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Die Haimonskinder. Lise Gast
Читать онлайн.Название Die Haimonskinder
Год выпуска 0
isbn 9788711508978
Автор произведения Lise Gast
Издательство Bookwire
Der Kleine nickte. Er hatte eine von Ullas Schürzen um, die Ron ihm mit beiden Zipfeln hochgebunden hatte, und sammelte eifrig Mohnköpfe darein. Wenn man ihn helfen ließ, war er am nettesten. Ron freute sich eine Minute lang an seinem jetzt gar nicht mehr so blassen Gesicht, das im Grunde ganz hübsch gewesen wäre, nur leider wurde es durch große, blasse und etwas abstehende Ohren — Krautblätter nannte Ulla sie und brachte ihn damit zu Wuttränen — ziemlich entstellt. Und in ihrer Herzensfröhlichkeit begann sie vor sich hinzusingen.
Es war ein altes Wanderlied, mit einer leichten, eigentlich leichtsinnigen Melodie, nichts Besonderes, aber gerade das, was jetzt zu ihrem Sinn paßte. Erst als sie zum Kehrreim kam, ging ihr auf, warum ihr gerade dies Lied eingefallen war.
„Und im Sommer da blüht der rote, rote Mohn, Und ein lustiges Blut kommt überall davon, Schätzel ade, ade —“
Schon beim zweitenmal sang Wolf mit, er war sehr musikalisch. Das war eigentlich die einzige, wirklich positive Eigenschaft von ihm. Seine Stimme war klar und er sang wirklich rein, sie hatte das schon beobachtet, wenn er als ganz kleiner Kerl auf seinem Thrönchen saß und selbstvergessen vor sich hinsang, meist ein einziges Wort als Text benützend. So erinnerte sie sich noch, wie er als Anderthalbjähriger das Wort „Klavier“, das er soeben gelernt hatte, durch einen ganzen Vers „Geh aus mein Herz und suche Freud’“ hindurchgesungen hatte — gerade bei solch einer Sitzung. Sie hatten so darüber gelacht, als sie es den Eltern erzählte.
„Nochmal von vorn, Heini“, sagte sie jetzt, als sie merkte, daß er die Melodie erfaßt hatte, — „los, ich sing die zweite. Und morgen da müssen wir wandern —“
„Gefällt Ihnen das Lied so?“ fragte Matthias, als sie beide nebeneinanderstanden beim Ausleeren der Mohnkapseln. Ron sah erstaunt auf, sie hatte für eine Viertelstunde alles andere vergessen gehabt unter diesem leichten, sommerseligen und glücklichen Daseinsgefühl.
„Ja, ich mag es gern“, sagte sie jetzt, „ist etwas damit?“
„Würde es Ihnen so leicht fallen, von einem Schätzel zum andern zu wandern?“ fragte er verhalten. Sie hatte das Gefühl, als wische eine graue Hand über ihre rosenrote Stimmung.
„Ach wo“, sagte sie, „das ist doch nur ein Lied. Und Lieder sind — nun ja, es gibt so komische Texte, grade bei Volksliedern. Man singt sie aus einer Stimmung heraus. Wir können aber auch gern ein anderes singen, Wolf kann schon eine Menge“, sagte sie dann, absichtlich ablenkend. Sie hatte wahrhaftig heute genug von seinen Anspielungen. „Kennen Sie: ‚Wohlauf in Gottes schöne Welt?‘ Das brachte Ulla neulich mit.“
Sie sangen es. Ron die zweite, Wolf allein und ganz sicher die erste Stimme. Es wirkte, wie oftmals, ausgleichend, beruhigend. Zum Schluß brummte Matthias auch mit. Und dann hatten sie, als es so dunkel war, daß man kaum noch etwas sehen konnte, tatsächlich die „Ernte“ bewältigt. Ein tüchtiger Sack war voll. Ron hob ihn schätzend mit einem stolzen und glücklichen Gesicht an.
„Jetzt aber schleunigst ins Körbchen, Heini!“
Der Junge war todmüde, hätte das aber nie zugegeben. Sie schenkten sich das Waschen und packten ihn auf den Heuhaufen, mit einer Decke als Unterlage und einer als Zudecke. „Ich tu dann auch noch mein Arbeitszeug dazu, und außerdem kann ich ihn ja wärmen“, sagte Ron, als Matthias etwas zweifelnd fragte, ob das genügen sollte. „Es geht schon mal, die eine Nacht ...“
Sie hatten auf der Flucht ganz andere Nächte zugebracht, auf Bahnsteigen, durch deren zertrümmerte Dächer es regnete und schneite — und damals war Wolf ja außerdem noch viel jünger gewesen. „Schlaf nur schnell, sonst wirst du bis morgen nicht fertig damit.“
Sie ging noch mit Matthias hinaus, um sich zu verabschieden — es war jetzt ganz dunkel. Sollte sie fragen, ob er morgen wiederkäme? Eigentlich hatte er es ja als selbstverständlich hingestellt.
„Gute Nacht, und Dank für heute“, sagte sie deshalb nur schnell, sie brachte es so frisch wie möglich heraus und schüttelte ihm die Hand kräftig. Er hatte den Kopf gesenkt, beinahe — aber nein, so verrückt würde er doch wohl nicht sein, daß er ihr einen Handkuß hatte geben wollen, ihr, die tagsüber beim Bauern die geringste Arbeit tat, Kartoffeln grub oder Mist streute. Ja, auch beim Miststreuen war sie dabei gewesen, Anfang des Jahres.
„Gut nach Hause“, rief sie ihm noch nach, drehte sich dann hastig um und klappte die Tür hinter sich zu. Wolf war noch wach. Sie kroch neben ihn zwischen die Decken und nahm ihn dicht an sich heran. Gut, daß er da war, der kleine Unglücksrabe, das arme Wurm, — gut, daß morgen —
Im selben Augenblick fielen ihr auch schon die müden Augen zu.
Die Maschine machte einen ohrenbetäubenden Lärm, fast wie die Holzschleife daheim, besonders, wenn sie die Bündel Getreide in sich hineinfraß, kreischend und nimmersatt. Trotzdem war Ron seelenfroh, hier oben zu stehen — man hatte hier lange nicht soviel Staub zu schlucken, wie unten, und wenn man auch fix sein und sich in der Minute vielleicht fünfundzwanzigmal bücken mußte, so war das doch lange nicht so schwer wie Gabeln und nicht so dreckig und eklig wie Spreuwegtragen. Nicht einmal aufzuschneiden brauchte sie, wobei einem das Messer so leicht in die Maschine fallen konnte; sie legte vor, mußte die Getreidebündel, die ihr aus der Luke zugeworfen wurden, erwischen und der Aufschneidenden neben ihr am Tisch möglichst bequem vorlegen, damit das Einlegen rasch ging. Sie hatte das schon mehrmals getan und war froh, wiederum hier heraufgekommen zu sein.
Ihr gegenüber stand der Chef. Er hatte ein pfiffiges, etwas verkniffenes Gesicht und überwachte jeden Handgriff, den seine Leute machten, mit Argusaugen, aber mochte er ruhig! Noch keinmal war das Maul der Maschine verstopft gewesen; regelmäßig klang das schabende Aufkreischen, und Ron gelang es sogar immer wieder, zwischen dem Vorlegen eine der handgebundenen Getreidegarben aufzuknoten und selbst einzulegen. Die mit dem Binder gebundenen Garben mußten aufgeschnitten werden. Aber es beschleunigte den Gang der Handlung, wenn man loses Stroh oder aufgebundene Garben zwischendurch einwarf, und das war im Sinne aller, heute zum Sonntag ganz besonders.
Es war noch früh am Tage. Ein zarter Dunst lag über dem Hof, und die Sonne vermochte noch nicht über die Scheunenmauer hinweg bis auf die Dreschmaschine zu gelangen. Aber es würde heute bestimmt schön werden.
Anders war unten beim Ballenwegtragen, sie hatte ihn vorhin kurz gesehen, nur ganz flüchtig, begrüßen hatte sie ihn nicht können. Eigentlich war das ja eine Arbeit für erwachsene Männer; er war sicher noch nicht zwanzig, und die Ballen wogen über einen Zentner. Anfangs machte es den Trägern immer Spaß, sie wegzutragen und dann ein wenig frei zu haben und herumzuplaudern bis zum nächsten, bald aber saßen sie, verschnaufend und mit arbeitenden Lungen, in der kleinen Pause ganz still und sammelten neue Kräfte. Vor allem, wenn die Ballen erst hochgeschichtet werden mußten.
Vielleicht wurde er bald abgelöst. Es wurde ja immer abgelöst beim Dreschen, zum Frühstück und dann zu Mittag und zur Vesper, wenn durchgearbeitet wurde. Heute ging es ja sowieso nur bis mittags, aber zum Frühstück um halb zehn wurden sicher die Plätze gewechselt. Dann kam sie selbst auch woandershin, aber na — egal ...
Ron sang schon wieder, hier oben hörte das niemand, man konnte viertelstundenlang dasselbe singen, so laut man wollte, immer wieder von vorn. Die Frau neben ihr sah es an ihrem Mund und lachte — wie konnte man nur so unerhört und unverschämt jung sein, daß man beim Dreschen auch noch singen mochte! Ron aber war nach Singen zumute, Gott mochte wissen, weshalb.
Übrigens war es im Grunde gar nicht verwunderlich, daß ihr so zumute war — sie hatte heute früh schon einen Sieg errungen. Natürlich war sie, wie jeder heuzutage, im Sommer Ährenlesen gegangen, so oft sie nur irgend konnte — es war ja eigentlich nur sonntags und nach Feierabend möglich, da sie arbeiten ging. Aber zwei Säcke waren es doch geworden. Dieses Getreide wollte sie gerne mit durchwerfen, wenn der Weizen hier fertig war, um es dann in der Mühle in Mehl oder Gries umtauschen zu können. Dazu brauchte sie aber die Erlaubnis des Mannes, der die Dreschmaschine führte. Es war die Maschine der allgemeinen Bauernhilfe, die von Hof zu Hof ging, keine eigene des Bauern. Und dieser Mann, ein Herr Hupe, war allgemein gefürchtet infolge seines barschen und wenig umgänglichen