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in die Verallgemeinerung in erster Linie in der Konzeptbildung.

      Vor dem Hintergrund dieses Verständnisses ist zunächst das Triebkonzept beleuchtet worden (Storck, 2018a). Ein wichtiger zeitgenössischer Nutzen der psychoanalytischen Theorie des Triebes liegt darin, den Übergang von Physiologie in Psychisches zu beschreiben. Es dient dazu, auf den Begriff zu bringen, wie sich physiologienahe Erregungszustände in psychisches Erleben vermitteln, uns dieses sogar aufnötigen. In diesem Sinn beschreibt das Triebkonzept eine Theorie der allgemeinen Motivation: Wie ist Psychisches als solches motiviert? Dabei ist, anders als bei Freud, eine monistische Auffassung des Triebes leitend, es geht weniger um verschiedene Triebarten und spezielle Motivationen, die sich dann als sexuelle oder aggressive enttarnen ließen, sondern in allgemeiner Hinsicht um etwas von der psychosomatischen Grundstruktur des Menschen, was bei Freud (1915c, S. 214) in seiner Formulierung zum Trieb als »Grenzbegriff« zwischen Psyche und Soma angelegt ist. Darüber hinaus handelt es sich nicht um biologische oder ethologische Überlegungen, sondern es lässt sich zeigen, dass sich das Triebkonzept auf ein sozialisatorisches Geschehen bezieht: Erregungszustände finden nicht »a-sozial« statt, sondern treten im Rahmen von Interaktionen bzw. Beziehungen mit anderen auf, in Momenten von Berührung und Nicht-Berührung. Das gibt dem Anderen unweigerlich einen Platz in der Triebtheorie. Das umstrittene Freud’sche Konzept des Todestriebs (vgl. Storck, 2020b) lässt sich als »untertriebener« Aspekt der Triebtheorie verstehen: Während die Sexualität für sich genommen exzessiv und unreglementiert ist (»übertrieben«), wird durch ihre Verschränkung mit dem, was Freud »Todestrieb« nennt, also ein Streben nach Ruhe und Spannungslosigkeit, Befriedigung erst möglich.

      Während »Trieb« Teil einer Theorie der allgemeinen Motivation ist, findet die Psychoanalyse ihre Theorie der speziellen Motivation im Konfliktbegriff (Storck, 2018b). Hier wird beschreibbar, wie die Strukturierung des Psychischen mit einem grundlegenden Spannungsfeld in Zusammenhang steht. Es wird dabei deutlich, dass es zum einen um unbewusste psychische Konflikte geht, zum anderen um solche, die mit Lust und Unlust und deren psychischer Dynamik zu tun haben. Der psychoanalytische Begriff der Sexualität ist ein erweiterter: Sexualität beschreibt in ihrer infantilen Form unreglementierte, noch nicht vereinheitlichte leibliche Empfindungen, die in ihrer Grundstruktur mit Lust und Unlust, deren Ansteigen und Absinken zu tun haben. Vor diesem Hintergrund (Sexualität als Lust/Befriedigung, leibliche Interaktion mit Anderen) ist die Freud‘sche Konzeption der psychosexuellen Entwicklungsphasen zu verstehen: Oralität, Analität und das Phallisch-Ödipale sind in ihrer Grundstruktur zwar körpernah konzipiert, in ihrer Vermittlung in Psychisches werden sie allerdings auch zu etwas, das sich »thematisch« begreifen lässt, so dass es dann beispielsweise bei »oralen Themen« um Themen von Versorgung und Bedürfnissen gehen kann. Erst mit Beginn der »reifen«, genitalen Sexualität findet sich das fragmentiert infantil Sexuelle (von Freud daher als »polymorph-pervers« bezeichnet) »gebändigt«. Konflikthaft ist das Geschehen, weil Luststreben und Unlustvermeidung einander in die Quere kommen können; im weiteren Verlauf des vorliegenden Bandes wird dies unter der Perspektive der Abwehr genauer in den Blick kommen (auch im Hinblick darauf, dass sich Konflikte unterschiedlicher psychischer »Reife« unterscheiden lassen). Die Psychoanalyse beschreibt den Menschen grundlegend als konflikthaft, weil sich mit diesen Überlegungen zur Struktur des Psychischen zeigen lässt, in welcher Weise der Umgang mit Motivationen, die in unterschiedliche Richtungen zeigen, als Motor der Entwicklung des Psychischen gesehen werden kann – in besonderer Weise der ödipale Konflikt, der sich im hier vorgeschlagenen Verständnis als etwas darstellt, das sich um die Auseinandersetzung mit Geschlechter- und Generationenunterschieden sowie um die grundlegende Möglichkeit des (passageren) Ausgeschlossenseins aus Beziehungen zwischen anderen dreht. Mit dem Hinweis auf den Konflikt als Motor des Psychischen ist auch gesagt, dass es unbewusste Aspekte des konflikthaften Erlebens sind, um die es der Psychoanalyse geht.

      Daher ist es in einem nächsten Schritt der Argumentation um die Konzeption des dynamisch Unbewussten in der Psychoanalyse gegangen (Storck, 2019b). Freuds Anliegen ist es gewesen, mit der von ihm so genannten Metapsychologie eine Theorie des Psychischen zu entwickeln, die ein psychisch Unbewusstes einbezieht – anders als die Psychologie seiner Zeit es tat, etwa sein akademischer Lehrer Franz Brentano, in dessen Intentionalitäts- und Aktlehre es widersinnig erscheinen muss, dass es Unbewusstheit von etwas geben soll. Freud geht es dabei nicht einfach nur um etwas, das nicht im psychischen Erleben auftaucht, sondern um ein dynamisch Unbewusstes, das heißt um etwas, das funktionell, aus guten psychoökonomischen Gründen dem bewussten Erleben nicht (mehr) zugänglich ist, dieses aber umso stärker leitet. Es ist das Zusammentreffen drängender und verdrängender Kräfte, das psychische Mechanismen mobilisiert, die dafür sorgen, dass etwas aus dem Bewusstsein ausgeschlossen wird bzw. dort nur in entstellter Form auftauchen kann. Dass auf diese Weise etwas unbewusst wird, hat mit dem (unbewussten) Ziel der Vermeidung unlustvoller Affekte zu tun. Es zeigt sich auch, dass »unbewusst« keine Substanz oder Essenz beschreibt und sich nicht an einer psychischen Örtlichkeit finden lässt, sondern ein Merkmal von Teilen der Vorstellungswelt ist. »Unbewusst« wird dann zu etwas, das Verhältnisse zwischen Vorstellungen und Affekten beschreibt. In diesem Kontext sind Freuds Modelle des psychischen Apparates wichtig, besonders die sog. erste Topik (bzw. das topische Modell) aus den Systemen Bewusst, Vorbewusst und Unbewusst sowie die sog. zweite Topik (bzw. das Struktur- oder Instanzen-Modell) aus Ich, Es und Über-Ich.

      Bei den Überlegungen zu Motivation und Bewusstheit/Unbewusstem sind bis dahin Konzeptionen psychischer Repräsentation implizit geblieben, was darauf folgend in der Untersuchung des Objektbegriffs in der Psychoanalyse genauer ausgearbeitet worden ist (Storck, 2019c). Das Konzept des psychischen Objekts wurzelt terminologisch in der Triebtheorie (als eines der vier Elemente des Triebes, neben Ziel, Quelle und Drang), gemeint ist das Objekt psychischer »Besetzung« (mit Libido oder Aggression, oder einfacher gesagt: mit Affekt), es ist also das Objekt der Vorstellung gemeint. Dabei hat es sich als nützlich erwiesen, vom »Objekt« als Element der subjektiven psychischen Welt zu sprechen und das konkrete Gegenüber in einer interpersonalen Situation nicht als »äußeres Objekt« oder ähnlich zu bezeichnen, sondern als »Gegenüber« oder »andere Person«. Psychoanalytisch lassen sich Mechanismen beschreiben, mittels derer das Objekt psychisch gebildet und verändert wird, nämlich Introjektion (verwoben mit Projektion), Identifizierung oder die Fantasie von Inkorporation, also, etwas vom anderen in sich hineingenommen zu haben. Das macht zum einen das Wechselspiel zwischen Hineinnehmen und Hinaushalten deutlich, zum anderen weist es darauf hin, dass ein »Objekt« immer Teil der subjektiven Innenwelt ist – nicht nur weil die Repräsentanzen der eigenen Person und die von anderen Personen miteinander verbunden sind (als Beziehungsvorstellungen), sondern auch weil es um die Repräsentanzen geht, die das Individuum von sich in Beziehung zu anderen hat. Eine grundlegente Auffassung in der Psychoanalyse (meistens im Zusammenhang von Theorien der Symbolisierung gefasst) besteht darin, sich psychische Entwicklung als etwas vorzustellen, in dem sich Interaktionen in Beziehungsvorstellungen niederschlagen, aus denen sich Vorstellungen (= Repräsentanzen) vom Selbst (vgl. dazu Storck in Vorb. a) und von Anderen (und deren Verbindung durch Affekte) herauslösen lassen und die weitere Interaktionen zwar nicht determinieren, so aber doch unweigerlich bewusst und unbewusst leiten. Es wird deutlich, dass solche Repräsentanzen und der (symbolisierende) Prozess ihrer Bildung und Wirkung unterschiedlich integriert oder psychisch ausgearbeitet sein können, was eine Rolle spielt, wenn auf die »Reife« von Abwehrmechanismen geblickt wird. Außerdem wird im Rekurs auf die Objektkonzeption beschreibbar, wie sich psychische Konflikte nicht allein auf motivationaler, sondern auch auf repräsentationaler Ebene zeigen.

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