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Deo 2012: 165; Mair 2012: 806). Damit unterscheidet sie sich von der kontinuativen Semantik, welcher bezüglich der Kombination mit lexikalischem Aspekt keine Einschränkungen unterliegen (vgl. Comrie 1976: 25; Mair 2012: 806). Darüber hinaus ist bei der Kontinuität der (Referenz-)Zeitpunkt durativ (vgl. García Fernández 2004: 43; Pérez Saldanya 2004: 215–216; Real Academia Española 2009: 1689). Ein Überblick über die beiden gerade besprochenen Semantiken findet sich in Tabelle 3:

Progressivität Kontinuität
fokalisierend durativ
Kombination mit lexikalischem Aspekt nicht statisch nicht statisch frei
Referenzzeitintervall punktuell durativ durativ

      Tab. 3:

      Abgrenzung von Progressivität und Kontinuität

      Auch wenn es aus typologischer Sicht sinnvoll erscheinen mag, die Semantiken des progressiven und kontinuativen Aspekts getrennt zu behandeln (vgl. Mair 2012: 806–807), ist eine solche Trennung bei Sprachen, die nicht über unterschiedliche Marker, sondern beispielsweise nur über ein Imperfekt verfügen, schwierig (vgl. Arche 2014: 811). Es sei deshalb an dieser Stelle schon vorweggenommen, dass im empirischen Teil der Arbeit die Restriktionen bezüglich der Kombinierbarkeit mit lexikalischem Aspekt herangezogen werden, um Progressivität und Kontinuität voneinander abzugrenzen. Eine Handlung, die als unbegrenzt betrachtet wird, nicht habituell ist und in Kombination mit nicht statischen Prädikaten auftritt, wird als progressiv bezeichnet; wird sie ausschließlich mit statischen Prädikaten kombiniert, wird von (nicht progressiver) Kontinuität gesprochen.4

      2.1.3 Unterscheidung von grammatikalischem und lexikalischem Aspekt

      Das Verhältnis von lexikalischem und grammatikalischem Aspekt ist Mittelpunkt zahlreicher Debatten. Vertreter des unidimensionalen Ansatzes nehmen an, dass grammatikalischer und lexikalischer Aspekt auf semantischer Ebene dasselbe ausdrücken (vgl. De Swart 1998; Verkuyl 1972, 1999). Befürworter des bidimensionalen Ansatzes hingegen sind der Meinung, dass lexikalischer und grammatikalischer Aspekt getrennt betrachtet werden müssen und unterschiedliche aspektuelle Informationen kodieren (vgl. Depraetere 1995; Smith 1997, 2012). Im Folgenden wird ein Überblick über die verschiedenen Positionen geliefert.

      Depraetere (1995) nimmt das imperfective paradoxon (vgl. Dowty 1979: 133–138) als Ausgangspunkt, um die Wichtigkeit der Unterscheidung von (A-)Telizität und (Un-)Begrenztheit (en. (un)boundedness) zu betonen. Sie definiert beide Konzepte folgendermaßen:

      (A)telicity has to do with whether or not a situation is described as having an inherent or intended endpoint; (un)boundedness relates to whether or not a situation is described as having reached a temporal boundary (Depraetere 1995: 2–3).

      Demnach kann eine Situation als begrenzt oder unbegrenzt dargestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob sie einen inhärenten Endpunkt besitzt. Das Prädikat write a nursery rhyme in Beispielsatz 13 ist zwar telisch, wird aber durch die Verwendung der progressive-Form als unbegrenzt dargestellt:

(13) She is writing a nursery rhyme. (telisch, unbegrenzt)
(Beispielsatz aus Depraetere 1995: 3)

      Auch Smith (2012: 2581) unterscheidet zwei Arten aspektueller Information, die zwar miteinander interagieren, aber voneinander unabhängig sind. Die Situation selbst hat ihre inhärente Semantik, welche durch den grammatikalischen Aspekt semantisch sichtbar gemacht werden kann. Grammatikalischer Aspekt operiert gewissermaßen auf der inhärenten Semantik der Verbalphrase. Im Gegensatz zu Vendlers (1957) Zeitschemata verwendet Smith eine fünfteilige Gliederung und spricht von sogenannten Situationstypen,1 die vom Verb und dessen Argumenten bestimmt werden. Die aspektuelle Grundbedeutung dieser Situationstypen kann durch zusätzliche Information, wie beispielsweise Adverbien oder grammatikalische Morpheme, geändert werden (vgl. Smith 2012: 2585–2586).2 Dieses Phänomen, das in der Literatur als situation type shift oder coercion bezeichnet wird, wird nach einem kurzen Überblick über Vertreter des unidimensionalen Ansatzes näher beschrieben. Diese sind der Meinung, dass grammatikalischem und lexikalischem Aspekt dieselben aspektuellen Konzepte zugrunde liegen (vgl. De Swart 1998; Verkuyl 1972, 1999). Im Unterschied zu Depraetere (1995) unterscheiden sie also beispielsweise nicht zwischen (A-)Telizität und (Un-)Begrenztheit.

      Verkuyl (1999) geht von zwei aspektuellen Grundbedeutungen aus, die er als durativ und terminativ bezeichnet.3 Für die aspektuelle Interpretation eines Satzes schlägt er eine kompositionelle Analyse vor. Ein Verb kann prinzipiell den Wert [+/- ADD TO] haben, je nachdem ob es statisch [- ADD TO] oder dynamisch [+ ADD TO] ist. Im ersten Schritt verbindet sich das Verb mit seinen Argumenten, die wiederum die Werte für eine spezifische oder unspezifische Quantität ausdrücken, das heißt, die Werte [+/- SQA] haben können. Ist das Verb statisch, so ist der [SQA]-Wert der Argumente belanglos und der aspektuelle Wert des Satzes bleibt durativ. Wenn das Verb hingegen dynamisch ist, hängt die Interpretation von den entsprechenden [SQA]-Werten ab. Damit ein Satz als terminativ interpretiert werden kann, müssen sowohl [ADD TO]- als auch [SQA]-Werte positiv sein. Dies wird von Verkuyl (1999: 131) als plus principle bezeichnet. Aus dieser kompositionellen Analyse ergeben sich drei grundlegende aspektuelle Kategorien, die in Tabelle 4 zusammengefasst sind:

Nominalphrase [+/- SQA] [- SQA] [+ SQA]
Zustand Prozess Ereignis
Verb [- ADD TO] [+ ADD TO] [+ ADD TO]

      Tab. 4:

      Dreiteilige Klassifikation der Aspektkategorien nach Verkuyl (1999: 131)

      De Swart (1998: 351) übernimmt eine solche dreiteilige Taxonomie und unterscheidet ebenfalls zwischen den Aspektklassen der Zustände (statisch, atelisch), der Prozesse (dynamisch, atelisch) und der Ereignisse (dynamisch, telisch). Auf den Eventualitäten (= ein Überbegriff für unterschiedliche Situationen), aus denen sich durch eine entsprechende Klassifizierung die drei Aspektklassen ergeben, operieren Tempus- und Aspektoperatoren, und zwar in der Reihenfolge, die durch die nachstehende syntaktische Struktur wiedergegeben wird: [Tempus [Aspekt* [Eventualitätsbeschreibung]]] (vgl. De Swart 2012: 765).4

      Prinzipiell reicht die Aspektklasse der Eventualitätsbeschreibung aus, um die Aspektualität eines Satzes adäquat zu interpretieren. Folglich sind in den Sätzen 14 und 15 keine Aspekt-Operatoren notwendig. Der Vergangenheits-Operator PAST und die Aspektklasse allein sind ausreichend, um die Situation adäquat zu deuten (vgl. De Swart 1998: 352–353):

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(14) Anne was ill. (Zustand, unbegrenzt)
[PAST [Anne be ill]]