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ihm oben an Deck kredenzt ward, und trank den Segeln zu und dann den Herren, und die Herren tranken ebenfalls und lächelten gezwungen verständnisvoll, und er lachte kurz und erklärte, auch die Vitalier habe er nach Belieben im Drill, und er wünsche einen kleinen Zusatz deswegen in der Urkunde, so, als sei sie nicht nur zwischen dem Rate und ihm, sondern zugleich mit denen da geschlossen.

      Die Herren Unterhändler seufzten und wollten in die Kajüte zur Beratschlagung, aber Imel ging stracks gleich mit, um es kurz zu machen; denn so unverschämt sicher fühlte er sich bis in die Haarwurzeln. Und er winkte seinen Knaben hinterher, daß er der hübschen Maßnahme beiwohne und ihm den Zusatz vorlese, sobald er geschrieben sei, und den Namen Abdena darunter füge, den stolzen Namen, der nunmehr sogar der Hanse Anordnungen gab. Der Knabe winkte vergnügt noch einmal zum Ufer zurück, wo Dirik, sein ältester Bruder, wie ein halsloser buckliger Bär am Bootssteg stand und unruhig herübersah und somit den Jungen zum letztenmal lebend erblickte.

      Denn sobald die Kajütentür zuschlug, fielen sie über Imel her; aus allen Ecken und Vorhängen stürzten Bewaffnete und banden und knebelten den gewaltigen Friesländer, und man merkte, wie wenig seine Fäuste vermochten, er ließ fast willenlos das Unerhörte mit sich geschehen. Der Kleine aber, der sprachlos mit ansah, wie die ragende Esche, die sein Vater doch war, umfiel beim ersten Streich, glaubte vor Scham in den Boden versinken zu müssen, fuhr dann aber mit unversehentlicher Wildheit dazwischen. Sie hieben ihm vor die Stirn mit seinem eigenen Tintenfaß, das er sich mitgebracht.

      In aller Ruhe dann setzten die Hamburger Segel, nahmen den Anker auf und glitten davon gen See, ehe sich Imels Knechte, von Dirik angelärmt, das Maul gewischt hatten, so daß es allen zu spät deuchte, hinterdrein zu knüppeln, jedermann auch hoffte, die aufkommenden Vitalier würden die Mücke schon greifen, falls da etwas faul stänke, wofür ihnen jedoch kein Anzeichen erkennbar schien. Imel in seiner Selbstherrlichkeit mochte vielleicht sogar eine Reise gen Hamburg Vorhaben, um sich mit wer weiß was an Größe und Verhandlung zu krönen. Hatte doch auch der Knabe Ate noch eben munter herübergewinkt.

      Nun gut und nicht gut, es war zu spüren, daß wenige ihn von Herzen liebten, den machtvollen Imel, und jeder ihm gern überließ, nach Gewohnheit für sich selber zu sorgen.

      Die Vitalier nun, das mußte man bald ersehen, waren überhaupt nicht auf den Verdacht gekommen, dem kleinen Fahrzeug Bedeutung beizumessen. Sie hatten sich auf ein saftiges Getümmel und ungewöhnliche Beute gerüstet und waren schlecht gelaunt, Reede und Hafen ohne Hansen zu finden. Dem flinken Segel aber nachzustoßen, darin sahen sie keinen Vorteil, sie wollten sich wohl auch nicht bekneifen mit der Aussichtslosigkeit, auch verlangte es keiner derer, die nun notgedrungen, wenn auch in gesetzten Formen die Mahlzeit mit ihnen teilten; denn zunächst hatte keiner die Neigung verspürt, sich auch nur der leisesten Befürchtung wegen Imels hinzugeben. Dirik aber nahm die beiden damaligen Hauptleute der Helgoländer Brattewand und Gutzkuhl mit zu Sebaldas erlesenem Tisch, dazu die Verwandten Goddert und Snelger Abdena sowie Ohm Sibert. Und gerade Ohm Sibert war es, der Sebalda mit würzigen Bemerkungen zu erheitern suchte, er, der hinterm Zaun so grimmig gegen sie gewettert, aber nun sagte ihm ein befriedigendes Gefühl, daß in diesem Hause so Krone als Übermaß schon zum Eulenloch hinausgefahren seien, und er hob den Stürzbecher zwinkernd auf gegen das Muschelhorn, das unterm Balken hing, und meinte gelassen, es erinnere ihn ein wenig an eben diesen Becher und damit an das Wappen Störtebekers. Mehr sagte er nicht darüber, aber Sebalda und Dirik spürten, daß er etwas Böses angedeutet haben wollte. Die Vitalier aber glaubten, es sei eine Verbeugung, und tranken voll und bei zurück und waren später nur mit Mühe auf ihre Hulken zurückzubringen und hätten Sebalda gern wieder mitgenommen, das war klar. Sie aber trug ihnen Grüße auf an ihre Eltern.

      Als Dirik danach schwerfällig den Großonkel zur Rede stellte, was er mit der Anspielung gemeint, da verbarg der sich nicht länger und lachte heimtückisch über Dirik hinweg: So gesoffen wie geblasen! Mehr habe er nicht sagen wollen, aber auch nicht weniger.

      Was schon sollte Dirik daraus entnehmen? Wollte der Onkel andeuten, der Vater habe sich übernommen und deswegen wäre nun alle Anstrengung in die leere Luft gepfiffen? Ihm wurde aufbegehrlich zu Sinn, er fragte, was zu bewerkstelligen sei, aber der Onkel knöpfte sich zu, als sei er persönlich beleidigt, und ritt von dannen.

      Sebalda jedoch schien ohne Furcht. Sie verbarg alle trübe Ahnung vor sich selber. Ihr Thron stand allzu hoch, da mochte sie noch nicht herunter.

      Nach einer halben Woche fand man den toten Ate am Strande angetrieben. Das war bitter und machte alle leichtherzigen Vorstellungen von Imels Reise zunichte. Sebalda weinte nicht um Ate, das überließ sie den Schwestern, obschon die sich gegen ihn gewandt hatten, als er Sebaldas schillerndem Getue — so nannten sie es, wenn auch auf Friesisch — erlegen war. Jetzt beweinten sie seine vernichtete Zukunft, hatten sie ihn doch schon als Propst gesehen und sich auf seine Predigten gefreut, die ihnen, so hatten sie gehofft, Trost und Genugtuung hätten spenden sollen, wenn er, erwachsen und einsichtig geworden, die schwarze Hexe verdammt haben würde.

      Nun ging es Sebalda um Imels und ihre Herrlichkeit. Sie stachelte den klobenfüßigen Dirik auf, nach Hamburg zu reisen, wollte auch selber mit, aber Dirik kratzte sich hinter den Sichelohren, und es sah aus, als kratze er sich zugleich den Buckel, und er murmelte etwas von Geleitbriefen, die sie brauchten. Und es verging keine Woche, da hatte sie ein Schreiben vom Propst besorgt, der auch eins vom Grafen Dietrich zu Oldenburg erwirken wollte, um so Geistlich und Weltlich zu gutem Schutze zu vereinigen. Da aber auch hörten sie schon von Helgoland, wo man ausreisenden Hamburger Kaufleuten auf die Zähne gefühlt, daß Imel zwar noch am Leben sei, aber vor das peinliche Gericht gestellt würde, weil er die Seeräuberei unterstützt. Über den Ausgang konnte kein Zweifel sein. Hönris selber brachte diese Nachricht, er humpelte freudig damit herein, er wollte das Vergnügen genießen, Sebalda, die weggelaufene Katze, zermauzt und zerschmettert zu sehn. Aber er irrte sich, Sebalda blieb aufgerichtet, so ungeheuer es sie auch befiel, es waren mächtige Pfeiler, die ihren Dom trugen, und Hönris mußte glauben, sie habe längst bessere Kunde und Imel könne im nächsten Wimperzuck am Grabentor auftauchen. Schlugen nicht die Hunde schon an? Hönris hielt es für geratener, wieder abzuschwimmen. Er klapperte auf seinem Gaul, der gichtig und ausgelaugt war wie er selber, zu den Hovetlingen ringsum in der grünen feuchten Weite, darin die Kopfweiden wie verlassene Heerhaufen standen.

      Die Verwandtschaft beauftragte Dirik, sich schleunigst um die Sache zu bekümmern. Aber Dirik war schon dabei, auf Sebaldas Rat Lösegeld zu sammeln, und das nicht gerade bei den Verwandten. Und jedermann gab; denn obgleich ein Edler dem andern und diesmal Imel den Reinfall wohl gönnte, hätte doch keiner gern einen der ihren schmählich unterm Henker enden sehen. Lieber wollte man der Dockemund an die blanke Haut, ihr schob man alle Schuld zu, und man hetzte die Verwandten an, die Schmach der Familie selber zu tilgen. Papinga und seine Vettern drangen zur Nachtzeit — Dirik hatte man schon auf den Weg gen Hamburg gesetzt — in den Emshof ein. Aber Sebalda war auch schon fort.

      Kraft seiner Schutzbriefe geschah Dirik keinerlei Unbill zu Hamburg, nur seinen Vater bekam er nicht zu Gesicht. Man nahm seine beiden Mantelsäcke voll Lösegeld ohne Zaudern, und es verging eine Zeit damit, ehe der Wert an Schmuck aus edlem Metall, an echten Steinen und guten Geldernschen Gulden zusammengerechnet war, und da es dann angeblich nicht reichte, um die Aburteilung noch lange hinauszuschieben, es für Dirik selber auch knapp wurde, da die Herberge am Pferdemarkt nicht billig war und weder die Dominikaner noch die Minoriten ihn um Gottes Gnade aufnehmen wollten, in Ansehung des schwebenden Verfahrens, so schickte er einen der beiden Knechte, die er mitgenommen, nach Friesland zurück und ließ durch Ohm Papinga alles zu Geld machen, was in Imels Speichern an Waren lagerte, auch die Waffen und Rüstungen, danach auch alles Vieh, danach auch die Viehweiden, dann das Ackerland und dann die Höfe und Lagerhäuser, nebst allen Geräten, schließlich auch die Schiffe und die Schiffswerften und was dazu gehörte; denn er hatte als ältester der Söhne das Erbe zu verwalten, weil der Vater, der Freiheit beraubt, in Schanden saß. Dennoch hätte Dirik solch selbstvernichtende Entscheidungen und Veräußerungen nicht aus sich getroffen. Es war aber bald nach ihm Sebalda in Hamburg gelandet und hatte ihn in der Herberge gefunden, und sie sah kaum besser aus als eine Landstreicherin, hatte aber ihr innerstes Feuer nicht verloren und heizte jetzt den buckligen Dirik nach ihrer besten Einsicht auf, wie sie vormals den Alten aufgeheizt, und es geschah wegen

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