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ihr her, seine Schuhe brannten wie Kneifzangen. Er drehte seine Wut, von der sie nicht erreicht zu werden schien, den Kellern zu, aber da war nichts mehr, weder Gaffer noch Löcher. Die Gegend war verändert; sie waren weiter hinaus gelangt, als er zu meinen sich entsann. Die Schutthaufen sahen geglättet aus, Hügel an Hügel, und Kreuze waren darauf gepflanzt. Da bin ich noch gar nicht gewesen, dachte er, und duster ist es auch schon. Die Hügel lagen überall im Weg, er stolperte hierhin und dorthin. Die Weidenröschen standen dicht und hoch, starr wie Bambus schlugen sie in sein Gesicht. Und man hörte die Kröten aus den Muddlöchern den Baß blasen zum Lied der Törin, und dort, wo sie ging, war ein dünner Weg, dort, sieh an, ging auch seine Bootskatze und schrie begehrlich. Er mußte wohl oder übel ihr nach, und es war wohl auch klüger wegen der weggeschnappten teuren Armbandsache. Auch würde sie schon wissen, diese gefährliche Buckellerche, wie man aus diesem elenden Friedhofe hinaus gelangen könne. Sie sang so völlig unbeschwert, sang und sang. Es ist der Mond, sagte sich der Fischknecht, der hinter den Wolken sich herumdrückt, der zaubert schlimmer als ein Schnapshändler. Und er zog eine Flasche aus der Jacke und nahm einen stärkenden Schluck. Wird’s nun bald? fragte die Törin.

      Er wäre fast auf sie aufgeprallt, so plötzlich hatte sie sich wieder umgewandt und stand dicht vor ihm; er mußte sich an ihren Armen halten, und das fühlte sich nicht unangenehm an, schade nur, daß dabei die Flasche ihm aus der Hand entglitt und zerschellte. Die Bootskatze – oho, träume ich? dachte er –, die Bootskatze zerschellte mit.

      Verzeihung, sagte er höflich. Die Törin erwiderte milde: Setz ab! Zieh aus! Da setzte er wahrhaftig die dicke Mütze ab, die er um fünf Kilo grünen Aal erscheuert hatte. Deck dir den Buckel damit zu, wollte er sagen. Es wollte ihm jedoch nicht durch die Kehle. Sie lächelte ihn an, und sie lächelte gut. Und die Schuhe, die engen Schuhe? drängelte sie.

      Wer redet von eng? erwiderte er. Ich hab, was ich hab.

      Dabei hätte er aufheulen mögen, seine Füße saßen wie in Schraubstöcken. Ich brauche die Senkel nur ein wenig lockerer zu schnüren. Er bemühte sich, derartiges ganz behaglich hervorzubringen, bückte sich aber schon eilig, und dabei berührte seine Stirn ihre Knie, und gerade begann sie wieder zu singen. Der bebende Klang floß in ihn ein, durch ihre Knie in seine Stirn, und indem er sich für bodenlos lächerlich hielt, weil er daranging, seine tadellosen Sonntagsschuhe, weiß dieser und jener, von den Socken herunterzuwürgen, kam eine süße Freudigkeit über ihn, so, als müsse er ihre Knie dankbar umfassen, denen er gleich anderen gelegentlich gern nachgeblickt hatte, ihrem Buckel zum Trotz und allen sonstigen Erlebnissen, die derzeit mit genügend frischen Fischen leichtlich einzustreichen waren. Nimm den Dreck! sagte er dann, so heftig es gehen wollte, und er richtete sich auf, und es beruhigte ihn, daß sie sich allein und im Dunkeln befanden: Und nun laß das Gesinge und raus mit der Sprache!

      Du mußt erst auch noch deine Jacke ausziehen! entgegnete sie. Für die hätte hier jedermann mindestens eine Woche lang gut Fisch gehabt.

      Schwindel, gräßlicher Schwindel! brüllte er auf, und ihm war wirklich ganz schwindlig. Ja, es ist heiß, brummte er dann, und damit zog er, man sollte es nicht glauben, tatsächlich die Jacke aus. Los, los! sagte er benommen. Ja, da sind wir! lachte sie. Sie standen wieder mitten im Ort, und die Mäuler grinsten ringsum aus den Kellerlöchern, auch die Kinder wagten sich wieder heran, so scheu sie sich vordem verkrochen hatten; sie witterten, daß das Verderbliche sich gesänftigt habe und das Unnütze fruchtbar geworden sei. Da schenkte ihnen die Törin die guten Sachen, die Jacke, die Schuhe, die Mütze und ...

      Halt, halt! ...

      Aber da war auch die schon weg, die wunderschöne Armbanduhr. Der Fischer hatte nur leise halt gerufen. Er schien zu hoffen, daß niemand ihn gewahrte, wenn er so tat, als gewahre er niemanden. Aber auf einmal fuchtelte er mit den Armen, nun, wo die Kinder mit seinen Sachen davongeweht waren wie eine Wolke Mörtelstaub. Wo ist der Satan? brüllte er. Wo ist er, der mein Boot kaputtgemacht hat und mein Geschäft? Ich will ihn wie eine Qualle zertreten!

      Komm! sagte die Törin.

      Hier auf der Stelle will ich Muschelfleisch aus ihm machen! winselte der Fischknecht.

      Komm nur! lächelte die Törin und ging weiter.

      Er torkelte ihr nach, schäumend vor Grimm, und sie sang. Er hörte gar nicht mehr zu, er schrie nur immer wieder: Her mit dem Luder! Ich will ihn an der Zunge aufhängen! Ich will ihn zu Regenwürmern verarbeiten.

      Sie sang immer weiter und immer lieblicher. Er brüllte so, daß er sich selber nicht mehr vernahm. Und da er, barhaupt und hemdärmelig und in bloßen Strümpfen, wie er war, allmählich abkühlte, der Mond auch wieder aus den Wolken rollte und die Landschaft aufs neue verhexte, und diesmal ins Schönere, fing sein Auge sich wieder an ihrem Buckel und glitt ab zu ihrer Schlankheit, und wunderte sich, wie solches beieinander sein konnte und ihn überlistet hatte mitsamt ihrer Stimme. Noch einmal brüllte er, sich anstemmend gegen etwas ganz und gar Unberechnetes, brüllte aus Leibeskräften und wie eine Heulboje bei Windstärke 10: Her mit dem Schuft! Ich will ihm die Beine um die eigene Gurgel verknoten! Sag! Sag! Wer ist es gewesen oder ...

      Und seine Fäuste holten zu Schrecklichem aus.

      Da sprang die Törin wie ein Kätzlein ihm unter die Achsel und reckte den Mund zu ihm auf. Welch Angefühl doch, welch schnurriges Angefühl war es dem derben Klotz, der Fischer Plucks hieß. Wer war es? röchelte er mit letzter Energie.

      Ich! schnurrte sie: Vielleicht ich. Nun tu, was du willst!

      Er tat, was er wollte, ja, was er wollte ... das heißt, eigentsollte man von hier ab schweigen. Die beiden zogen danach in die große Stadt, und Plucks fuhr dann auf den Fischdampfern, die er vormals verachtet hatte. Und ihr Vater wohnte bei ihnen und wurde am Hafen angestellt, weit besser als vordem bei der Ziegelei, nachdem sich allerseits seine Unschuld ergeben hatte. Und die kleine Törin, Moiji, sang sie noch? Gewiß. Drei Kindlein hatte sie, alle drei ohne Buckel. Grund genug für viele Wiegenlieder. Und wenn die Toten zu Besuch kamen, denen sie vorgesungen hatte in der kleinen Stadt, in dem kleinen verrotteten Ort – inzwischen blühte er neu –, dann nickte sie ihnen zu und sagte: Husch! Hört ihr es ticken?

      Und die Abgeschiedenen, von denen man nichts weiß, aber doch ahnen mag, daß sie imstande seien, ganze Ebenen zu füllen oder auch winzig zu sein wie ein Bazillus, versammelten sich um die Armbanduhr, die auf Umwegen mit Recht an den gelangt war, der das Glück der Törin begründet, an den nämlich, der das Boot wirklich in die Luft gesprengt hatte, und der ab und an mit der Handkante durch den Wind hieb, als wolle er einen Schwarm Mücken verscheuchen. Später wollte er die Uhr wieder loswerden, geriet in Streit darüber, betrank sich maßlos, fiel ins Wasser oder wurde hineinbefördert und ging unter wie ein lecker Kahn. Weg war er.

      Herz, geh in dich

      und sieh, wie öd und leer

      du nun geworden bist!

      Erfülle dich und mich

      mit Zartgefühl und Geist

      zu deines Himmels Wiederkehr!

      Hol über, Cherub!

      Das war auch so eines der Lieder, welche Moiji, die Törin, gesungen hatte. Ist es erstaunlich, daß viele geglaubt haben, sie sei nicht recht bei Trost? Möge uns allen die Gnade leuchten, das Wirkliche vom Scheinbaren zu unterscheiden!

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