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Hamburger, obschon sie sich kräftiger entwickelten als die übrigen Städte des gewichtigen Hansabundes, im Jahre 1431 plötzlich gute Mienen und schickten den Friesen Botschaft, daß sie gedächten, auf gütlichem Wege über die Anteile zu verhandeln. Da lachte Imel Abdena nicht schlecht und berief die Versammlung. Sein gelber Karolus-Magnus-Bart tanzte ihm unter der Nase, er schlug sich mit der flachen Hand lustig auf das breite Kinn, ja, das war sein Tag, sein höchster Glanz und Stern, daß die Hansen, die oberfeinen Stadtmännlein, die Würgekrämer, die Protzbeutel ihm vor die Schuhe kröchen und liebreiche Verklarung suchten. Die übrigen Obleute nun sahen die Gelegenheit, daß er sich die Finger verbrennen könne, und baten ihn, doch die Angelegenheit für sie alle zu führen.

      Das war es, was Imel gewollt, und es schwoll ihm der Kamm, so daß er richtig gesprächig wurde.

      Dickwanstige Biertonnen, drei Pampslöffel drauf, daran muffige Bettlaken als Segel, so schilderte er da die Hamburger Schiffe, die berühmten Koggen und Hulken, denen vor drei Jahrzehnten die Vitalierhelden aus reiner Gutmütigkeit und Dusselei zum Opfer gefallen seien. Wie wollten sie sie doch empfangen! Mit einem Grinsen von einem Ohr zum andern. Kein anderer Gruß nimmt es mit solchem Friesenlächeln an durchdringend unziemlicher Erbötigkeit auf.

      Haben wir übrigens die Ohren der Abdenas erwähnt? Sie hatten unverkennbare Ohren, gegen die grellste Sonne wußte man, das mußte ein Abdena sein, selbst bei Ate, so mondsichelförmig bogen sich deren Ohren ab, oben spitz, unten spitz, wohlgemerkt, von vorn oder von hinten betrachtet, wie abgespalten wirkten sie an den Haublockschädeln und zumal bei dem ducknackigen Dirik. Jedoch von der Seite gesehen war der Eindruck kaum anders als bei gewöhnlichen Ohren.

      Sebalda nun, da er ihr alles zu Hause haarklein berichtete, damit ihr Stolz sich mit seinem mische, sie meinte, ein Grinsen wäre zu wenig fürstlich und sei es so lang und geschmeidig wie ein Regenwurm und gleich ekelhaft. Aber Imel wollte den verwöhnten Schlünden keine Atzung gönnen, bevor nicht etwas Urkundliches über seine Berechtigungen ausgefertigt sei. Die Herren sollten nicht glauben, daß er nötig habe, deren Gemüt mit Imbiß und Umtrunk rosig zu kitzeln. Mochten sie gerne erkennen, wie trefflich es sich lebe hier an der Unterems, mochten sie sein festes Schloß gern von außen bestaunen, mochten sie von ferne sich daran laben, wie er seinen Knechten an dem Tage auftischen ließ, daß die offenen Speicherschuppen krachten von Schinken, Würsten, Lachsfladen, Rosinenklöben, echtem Eimbekker Bier und girondischem Rotspon. Man dürfe die Hansen nicht zu nahe lassen, sagte er, die seien von der gierigen Sorte; lädt man sie zum Sitzen ein, so nehmen sie alsbald Besitz. Derweilen habe er für alle Fälle gründlich vorgesorgt, ihnen die Krallen zu bestoßen.

      Sebalda wäre gern mit Imel in allen Teilen eins gewesen, flögen seine Pläne noch so hoch und sei es zur Herrschaft der Welt. Aber gar zu gern doch hätte sie den Ratsherren ihre Kochkunst gewiesen. Und wenn sie den Stadtmenschen auch nicht traute und schon zu Amsterdam allesamt für Drachen auf Filzsohlen gehalten, so war sie sich dennoch der eigenen Wirkung zu bewußt, um nicht für Imel dadurch einen anmutigeren und rascheren Sieg zu erhoffen als durch das bloße Gerede unter Männern. Als sie aber merkte, wie Imel eine Menge Volks zusammenzog und mit Waffen versorgte und einen regelrechten Hinterhalt zu Marienhave anlegte, da erboste sie sich und katzte ihn fauchend an. Und wenn sie auch gleich danach wieder schmeichelte und sich selber schalt, weil sie von Kind her Mord und Brand in allzu schrecklicher Erinnerung habe, es verdroß Imel doch, der bis dahin ernsthafte Einwände, zumal von Frauen, nicht erlebt hatte, ja, es ärgerte ihn kläglich, daß er solcher Heftigkeit überhaupt so lange zugehört. Er fuhr die Ungestüme barsch an, und das in dem Augenblick, da ihm im Innern aufging, wie recht sie wahrscheinlich habe. Aber solche jähe unbekannte, unbequeme Unsicherheit ärgerte ihn noch mehr, so daß er der benommen Verstummten verbot, sich beim Empfang der Gäste blicken zu lassen.

      Mochten die Hansen kommen, so dick sie wollten, er war gerüstet. Aber diesmal schickten die Hamburger keine Großmaster in die Emsmündung, keine herausfordernde Flotte mit bemalten Segeln und prächtigen Flaggen und nichts von kriegerischer Musik und Gespieße, Panzerblitzen und prangenden Kugelrohren. Ganz bescheiden fand sich nichts als eine kleine friedliche Schnigge ein, keine Schnecke allerdings, sondern ein ranker Schnellsegler, ein rechtes flinkes Botschaftsboot mit ein paar Ratsherren und Matrosen darauf, soviel man sah.

      Das war alles? Imel Abdena zog die Wangen zusammen, so daß sein schmaler Mund spitzfindig klein wurde, als wolle er sich diesem unerwartet spärlichen Maße der hansischen Gesandtschaft anpassen. Und dann winkte er seinen gaffenden Söhnen und den Knechten zu, sie sollten sich umdrehen, damit niemand ihr Grinsen sehe, da es der Gelegenheit nach allzu dumm geraten sei, und er knurrte belustigt, sie sollten ihre Messer wieder aus den Hosen entlassen und die Morgensterne hinterm Rücken beiseite legen und die Kugelbüchsen hinter den Lagerhäusern mit Kuhhäuten vermummeln und weiter frühstücken. Ja, wären Hunderte und Tausende gekommen, so hätte er sie alle grinsend an Land steigen heißen zu lauerndem Willkomm und ihnen, so sie nicht gutmütig geblieben, einen eisernen Schmaus und in den nassen Wiesen ein Bett für die Ewigkeit richten lassen. Volks hatte er hinreichend zur Hand.

      Nun, da der erspannte Druck ausblieb, blähte es ihn gleichsam auseinander, den mächtigen Imel und machte seine Überlegung dünn. Was nun sollte er denen das groß herzeigen, was er um sich zusammengerafft? Würde es nicht merklich nach Ängstlichkeit riechen, daß er sich so mit Getöse umgab? Würde da nicht das abfällig durchschauende Grinsen berechtigter oberhalb der sauberen Ratskrausen Platz finden? Auf einmal deuchte es ihm unsinnig, die hansischen Füße an den Ufersteg zu lassen, die gierigen Sohlen, daran leichtlieh ein Stück Freiheit und Würde des lieben Landes hängenbleiben könne, wer weiß durch welchen gelehrten Zauber. Auch reizte ihn die Bauart des schniegligen Schiffleins, und er hätte es gern nahebei und betreffs der inneren Spantung geprüft. Auch gedachte er Sebaldas, die zierlicher war als dieses Elbschiff, und er hätte sie gern zur Stelle gehabt, um sie als sein Glanzstück daneben herzuzeigen, den süßen Buttervogel.

      Was alles ihm auch im Schädel herum summen mochte, jedenfalls holte Imel Abdena nunmehr zu seinem eigenen Niederschlag aus, und wenn er Sebaldas gedachte, so war es im Grunde weniger Eitelkeit als vielmehr die bedrückende Ahnung, daß er zum ersten Male in seinem Dasein einen klugen Zurat entbehre und eine Unterstützung seines Entschlusses. Aber das kluge Kind saß stromauf zu Emden und spann Unmut, obschon es recht gehabt hatte, wie ihm jetzt schwanen wollte, mit der kleinen Festtafel voll Leckereien. Somit stieß er seine Unsicherheit mit hartem Atem von sich und schnob einem der Söhne zu, er solle der Dockemund Nachricht geben, in Bälde das bedachte Mahl für ein halb Dutzend Gäste zu richten. Weitere Anweisung aber hinterließ er nicht. Und spiegelte sich groß zu fürstlicher Höflichkeit auf, vermeinend, die Zeit bis zum Essen fruchtbar anzuwenden, und ließ sich, nur begleitet von seinem jüngsten Sohne und zwei Ruderern, im Boot an die Schnigge bringen, die sich nicht weiter zum Ufer herantraute und vor Anker ging.

      Seine silberbeschlagene Rüstung, deren sich kein Graf und Ritter zu schämen hätte brauchen, mitsamt dem federtürmigen Stechhelm ließ er sich sichtbarlich bis ans Boot nachtragen und winkte dann hoheitsvoll ab, als sähe er keinen Anlaß für eine allzu gewichtige Gala.

      Er trug an Besonderheiten an diesem Tag eine Mütze aus weißem Robbenfell, ein Wams aus rotem Brokat und einen breiten Gürtel aus Dachsleder, den Sebalda mit Goldfäden bestickt hatte. Und niemand wagte, eine Warnung auszusprechen, als er ohne Waffen und Beistand hinüberfuhr. Jetzt also, da er sich innerst nach einem gelinden Einspruch sehnte, mußte er büßen, daß nach jedermanns Erfahrung es bislang unnütz gewesen war, ihm zu- oder abzureden.

      Den Jüngsten aber nahm er mit, damit der rühmlich anwenden sollte, was er gelernt, falls da irgendein Punktum unter irgendeinen Wisch zu setzen sein würde.

      Das Punktum wurde anders gesetzt, als ihm vorschwebte. Die Hamburger gaben sich, da er so harmlos nahte, alsbald ohne die übliche Steifheit. Sie schienen wirklich erfreut, daß er ihnen so viel Ehre antat und Zudem ihr Schiff lobte; hatten auch kein Geheimnis, ihm die ganze Bauart zu zeigen, sie kamen auch bald, schon im Hin- und Hergehen, auf die verschiedenen Strittigkeiten zu sprechen und gaben fast in allem klein bei, still überrascht und froh, den Fuchs so rasch in der Falle zu haben, zögerten auch nicht lange, ein Pergament zu entrollen, wo denn das meiste schon aufgezeichnet stand. Imel schob es zurück. Er sah die Segel seiner Helgoländer Freunde über

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