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fiel Penny jetzt eifrig ein, „und dann wartet hier eine Freundin auf dich, ich nämlich! Überhaupt, wenn Musch wegmuß ...“ Dabei kniff sie mich ganz fest ins Bein, so daß ich stöhnen mußte, aber ich wußte genau, was das Kneifen bedeutete. „Wenn Musch nicht mehr hier ist, setzt du dich in der Schule neben mich! Und wir halten dann zusammen, so wie Musch und ich. Man kann auch zu dritt ganz furchtbar fest befreundet sein.“

      „Zu dritt? Hoffentlich zu viert!“ rief Rupert hier empört ... „Oder wollt ihr mich jetzt etwa auf den Mist schmeißen? Dann sollt ihr aber euer blaues Wunder erleben!“ Er hatte so laut gerufen, daß Iwo heftig erschrak und anfing zu plärren, und dabei fiel ihm der Schnuller aus dem Mund und vom Wagen runter und ...

      Ja, Penny schaltete natürlich wieder am allerschnellsten. Sie sprang im Fahren seitlich vom Gig, was man nicht tun soll – man muß immer in Fahrtrichtung springen, sonst haut es einen hin, und das war auch prompt bei Penny der Fall, aber es verdroß sie gar nicht, sie blieb gleich auf allen vieren und krabbelte blitzschnell dahin, wo der Schnuller lag.

      Wir lachten, denn es sah wirklich sehr komisch aus, so daß wir gar nichts sagen konnten. Wir sahen nur, wie Penny, das scheußliche Gummiding in der Faust, schon wieder neben dem weiterfahrenden Gig herrannte und wilde Zeichen machte, während sie schrie: „Anhalten, anhalten!“ Das Geschrei machte aber den Manderl scheu, er legte blitzartig los, und Marfa konnte ihn im Augenblick wirklich nicht anhalten. Aber da war Penny schon, affenartig geschickt, aufs Trittbrett gesprungen, und ich zerrte und zog sie glücklich auf den Sitz herauf.

      „Da“, sagte sie atemlos und wollte dem Kleinen den Schnuller in den Mund stopfen, aber durch das Holpern des Wagens traf sie daneben, und auf einmal – wir wußten nicht, wie es geschah – hatte Rupert den Schnuller im Mund.

      „Pfui Spinne!“ schimpfte er, nachdem er ihn wieder herausgerissen hatte.

      Wir lachten über sein Gesicht, so daß wir beinahe vom Wagen fielen. Iwo schrie wie am Spieß, bis Rupert ihm endlich das Mäulchen stopfte.

      „So, und nun fahren wir noch ein Stück vernünftig“, sagte er, sich erleichtert zurücklehnend. „Marfa, du bist jetzt verantwortlich dafür. Ordentlichen Trab, aber nicht mehr, sonst rennen sich ja die Hunde zu Tode! Guckt mal, dort lassen die Jungen Drachen steigen!“

      Wahrhaftig! Über einer Wiese etwas unterhalb der Straße zeichnete sich am Himmel ein achteckiges zartgelbes Etwas in der Luft ab. Drachensteigen, Herbst – wir wußten ja, daß es Herbst war. Aber ich würde wiederkommen, bald ...

      „Natürlich kommst du wieder“, sagte Penny, die dasselbe gedacht hatte, „und Marfa bleibt erst mal da – und Rupert hat auch versprochen wiederzukommen.“

      „O ja, bestimmt!“ versicherte er mit leuchtenden Augen.

      Auf einmal fand ich, daß alles ringsum leuchtete. Die schon ein wenig gefärbten Laubbäume am Hohenstaufen, die Ebereschen an den Bäumen rechts und links der Straße, der Himmel. Eine leuchtende Welt ...

      Klapp, klapp machten Manderls Hufe. Sonst war es ganz still. Keiner von uns sagte etwas. Aber es war eine gute Stille, denn wir fühlten alle dasselbe: daß wir zusammengehörten, jetzt und später.

      Und das ist vielleicht mit das Beste, was man fühlen kann.

      Wer nie den Sand geküßt

      1

      Vorwärts, Hjela, Galopp ... und Sprung ...“

      Kornelia war fest überzeugt, daß die Stute gehorchen und das soeben kunstvoll aufgebaute Rick in weitem Sprunge nehmen würde. Sie gab die Zügel vor und ging mit der Bewegung. Aber hier, wie überhaupt ...

      Hjela, die sich im Gelände über Baumstämme und Gräben fliegen ließ, viel höher als nötig, schien nicht einzusehen, warum man hier, auf dem Stoppelfeld, über ein Hindernis gehen sollte, neben dem rechts und links genügend Platz war, es zu umrunden.

      Sie schien diese Absicht zu haben, konnte sich aber nicht entschließen, nach welcher Seite hin, und stemmte kurzerhand die Vorderbeine ein, den Kopf senkend. Sie verweigerte den Sprung. Kornelia, leicht, wie man mit siebzehn Jahren ist, flog, wie von einem Katapult geschleudert, in einem bildschönen Salto über Hjelas Kopf hinweg und landete allein hinter dem Rick. Da sie sich in der Luft instinktiv zusammengerollt hatte wie ein Igel – es war nicht ihr erster Sturz, wahrhaftig nicht, dazu ritt sie schon zu lange –, tat sie sich nicht weh, sondern stand sofort wieder auf den Beinen, freilich aufgebracht und zornig, sowohl auf sich als auch auf die Stute.

      „Hoppla, na warte, meine Liebe!“

      Das gute an den Islandponys war ja, daß sie stehenblieben, eine wahrhaft liebenswerte Eigenschaft. Ein Pferd, wie beispielsweise Kronos, den Bertram gern ritt und mitunter auch noch sprang, würde jetzt vermutlich davongehen, womöglich in den herabhängenden Zügel treten und stürzen oder sich sonst etwas tun. Hjela stand – Kornelia hatte zwar den Eindruck, als grinse sie schadenfroh, das aber war schließlich ihr gutes Recht, wenn sie ihren Reiter losgeworden war.

      „So, jetzt noch einmal. Meine Liebe, diesmal passe ich aber viel besser auf.“

      „Vor allem würde ich bis ans Rick rantreiben, immerzu treiben, erst im letzten Augenblick Luft geben.“

      Kornelia fuhr herum. Aber der Schreck und der Ärger, daß jemand ihre Blamage gesehen haben mußte, wich sofort einer Erleichterung: Es war Pölze, die hinter dem Schlehengebüsch am Rande des Feldes hervorgetreten war, Pölze, Kornelias junge Tante, jedenfalls angeheiratete Tante.

      Kornelias Mutter war Witwe und hatte jahrelang ihre drei ledigen Brüder betreut, bis Pölze einen davon, Bertram Werth, heiratete. Frau Kayser lebte mit ihren vier Kindern, von denen Kornelia das älteste war, auf einem Vorwerk nahe dem Werthschen Gut und konnte sich nun ganz diesen Kindern und ihrer Hundezucht widmen, bei der ihr Kornelia mit Eifer und viel Verständnis half. Kornelia sah man fast nie ohne Hund; auch jetzt lag Tina, ihr Liebling, eine ausnehmend schöne, ziemlich große Schäferhündin, hechelnd und aufmerksam neben dem Gebüsch. Sie durfte nicht auffahren und bellen, wenn ihre Herrin ritt. Pölze wäre beinahe auf sie getreten.

      „Ich hätte mir denken können, daß sie hier ist, übrigens gut gezogen, Koko, daß sie so gehorcht. Spring noch mal, treibe bis ans Hindernis, und gib dann Luft. Mit dem Kreuz treiben, verstehst du, Achtung – ja.“

      Richtig, nun sprang die Stute, Kornelia setzte auf, wendete das Pony, das übrigens fast die Größe eines Norwegers hatte, und kam zu Pölze herangeritten. Dann saß Sie ab und klopfte der Stute den Hals.

      „Brav, brav. – Ja, sie reagiert mehr auf Kreuz als auf Schenkel. Und der Sprung jetzt war doch ordentlich, nicht?“ Sie schlenderte, den Arm durch den Zügel gesteckt, neben der jungen Tante weiter.

      „Tante“, sagte sie übrigens nie, höchstens mal aus Neckerei. Aber sie liebte Pölze sehr, und auch Pölze hatte sich sofort herzlich an die zehn Jahre Jüngere angeschlossen. Jetzt, da sie einen kleinen Sohn besaß und das zweite Kind erwartete, war es mit ihrem Reiten natürlich zunächst einmal vorbei, um so mehr kümmerte sie sich um Kornelias Reiterei.

      „Ich komm’ aber wieder in den Sattel, denk nur nicht, daß ich bereits altes Eisen bin“, drohte sie manchmal. „Jetzt aber bist du vorn. Ein Glück, daß du unsere Isländer reitest, bis ich wieder soweit bin.“

      Dieses „Glück“ war kein so reines, jedenfalls dachte Frau Kayser dies mitunter. Kornelia zeigte wenig Interesse für die Schule, bedauerlich wenig. Schon die Tatsache, daß sie sich allzuviel mit den Hunden abgab, bekam ihrem Zeugnis schlecht; man sah genau die abfallende Kurve der Noten, wenn die Wurfkiste daheim voll junger Welpen war. Dazu nun auch noch die Reiterei ... Besonders in Sprachen hatte Kornelia schmählich schlechte Noten, obwohl sie recht begabt und leichter Auffassung war. Aber sie war noch heute wie anfangs in der Volksschule der Meinung, die Schule könne man „nebenbei“ erledigen, und dies ist und bleibt ein Fehlglaube.

      Auch jetzt sprachen sie davon. Pölze versuchte, der Jüngeren klarzumachen, daß für Kornelia noch – noch!

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