Скачать книгу

verraten! Ich bin überall und nirgends, merk es dir.“ Damit war für ihn die Sache abgetan. Pölze atmete auf. Und auch Kornelia, der gar nicht wohl in ihrer Haut gewesen war, schöpfte wieder Luft. Sie wußte: Bertram trug nichts nach. Wenn er seine Meinung gesagt hatte, war es gut, und er kam nicht wieder darauf zurück. Immerhin war sie etwas skeptisch, als ihre Mutter ihr ein paar Tage später ausrichtete, Werths hätten angerufen, sie sollte heute nachmittag hinüberkommen.

      „Wieder Dias ansehen?“ fragte sie und machte ein Gesicht, als wollte sie dann lieber nach Australien auswandern.

      „Nein, sondern etwas anderes“, sagte Frau Kayser und lachte.

      „Du weißt es schon? Bitte, bitte ...“

      „Ich verrate nichts! Nun mach schon, daß du hinüberkommst!“

      Da folgte Kornelia, und wahrhaftig, auf sie wartete eine Überraschung. Vor dem großen Herrenhaus in Niederwerth stand ein nagelneuer, halbgroßer Zweispänner mit Ledersitzen und heruntergeschlagenem Verdeck. Dieses Verdeck war denen der altmodischen Kutschen nachgemacht, sonst aber wirkte der Wagen modern und sehr flott.

      „Bertram hat ihn gekauft, weil wir doch bisher für die Isländer keinen Wagen hatten“, erzählte Pölze, „gefahren sind wir bislang immer nur mit den Shettys, warum eigentlich? Sieh hier, für Berti!“

      Sie war aufgeregt wie ein Kind am Weihnachtsabend, das seine Geschenke vorführt. Am Rücksitz gab es eine Leiste, in die man Bertis kleinen Autositz einhängen konnte, damit er sicher saß. Hinten war ein ordentlicher Gepäckträger angebracht, auch eine Bremse besaß der Wagen. Dies alles gab es beim Shetlandzweispänner nicht.

      „Und wann spannen wir ein und probieren ihn aus?“ fragte Kornelia hingerissen.

      „Jetzt gleich!“ sagte Bertram, soeben hinzutretend. „Und wißt ihr, wohin wir fahren? Zu Habermanns. Die haben gestern einen neuen Transport Isländer und andere Kleinpferde bekommen, die wollte ich mir gern ansehen. Was meinen die Damen zu dem Plan? Sind sie dafür zu begeistern?“

      „Wir meinen, daß du der liebste, beste Ponyonkel von der Welt bist!“ rief Kornelia und fiel ihm ganz schnell um den Hals.

      „Herrlich, herrlich!“

      „Und wen spannen wir ein?“ fragte Pölze.

      „Rodi und Grani!“ rief Kornelia stürmisch. Rodi war der kräftigste Islandwallach auf Niederwerth, erst vierjährig, Grani war zwar älter, aber auch schnell. Bertram hob abwehrend die Hände.

      „Zum Ausprobieren nicht, würde ich sagen. Hjela und Jörp tun es auch. Ich habe sie schon hier, damit wir sie nicht erst von der Weide holen müssen.“

      Er wies nach dem Stall. Kornelia ging hinüber. Sie durfte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken lassen. Und es war jetzt nicht die Zeit für leichtsinnige Experimente. Also fuhr man mit den beiden Stuten ... Zu Habermanns zu fahren war auf alle Fälle lohnend, zumal es neue Ponys zu besichtigen gab.

      Es waren etwa zwölf Kilometer, die man zurückzulegen hatte, und sie nahmen auch Berti mit, damit er seinen neuen Sitz im Isländerwagen einweihte. Erst kutschierte Pölze, bald aber gab sie Kornelia die Zügel.

      „Du brennst doch darauf, oder?“

      Natürlich war Kornelia begierig, fahren zu dürfen, wenn es auch nichts Aufregendes war. Hjela und Jörp gingen einen willigen, gleichmäßigen, aber letztlich lange nicht so rasanten Trab wie die vier kleinen Shettys.

      „Sehr enttäuscht? Aber zuverlässige Pferde haben auch ihre Vorteile“, lachte Bertram. Kornelia wurde rot.

      „Hast recht. Umgeworfen werden wir mit dem Wagen bestimmt nicht.“

      Tina sprang nebenher, ihr behagte es sehr, so weit laufen zu dürfen. Und schließlich sah man das Wahrzeichen von Oberrot auftauchen, jenen gedrungenen, viereckigen Turm, der diesem Gut das Unverwechselbare gab. Habermann erzählte, wenn er gut aufgelegt war, immer neue Spukgeschichten, die sich angeblich in diesem Turm zugetragen hatten. Kornelia freute sich schon darauf und winkte, als sie den Gutsherrn sah – er ritt in seiner ganzen klapperdürren Länge von eins fünfundachtzig einen von den neuen Norwegern, und wieder einmal wunderte sich Kornelia, daß dies gar nicht komisch wirkte. Diese Pferdchen können gut von Erwachsenen geritten werden. Habermann kam sogleich herüber, als er erkannte, wer da mit dem neuen Ponywagen herankam. Er begrüßte seine Gäste freundlich, ein wenig gravitätisch, wie es seine Art war.

      „Gott zum Gruß, edle Damen und nicht minder Herren – was verschafft mir die ungeahnte Ehre ...“

      „Die neuen Ponys“, lachte Kornelia, „wir wollen sie ansehen. Dürfen wir? Wie viele sind es? Darf man auch mal eins reiten? Oder springen? Denken Sie, daß Sie den Transport noch im Herbst loswerden?“

      „Viele Fragen auf einmal, und die letzte ist die schwierigste. Immer den Finger auf den wundesten Punkt gelegt, o holdes Kind“, Habermann grinste, „diese Sorge drückt mir das Herz ab. Im Frühjahr keimt die Tierliebe der Menschen wie das Gras auf den Koppeln, wenn gut gedüngt ist, im Herbst welkt sie dahin ... Dabei sind großartige Kerle dabei, kommen Sie, kommen Sie, Sie müssen sie sofort besichtigen. Wie ist’s? Tun Sie es nur mit den Augen oder auch mit dem ... Herzen?“ Er hatte vor diesem letzten Wort eine ziemliche Pause gemacht und sich ein wenig auf den rückwärtigen Teil seiner Hose geklopft. Kornelia lachte verständnisvoll.

      „Natürlich mit letzterem, wenn man darf.“

      „Ich bitte darum.“

      Habermann hob das rechte Bein über den Pferdehals und hatte gleichzeitig den linken Fuß aus dem Bügel genommen. Nun glitt er seitlich vom Pony, sozusagen aus dem Damensitz, und stand. Kornelia sprang vom Wagen und kam heran.

      „Läßt er aufsitzen?“ fragte sie halblaut.

      „Gut gefragt. Er läßt! Bei jedem neuen Pferd fragen, nie vergessen. Wer es nicht tut, ist nicht, wie er vielleicht meint, sehr mutig, sondern ganz einfach dumm. Wenn Sie ein bißchen rückwärts rutschen und ihn gleichzeitig kitzeln, bockelt er bildschön ...“ Letzteres flüsterte er mit Verschwörermiene. Kornelia verbiß sich ein Lachen.

      Und dann ließ sie den Norweger gehen, Schritt, Trab, Tölt, wendete ihn, Galopp. Es war ein etwas massiger, aber sehr heller Brauner. Er konnte nicht mehr ganz jung sein.

      „Wie alt?“ fragte sie deshalb halblaut, als sie wieder neben Habermann hielt.

      „Acht, im besten Mannesalter. Ich sehe, Sie wissen Bescheid. Es gibt aber auch Käufer, die nach der Farbe wählen ...“ Er grinste, was seinem nicht mehr jungen Gesicht unwahrscheinlichen Charme verlieh. Kornelia rückte ein wenig nach hinten und klopfte leicht mit den Hacken. Der Norweger ging wie auf Verabredung vorn und hinten hoch. Sie saß im Drehpunkt, verschmitzt lachend. Auch Habermann lachte.

      „Ich sehe, ihr zwei versteht euch. Und wie war die Fahrt?“ wandte er sich an Bertram und Pölze. Pölze lachte: „Harmlos, aber schön. Unsere beiden, Hjela und Jörp, sind vor dem Wagen nicht die Schnellsten. Ihre Stärke liegt anderswo, mehr im Springen, vor allem bei Jörp. Nun, gesetzte Damen wie ich ...“

      „... würden auch gern mal mit rasanten Isländern fahren“, ergänzte Habermann. „Kommen Sie, ich habe alles da, was das Herz begehrt.“

      Man hatte die eine Scheune als Auffangstall umgebaut, da meist zweimal im Jahr ein Transport Pferde aus Island ankam. Habermann ging mit seinen Gästen hinüber. Wenn man eintrat, stand man im Mittelgang zweier Boxenreihen, die alle dreiviertelhoch verschalt waren. Aus jeder sah ein Ponykopf heraus. Das war ein Bild. Kornelia unterdrückte nur mit Mühe einen Entzückensschrei, und dann lief sie von Box zu Box, betrachtete, bewunderte, fragte. Die drei andern folgten ihr nach. Es war des Fragens kein Ende. Erst nach mehr als einer Stunde landeten sie im Haus und am Kaffeetisch, an dem Frau Habermann bereits wartete, ein wenig ungeduldig, aber doch verständnisvoll. „Wenn es neue Pferde zu sehen gibt, weiß ich schon, daß die Uhr nachgeht“, sagte sie ergeben.

      Das Thema blieb natürlich auch am

Скачать книгу