dunklen Augen, angestrengt und rotgerändert, leuchten sonderbar zufrieden hinter dem goldenen Zwicker.

      „Nun, haben Sie günstig abgeschlossen, Ballin?“ fragt der braungebrannte Reeder. „Ich hab’ noch eine ganze Menge zu bezahlen.“

      „Allerdings“, lächelt Ballin.

      „Und mit wieviel haben Sie den Ansporn aufs Kreuz gelegt?“

      Ballin schmunzelt weiter: „Ich vergaß neulich hinzuzufügen, in der Konkurrenz achte ich nächst dem Ansporn immer auch den möglichen späteren Partner.“

      „Mensch, Ballin!“ Carr fällt die unvermeidliche Reitpeitsche vor Schreck aus der Achsel: „Sie meinen doch nicht etwa die Hapag?“

      „Gerade die.“

      „Die uns bis aufs Blut haßt?“

      „Wir waren bislang nur nicht groß genug, um geliebt zu werden.“

      Carr schnappt nach Luft. Er hat in Shepheards Hotel, in Kairo, in Athen angenehme Tage verlebt. Die internationale Gesellschaft, in der er sich bewegt, hat in puncto Größe und Liebe wenig Vorurteile, solange das Geld nicht knapp ist und die Manieren reichen. Hier schien eine private Dusche angebracht: „Ballin, ich denke, Sie sind glücklich verheiratet?“

      Sein Teilhaber strahlt: „Trotzdem hab’ ich eine neue Fusion vorbereitet.“

      „Auch so blond und hübsch?“ Carr zwingt sich zu spöttischer Gelassenheit.

      „Gewiß aber auch einmalig“, lächelt Ballin, „wir vereinigen uns mit der Sloman.“

      „Teufel!“

      „Nicht ganz. Nur mit den sechs Dampfern, die frei werden, weil Ihr Herr Onkel den wenig lohnenden Australbetrieb aufgibt.“

      „Und den wollen Sie bei uns rentabel machen?“

      „Gewiß, aber auf der New York-Route. Ich denke, wir nennen sie vereinigte Carr-Sloman ...“

      „Slow-Car, Bummelzug!“ Carr wiehert vor Vergnügen.

      „Also Union. Wir können dann ab 15. Mai jeden Samstag einen netten Dampfer nach New York laufen lassen.“

      „Ballin, das soll ich glauben?“

      „Nur beglaubigen, Herr Carr. Hier ... sind die Verträge.“

      5.

      Gewagter Übergang

      Speicher auf Mittelalter · Witt ist für Freihandel · Maiglöckchen gefällig · Trimmer Zyrax · Union, kein Unsinn · Ratte eine Falle? · Steinharte Tatsachen · Erster Gast bei Ballins · Warum immer Reitgerte? · Meyer hinreichend gestärkt · Der Agenturlümmel von damals? · Der zweite große Augenblick.

      Am Zollkanal türmen sich die Stockwerke. Hamburg baut die Speicherstadt des Freihafens im Stil kräftiger Raubritterburgen. Laeisz meint, das sei ja im Grunde berechtigt, aber es brauche doch nicht jeder gleich zu sehen. Es sieht ja auch niemand. Jedermann freut sich über die gewaltigen Anlagen der zollfreien Lagerung, Verarbeitung und Veredlung, die da entstehen, und betrachtet alles als ein Wunderwerk der Wohlfahrt für Stadt, Reich und Menschheit. Höchstens der Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, hat ätzende Beanstandungen. Aber dem gefallen ja nicht einmal die großartigen Laternengalgen auf dem Jungfernstieg, die für seinen anspruchsvollen Blick so katastrophal aussehen wie ein Eisenbahnunglück.

      Fritz Höger aber, der eines Tages Bedeutendes darin leisten wird, spielt noch auf einem Bauernhof bei Elmshorn im Sand. Und fast ein Vierteljahrhundert noch soll es dauern, ehe man den genialen Bremer Fritz Schumacher für die Leitung des Hamburger Bauwesens gewinnt.

      Was Konsul Witt an der Freihafenpracht zu bemängeln hat, ist die Zollschranke. Er ist für Freihandel in aller Welt schon wegen der blöden Belästigungen durch die Zöllner, die grünen „Grashüpper“, und wegen der Zeit-, Papier-, Tinte- und Geldvergeudung. Aber das Vaterland braucht Mittel fürs Militär. Es hat Angst um seine rasch zusammengekittete Einheit und plötzliche Weltgeltung. Denn nichts ist leichter zu erregen als Neid, zumal zwischen Völkern. Als die Faktoreien zu Kamerun statt der Hamburger Drei-Türme-Flagge plötzlich die schwarzweiß-rote des Deutschen Kaiserreiches hißten, hat grinsend ein englischer Clerk zu ihm, Johann Witt, dem angesehenen Hamburger Plantagenleiter, geäußert: „Neight, nought, blood“ – Nacht, Nichts, Blut. Es konnte als unzweifelhafte Beleidigung des jungen Staates aufgefaßt werden. Aber damals hat Witt nicht mal viel anders gedacht, so sehr ist er Hanseat. Und nun wird das bis dahin recht selbstherrliche Hamburg auch noch völlig in den Zollpanzer des Reiches einbezogen. Ihm ist, als werde man künftig kaum noch Luft kriegen. Er hat sich für seine Firma notgedrungen einiges von dem werdenden Speicherraum vormerken lassen. Nie hätte er geglaubt, daß es so viel Firmen in Hamburg gibt. Die Zukunft deucht ihn nicht rosig. Fast ist er schon zu spät gekommen. Er ist zur Kur gewesen, ganze vierzehn Tage, zum erstenmal in seinem Leben; der Arzt hatte ihm Bad Gastein empfohlen.

      „Maiglöckchen gefällig?“

      Nun, das allerdings sieht rosig aus, das lächelnde Gesicht der jungen Vierländerin. „Deern!“ sagt er, „das erschreckt mich ja fast, so viel Mai auf einmal!“

      In Gastein war noch gar kein Frühling gewesen.

      Er salutiert mit dem Elfenbeinknauf, nimmt ein Sträußchen aus dem dargebotenen flachen Henkelkorb und schmunzelt: „So einen großen Strohhut sollte man eigentlich nach Afrika exportieren, aber ohne die steifen Schleifen aus Walfischhaut, die würden die Schwarzen doch nur essen, und dich dazu, min Lütten.“ Seine blaßblauen quellenden Augen scheinen selber einigen Appetit zu haben. Sie streicheln, indes er die Geldbörse sucht,

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