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alt="image"/> Kap. 2.2 zu einer systemisch-topischen und einer strukturell-instanzenbezogenen Sicht darauf). Unlustvermeidung bedeutet das Vermeiden von unerträglichen Affekten und das Ziel der Abwehr ist es, diese unerträglichen Affekte nicht erleben zu müssen – allerdings im Kontext von etwas, das zugleich auch Lust verspricht. Dazu richtet sie sich auf Triebrepräsentanzen, auf solche psychischen Elemente also, in die sich Triebhaftes hineinvermittelt, das sind bei Freud Vorstellungen und Affekte. Das bedeutet auch, dass nicht »der« Trieb abgewehrt wird – zum einen wäre das widersinnig, weil es sich bei »Trieb« nicht um ein Etwas der biologischen oder repräsentatorischen Welt handelt, sondern um ein Konzept, und zum anderen weil das Konzept sich auf Prozesse der Vermittlung von Physiologie in Erleben bezieht. Dieser Prozess könnte zwar abwehrbedingt unterbrochen sein (das spielt eine Rolle in der Psychodynamik psychosomatischer Erkrankungen), aber die psychische Abwehr richtet sich in der Grundstruktur auf Repräsentanzen, also auf das, was durch die Triebgeschehen genannten Prozesse der psychosomatischen Vermittlung im Erleben entsteht, psychische, durch das Triebgeschehen bewirkte Repräsentanzen in Form von Vorstellungen und Affekten.

      Das dritte Merkmal der Abwehr ist, dass es sich bei ihr um unbewusste Vorgänge handelt, die allerdings der Instanz des Ichs zugehörig sind. Dieser Gedanke ist leitend für die Einführung des Instanzenmodells durch Freud und bildet einen von dessen Grundpfeilern. In der Tat führt die Annahme von Abwehrvorgängen gegenüber etwas, das nicht bewusst werden darf, in Schwierigkeiten: Kann es einen bewussten Vorgang geben, dessen Gegenstand unbewusst ist und bleibt? Wäre das nicht so unmöglich, wie auf Aufforderung nicht an einen rosafarbenen Elefanten zu denken? Anders aber: Kann es einen unbewussten Vorgang geben, der genau »weiß«, was sein Ziel ist? Wie unten deutlicher werden wird, gibt Freuds topisches Modell des psychischen Apparates es nicht her, solche zielgerichteten Vorgänge des Systems Ubw zu beschreiben, so dass er ab 1923 die Instanz des Ichs, die in Teilen unbewusst ist, genauer ausformuliert. Zunächst beschreibt er im topischen Modell das Wirken einer »Zensur« zwischen den psychischen »Systemen«, die den Übertritt einer Vorstellung von einem ins andere verhindert – im Instanzenmodell übt diese Funktion das Über-Ich aus, das entscheidet, was für das Bewusstsein annehmbar ist und so mittelbar Abwehrvorgänge motiviert. Als solche ist die Abwehr für Freud ein unbewusster Vorgang »im« Ich (= eine Ich-Funktion) zum »Schutz des Ichs gegen Triebansprüche« (1926d, S. 197).

      Die Abwehr zeichnet sich also durch drei Merkmale aus: Sie richtet sich gegen »innere Reize«, dient dem Zweck des Vermeidens unlustvoller Affekte und wirkt unbewusst.

      2.2 Abwehr in Freuds Modellen der Seele

      Der Gedanke einer psychischen Abwehr beschäftigt Freud über die Dauer seines gesamten Werks hinweg. In ersten psychoanalytischen Arbeiten taucht sie in Termini wie »Abwehrneuropsychosen« oder »Abwehrhysterie« auf. Sie spielt als eine Art psychisches Prinzip in seinem neuropsychologischen Modell der Assoziativität bzw. der »Bahnungen« im 1895 entstandenen Entwurf einer Psychologie eine Rolle: Darin nimmt Freud an, dass ein sog. initiales Befriedigungserlebnis neuropsychologisch betrachtet Bahnungen schafft, gleichsam Verbindungen zwischen psychischen Elementen, die in einer lustvollen, befriedigenden Erfahrung gegeben gewesen sind. Diese Bahnungen sind nun die Grundlage für das Streben nach Wiederholung dieser lustvollen Erfahrung und nach dem Wiederherstellen der Bedingungen dafür. Neue Wahrnehmungen erfahren, sofern sie genügend ähnlich sind, eine »Wunschanziehung« und geraten sozusagen auf die Bahn vorangegangener lustvoller Erlebnisse. Ein »Schmerzerlebnis« (verbunden mit Unlust), das auf einer solchen Bahnung liegt (auch hier taucht der Gedanke auf, dass lustvolle Strebungen zugleich Unlustvolles mit sich bringen können), führt zur Hemmung beziehungsweise zu »Seitenbesetzungen«: Eine neuropsychologische Bahnung wird gleichsam zur Seite abgelenkt, weil sie nicht nur mit Lust, sondern auch mit Unlust verbunden ist. Freud beschreibt hier neuropsychologisch den Gedanken einer Kompromissbildung: Abläufe werden gehemmt und umgelenkt, so dass sie weniger Unlust, aber noch genügend Lust mit sich bringen. Hier ist nicht nur das Konzept der Abwehr angelegt, sondern auch eine frühe Form des Ichs als hemmender psychischer Instanz beschrieben.

      In der Folge, im sog. Affekt-Trauma-Modell bis etwa 1897 (vgl. Sandler et al., 1997) taucht die Abwehr vor allem als Trennung zwischen Vorstellung und Affekt auf, also als eine Art von Spaltung, mit dem impliziten Ziel, den einer Vorstellung zugehörigen Affekt nicht dort (sondern anderswo) zu erleben bzw. die Vorstellung nicht »erinnern« zu können. In der weiteren Entwicklung des Freud‘schen Werkes lassen sich zwei Phasen bzw. Einbettungen des Abwehrkonzepts in zwei Modellen des Psychischen unterscheiden (vgl. zur genaueren Differenzierung Ehlers, 2014, S. 15 ff.): das topische Modell (etwa 1897 bis 1923) und das strukturelle oder Instanzen-Modell (ab 1923).

      2.2.1 Abwehr im topischen Modell

      Im topischen Modell (gelegentlich als erste Topik bezeichnet) konzipiert Freud das Psychische als in Systemen organisiert und unterscheidet dabei die Systeme Bewusst (Bw), Unbewusst (Ubw) und Vorbewusst (Vbw). Dabei geht es ihm auch um eine Unterscheidung zwischen einem deskriptiv Unbewussten (in systematischer Sicht das Vorbewusste), das bewusstseinsfähig, aber aktuell nicht mit Aufmerksamkeit besetzt ist) und einem dynamisch Unbewusstem (funktionell dem Bewusstsein nicht als solches zugänglich).

      Zwischen den Systemen wirkt, wie schon angedeutet, eine Zensur bzw. besser gesagt: Es wirken zwei Zensuren (Freud, 1915e, S. 290): »Wir tun […] gut daran, […] anzunehmen, daß jedem Übergang von einem System zum nächst höheren, also jedem Fortschritt zu einer höheren Stufe psychischer Organisation eine neue Zensur entspreche«. Zum einen gibt es also die Annahme einer Zensur zwischen Ubw und Vbw, welche zum Beispiel die Verdrängung und die Aufrechterhaltung von deren Wirkung plausibel macht, zum anderen aber auch die einer Zensur zwischen Vbw und Bw: Im System Vbw gibt es, so Freuds Annahme, »Abkömmlinge« des Unbewussten, die aber noch auf ihren Eintritt ins Bewusstsein geprüft werden müssen. Während die erstgenannte Zensur darüber entscheidet, was bewusstseinsfähig ist, entscheidet die zweitgenannte darüber, was bewusst wird und als was es das wird.

      Der Gedanke einer psychischen Zensur spielt bereits in der Traumdeutung eine Rolle, wenn Freud annimmt, dass im Traum die psychische Zensur herabgesetzt sei, mit der Folge, dass eine größere Offenheit des bewussten Erlebens auch demgegenüber herrscht, was verpönt ist: »Die Erfahrung lehrt uns, daß den Traumgedanken tagsüber d[..]er Weg, der durch das Vorbewußte zum Bewußtsein führt, durch die Widerstandszensur verlegt ist. In der Nacht schaffen sie sich den Zugang zum Bewußtsein«, nachts sinke der »Widerstand ab […], der an der Grenze zwischen Unbewußtem und Vorbewußtem wacht« (Freud, 1900a, S. 547). Es ist weniger an Entstellung erforderlich. Die Zensur wird dabei allerdings »niemals aufgehoben, sondern bloß herabgesetzt« (Freud, 1901a, S. 690), sie bleibt zuständig für eine Entstellung, die Freud als »Zensurveränderung« (1900a, S. 620) bezeichnet. Die Untersuchung der Mechanismen der Traumarbeit (Verdichtung, Verschiebung, sekundäre Bearbeitung) sind ein weiteres Beispiel für Freuds Auseinandersetzung mit Abwehrprozessen als etwas, das bewusstseinsfähige Formen sucht und findet, um die eigene psychische Welt zu erleben. Freud unterscheidet zwischen manifestem Trauminhalt und latenten Traumgedanken, die Traumarbeit produziert aus diesen jenen. Bewusstseinsfähigkeit, Zensur und Entstellung stehen in einem anderen Verhältnis zueinander als im Wachbewusstsein, die Umsetzung in Traumbilder folgt außerdem dem Umstand, dass im Traum/Schlaf der Zugang zur Motilität versperrt ist (a. a. O., S. 573) und sich daher eine leichtere Umsetzung in innere Bilder ergibt.

      Die frühe Annahme einer Zensur, insbesondere der zwischen Ubw und Vbw, entsteht also aus der Untersuchung des Traumes, in ihr, so Freud (a. a. O., S. 573), »haben wir […] den Wächter unserer geistigen Gesundheit zu erkennen und zu ehren.« Insbesondere im Wachzustand hilft uns die psychische Zensur dabei, unlustvollen Bedingungen zu entgehen, sozial verträglich zu sein u. a. Die Zensur als »Wächter zwischen dem Unbewußten und dem Vorbewußten« (Freud, 1916/17, S. 307) ist »eine prüfende Instanz […], welche darüber entscheidet, ob eine auftauchende Vorstellung zum Bewußtsein gelangen darf, und unerbittlich ausschließt, […] was Unlust erzeugen oder wiedererwecken könnte« (Freud, 1913j, S. 397).

      Wie Freud

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