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ragen, über alle Grenzen; sie war ja nun gleichsam sehend geworden, der Apfel der Erkenntnis war ihr von Adam zugereicht, und nun konnte es der klaren Sicht nicht genügen, daß Imel nur Imel sei. Sie war findig genug, ihm ein Königreich zu weisen, ihn zu bestärken in dem, was er mit Lust, wenn auch ohne Ehrgeiz sich ihm hatte zuhäufen sehen. Nun schürte sie ihn an, und er brannte bald lichterloh, so daß er seine Zukunft mächtig heraufrauschen fühlte. Und war es bislang nichts, was er über sich hatte gelten lassen, nun schlug es höher, so daß er alles gern zu seinen Füßen gesehen hätte außer Sebalda, die er neben sich stellte. Er schenkte ihr um die Zeit auch das Muschelhorn, weil er nichts zu geben hatte, was ihn wertvoller dünkte. Sie ließ es aber in der Diele hängen, damit es, als ihr Eigentum, dort weiter herrsche. Er ließ es zudem in sein Wappen setzen und fragte die übrige Sippe nicht. Das Muschelhorn sollte das Zeichen sein, daß er nunmehr ohne Rücksicht zu handeln gedenke, ja gleichsam vogelfrei und jenseits aller hergebrachten Grenzen wie jene, von denen es mitgebracht war als letztes Andenken an seinen Vater.

      Er ließ sie in Gold kleiden von oben bis unten und schenkte ihr überdies einen Rosenkranz, der aus Spanien stammte und seiner Mutter gehört hatte und aus hundertfünfzig kleinen und fünfzehn großen roten Korallenperlen bestand mit einem kleinen Kreuz aus Ebenholz.

      Sollte aber der Propst jedoch auch weiterhin nur Ermahnungen bereit haben und Schwierigkeiten machen, falls er die Dockemund heirate — indem der geistliche Beistand angestachelt worden war von den Verwandten, die dem Nichts und Nirgends von Nirgendwo, als das sie Sebalda ansahen, die Schuld an Imels unerträglich werdender Hoffart zuschoben —, so wollte er auch darauf pfeifen und die feierliche Handlung selber nach freiem Recht der Schrift als Hausvater betreiben in Gewißheit dessen, daß auch schon andernorts im Reiche eine ungebundenere Meinung über die Unzweifelhaftigkeit der Pfaffen aufranke. Die Stedinger, die man in Friesland von Reichs wegen ausgerottet hatte, die schienen ungebrochen wieder aufzuerstehen. Es war verbürgt, daß die Abadenas es mit den Stedingern gehalten, sich aber schlauerweise damals durch Abschwur aus der Schlinge gezogen hatten. Jetzt aber war die Zeit des Dohnenstieges vorbei. Imel Abdena fühlte seinen Nakken steif und ungeheuer in die Sterne ragen, so, wie das Mädchen ihn in gieriger Verehrung sah. Welche Schlinge sollte wohl reichen, ihn zu fassen?

      Und er ließ einen Maler aus Bremen kommen, der mußte Sebalda nebst dem Muschelhorn konterfeien.

      Sebalda übernahm das Hauswesen nunmehr nach ihrem Gutdünken und ließ es die Töchter fühlen. Die blonden kühlen Friesinnen konnten nicht hindern, daß Einrichtungen sich änderten, die ihnen dienlich und unverfälscht gedeucht wie die Eimer frisch gemolkener Milch. Nun schien alles versauert, und sie äußerten böse, so könne man nicht buttern, es reiche höchstens zu Quarg und Kälberfutter. Sebalda, die in ihrer unirdischen Verehrung Imels hoch über allen Dingen gestanden hatte und keine Unbill gemerkt, war jetzt verletzlich geworden und beklagte sich bitter über Unbotmäßigkeit. Worauf Imel in Zorn geriet und seine sieben Wichter allesamt vom Hof jagte. Sie kamen bei Verwandten unter, die sie mehr mit den Ohren als mit den Herzen empfingen, und sie säten dort weder Liebstöckl noch Rosmarin.

      Die Söhne fanden sich besser darein, soweit sie daheim waren. Sie duckten sich eigentlich nicht, sie hatten ihren Teil vom Vater und fanden es großartig, daß nun der Hof an der Ems zu einem festen Schlosse ausgebaut wurde. Sie fühlten sich schon als rechte Prinzen, und Sebalda war gerissen genug, sie gebührend zu behandeln. Sie erreichte zwar nicht mehr als eine verwunderte, wortkarge Verachtung ihrer Person. Aber mehr brauchte sie auch nicht.

      Nur der Jüngste, Ate, war aufgeschlossener gegen sie, er, der sie schon immer heimlich verehrt. Er war regeren Geistes als seine Brüder und von gewölbterem Hirngehäuse, schien aber von weit zarterem Schlag und war darin Sebalda ähnlich. Sie brachte ihm Lesen und Schreiben bei, was sie in der Klosterschule zu Trier früh gelernt — da sie im Winter in der Stadt gewohnt bei einer Tante, deren Mann Goldschmied war. Ate hatte seine Mutter nicht mehr gesehen, da sie seine Geburt nicht lange überlebt. Deswegen hatte er die gelinde Zärtlichkeit Sebaldas gern und nicht nur den Kuchen, den sie buk, und fand alles an ihr schön und gut, verstand auch die Widerborstigkeit der Schwestern nicht und wurde doppelt eifrig, ihr Freude zu machen. Sie kaufte ihm ein silbernes Tintenfaß, wenn auch für Imels Geld, als sie mit Imel in Bremen war und dort mit sehen sollte, was an Hausrat neu anzuschaffen sei und an Bequemlichkeit wie an Bestückung für die beiden Türme, die wuchtig wie für die Ewigkeit dem Umbau an der Ems den vorläufigen Abschluß gönnen sollten. Imel schmunzelte über das Tintenfaß und gab es dem Knaben von sich aus, dazu ein paar Bogen Papier. Ate aber wußte wohl, wer ihm beides verschafft, und war sehr stolz darauf. Sebalda schnitt ihm auch die ersten Gänsekiele und zeigte ihm, wie man die trübe Tinte aus Galläpfeln und Eisensalz herstellt, was beides sie sich vom Propst besorgte. Bis dahin hatte er nur mit Holzkohle auf dem gescheuerten Dielentisch geübt oder mit dem Peitschenstiel im Sand.

      Dirik, der älteste der Söhne Imels, wurde um die Zeit hinfällig vor Eifersucht. Er wohnte wie Ate ständig im Haus, da die Werft, die er zu beaufsichtigen hatte, in der Nähe lag. Er war ein Mensch von riesigen Kräften, trotzdem er den anderen an Höhe des Wuchses nachstand und einen Buckel hatte. Sein Ohm, Sibert Papinga, bemerkte das bleiche Aussehen und redete ihm ein, das schwarze Wolfslamm, die Dockemund, die schreiende Ungebühr und Buhlin, deren Bild halbnackt und hoffärtig über Imels Alkoven hing, und das in dem ehrbaren Hause der Abdenas, die habe ihn vergiftet. Dirik lächelte abwehrend, er kannte das Gift, das ihm durch die Augen ins Herz gedrungen war. Aber Sibert erzählte das Gefasel weiter, als sei es glatt bewiesen, und seine Neffen mütterlicherseits: Edzard, Focko, Sibold und Uno, sowie die Besitzer anderer Wasserburgen und Verfechter angestammter Rechtlichkeit, wie Embke, der zu Gretsyl hauste, und Ötje Taddena und Popo Inema, sowie Ebbo von Norden, Hayke ten Volrade und auch Lüder auf Osterhausen und selbst Konke und Djure Keuda in Aurich, diese alle hielten es unter dem Vorsitz des Enno Cirksena für geraten, dem hochmütigen und unerwünschten Treiben Imel Abdenas ein Schott vorzusetzen. Nur waren sie sich uneins, wie es zu bewerkstelligen sei und hinter wessen Hilfe sie sich verbergen könnten, damit niemand ihnen etwa Mißgunst nachsage, und die einen waren mehr für die Vitalier und wollten den gekränkten Hönris verwenden, die anderen mehr für den Oldenburger, und die beiden Auricher wollten lieber die Hamburger aufgehetzt sehen, die von den Inseln jedoch lieber die Holländer. Bis denn das Schicksal von selber seinen Lauf nahm.

      Die Hansen mühten sich indes nämlich weidlich, die neu ermunterten Auslieger und Kaperer in der Nordsee auszuheben, wo nur immer sie ihnen günstig und in Unterzahl vor den Bug gerieten. Es fehlte ihnen auch nicht an Mannschaft, Macht und Geschütz. Sie hatten auch viel Erfolg in Holstein und Dänemark gegen Ritter und Grafen und Könige gehabt, selbst gegen den von England. Aber soviel sie auch dem Seeraub an den Hals gingen — jener Ausgeburt nordischer Kriegsläufte und eines ungegorenen Glaubens an allgemeine Freiheit des Meeres, an brüderliche Gleichheit aller Menschen und dementsprechende Verteilung der irdischen Güter — und so viele sie auch der störrischen Köpfe, die ihnen die Reisen gen Brabant und London besteuern wollten, auf die Richtpfähle am Brook steckten, es wuchsen ihrer immer frisch und gierig nach im freien Wind der See. Und waren auch die wildesten dieser Seewölfe, Klaas Störtebeker, Godeke Michels und Magister Wikbold, längst vor die Würmer gegangen, so lebte doch deren Andenken gefährlich weiter, unterstützt und gehegt von eben den Friesen, die vom Zwischenhandel mit der Beute reich wurden und es keineswegs Hehlerei nannten, sich vielmehr, Imel Abdena voran, hergebrachter Rechte priesen und weniger aus der morgenrötlichen Stimmung umarmender Brüderlichkeit, als offen aus krasser Selbstsucht ihren Anteil am englischen wie flandrischen Tuchgeschäft forderten, das die Hanse sich als eigenste und gottgewollte Ausschließlichkeit anmaßte.

      Verhandlungen nützten da nicht viel, das hatte man erfahren. Gern hätten die Hamburger die friesischen Dickköpfe dem blutigen Rosenkranz auf dem Richtbrook eingefügt, aber eine Landung in den unwegsamen Emsmarschen, eine Hatz über Schlick und Gräben in endloser Weite gegen die wohlbewehrten Wasserhöfe hatte sich bisher immer als verlustreich und langatmig erwiesen, obschon die Hehler und Hetzer nur zu Land zu fangen waren, seit sie nach Bojer Abdenas Tod selber nicht mehr auf die Schiffe gingen, sondern sie nur bauten und ausrüsteten und offenen Hafen dafür hielten und offene Stapel und Tauschplätze jederzeit. Ja, selber blieben sie an Land und überließen den heißen Teil des Betriebs anderen, den Hansen zum Abbruch.

      Die

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