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      Die Zeit, die der Zeuge in dem Raum verbringt (= Topikzeit), hat eine längere Zeitdauer als das Gespräch mit dem Freund (= Situationszeit). TSit ist somit in TT enthalten, woraus sich laut Klein (1994) die Abgeschlossenheit des simple past ergibt.

      Aus der bisherigen Darstellung könnte man schließen, dass die Opposition von simple past und past progressive mit der Opposition von perfektiv und imperfektiv vergleichbar ist. Dies ist aber in zweierlei Hinsicht problematisch (vgl. Comrie 1976: 7): Auf der einen Seite kann das simple past problemlos Habitualität ausdrücken (vgl. Tagliamonte/Lawrence 2000); auf der anderen Seite erzeugt es nur mit nicht statischen Verben eine perfektive Lesart; mit statischen ist die Interpretation offen (vgl. Smith 1997: 170–171). Dies äußert sich insofern, als eine kontextuelle Negierung der perfektiven Lesart mit statischen Verben möglich ist (Beispielsatz 41), wohingegen sie mit nicht statischen (Beispielsatz 40) einen ungrammatischen Satz erzeugt:

(40) *Lucas finished the manuscript and he is still finishing it.
(41) Lucas was sick, and he still is sick.
(Beispielsätze aus Salaberry 2008: 48)

      Dass die perfektive Lesart des simple past in Kombination mit statischen Prädikaten kontextuell negiert werden kann, bedeutet, dass sie von der Semantik der Verben abhängt. Dies lässt darauf schließen, dass das englische simple past keine genuin perfektive Verbform ist und dass es sich um einen Tempus- und nicht um einen Aspekt-Marker handelt: „[T]he English Simple Past is not regarded as an aspectual marker but a tense marker, [as] it conveys the meaning of perfectivity […] in a pragmatically ‘cancellable way’“ (Salaberry 2008: 48). De Swart (2012: 761) spricht deshalb von einer aspektneutralen Form:

      [W]e can view the Simple Past as an aspectually neutral tense, which just locates the state or event introduced by the predicate-argument structure in the past […]. The neutral interpretation accounts more easily for stative descriptions […], or the habitual interpretation […].

      Die aspektuelle Unterscheidung im Englischen beläuft sich also nicht auf perfektiv/imperfektiv, sondern auf progressiv/nicht progressiv. Die englische progressive-Form hat mehrere Lesarten: Sie kann sowohl mit einer fokussierenden/punktuellen als auch mit einer durativen Referenzzeit kombiniert werden (vgl. Bertinetto 2000: 565–566; Declerck 2006: 33). Dies zeigt sich beispielsweise durch die Verwendung von adverbialen Ergänzungen, die ein Geschehen zeitlich limitieren:

(42) At 7 p.m. I was still working. (fokussierend)
– – – – – [–] – – – – – –
(43) From 2 to 4 I was reading a book. (durativ)
– – – [ – – – – ] – – – –
(Beispielsätze in Anlehnung an Declerck 2006: 33)

      In Kapitel 2.1.2 wurde darauf eingegangen, dass progressiver Aspekt normalerweise nicht mit statischen Prädikaten verwendet werden kann. Dies trifft auch auf die englische progressive-Form zu. Daraus resultiert, dass sie nur in Kombination mit dem simple past auftreten können, was wiederum bedeutet, dass Kontinuität im Englischen, so wie sie in der vorliegenden Arbeit definiert wird, anders als beispielsweise im Französischen und Spanischen, durch das simple past ausgedrückt wird (vgl. Domínguez et al. 2017: 437). Es gibt allerdings einige Ausnahmen: Statische Verben können in bestimmten Kontexten als Aktivitäts-Verben interpretiert werden, wodurch die Kombination mit der progressive-Form zulässig wird (vgl. Comrie 1976: 36; Smith 1997: 171; vgl. Bertinetto 2000: 584 für eine andere Interpretation):

(44) Fred is being silly.
(= Fred is acting in a silly manner.)
(Beispielsatz aus Comrie 1976: 36)

      Habituelle Ereignisse in der Vergangenheit werden im Englischen durch das simple past oder mithilfe der beiden Auxiliarverben would und used to ausgedrückt (vgl. Binnick 2005: 339; Declerck 2006: 34–35; Tagliamonte/Lawrence 2000):

      [In the past] the auxiliars would and used to are the only […] expressions of habitual aspect […] in English. Otherwise, habitual meaning is normally expressed by a nonprogressive verb form, often in combination with a repetitive adverb like habitually, usually, normally, etc. (Declerck 2006: 34–35).

      Die unterschiedlichen Möglichkeiten des Englischen, Habitualität auszudrücken, werden in den beiden Beispielsätzen 45 und 46 veranschaulicht:

(45) He would often come/used to come and talk to her when he had finished working.
(46) As a child, I usually/often/always met with Harry.
(Beispielsatz 45 aus Declerck 2006: 34)

      Das simple past kann als Habitualitäts-Marker ausgeschlossen werden, da es zusätzliche lexikalische oder pragmatische Mittel benötigt, um eine habituelle Lesart zu erzeugen (vgl. Binnick 2005: 352; Carlson 2012: 831–835). Dennoch ist es jene Form, die im gesprochenen Englisch am häufigsten zum Ausdruck von habitueller Semantik verwendet wird (ca. 70 %; vgl. Tagliamonte/Lawrence 2000: 330). Bezüglich used to und would, die laut der Studie von Tagliamonte und Lawrence eine niedrigere Frequenz aufweisen als das simple past (ca. 19 % bzw. 6 %), herrscht eine widersprüchliche Meinung in der Literatur. Einige Autoren sehen die used-to-Periphrase als Habitualitäts-Marker an (vgl. Comrie 1976: 25; Declerck 2006: 34–35), andere widersprechen dieser Position und argumentieren, dass nur would als ein solcher fungiert (vgl. Binnick 2005).

      Aufgrund der geringen Frequenz, der fehlenden Obligatorität und der Tatsache, dass primär das simple past verwendet wird, um die habituelle Semantik auszudrücken, kann im Englischen nicht von einer vollständig grammatikalisierten Kategorie des habituellen Aspekts gesprochen werden. In der temporalen Domäne der Vorzeitigkeit findet sich die aspektuelle Opposition zwischen dem simple past und der Progressivperiphrase be + V-ing, die im Unterschied zum Imperfekt, wie es sich im Lateinischen und den romanischen Sprachen vorfindet, nicht mit statischen Prädikaten kombiniert werden kann. Überhaupt handelt es sich beim progressiven Aspekt um eine Subkategorie des imperfektiven, weshalb ein Vergleich nur im Bereich der progressiven Semantik mit nicht statischen Prädikaten möglich ist. In den folgenden Kapiteln wird dargestellt, wie die Opposition perfektiv/imperfektiv im Lateinischen und den romanischen Sprachen versprachlicht wird.

      2.3.3 Das Lateinische

      Im Unterschied zum Deutschen und zum Englischen besitzt das Lateinische als erste hier behandelte Sprache die aspektuelle Opposition von perfektiv/imperfektiv. Jede der drei lateinischen Zeitstufen kann prinzipiell in perfectum und infectum unterteilt werden (vgl. Hewson 2012: 507–509; Maiden 2011: 175; Salvi 2011: 327), allerdings findet sich die Opposition zwischen dem perfektiven Perfekt (laudavit) und dem Imperfekt (laudabat) wie in den romanischen Sprachen nur auf der Zeitebene der Vergangenheit.

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