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kleines Hanneken in die Kornblumen geschickt, damit sie durch Herrn Stormys Hand der Gerechtigkeit überliefert wurde!“

      „Billeken?“ lachte Laurit verbindlich. „Nein, ich glaube kaum, dass dieser Schutzpatron der Automobilisten auch mir, dem nichtzünftigen Rosselenker, so viel Angenehmes beschert hätte! Ich glaube eher, dass es unsere hier heimische gute Fee, die Roggenmuhme, war, die diese so erfreuliche Bekanntschaft vermittelte! Ich hatte Ihre Fräulein Nichte tatsächlich zuerst für den holden Spukgeist selbst gehalten!“

      Frau Cattenstedt blickte bedeutend angeregter als zuerst auf den Sprecher. Sie lächelte sogar. „Ja, Sie haben recht! Wem Hanna unvermutet entgegentritt, der muss sie für etwas Überirdisches halten! Der Autoschleier und die Mohnblumensträusse à la Geisha geben ihr ein ganz phantastisches Aussehen!“

      „Aber geschmackvoll gemacht!“ klang die fette Stimme des Kommerzienrats in tiefem Bass dazwischen. „Du hast ja bei der Hitze deine Automütze auch a. D. gesetzt und nur den Schleier um das Haar gebunden, — weiss der Kuckuck, wo die Damen sich selbst da noch schön machen können, wo wir Männer wie die Pavians aussehn! Aber nicht allein darin seid ihr Evas geschmackvoll, mir scheint, dass der Frühstückskorb, den unsere Kleine gepackt hat, auch recht appetitlich ist! Wissen Sie was, mein lieber Stormy, bieten Sie mal meiner Frau den Arm und führen Sie das erlöschende Seelchen vor die Krippe! — Was? Exkusen wollen Sie machen? Nee, Verehrtester, is nich! Sehen Sie, das ist nun auch so ein guter Einfluss vom Auteln, — man wird so menschenfreundlich! Und weil man nirgends lange Zeit hat, ist man überall schnell bekannt! — Wer weiss, ob wir uns nach diesem flüchtigen Begegnen — wir haben sicher unsere 95 Kilometer in dieser Stunde! — noch einmal so jung und so gemütlich wiedersehen! Also lassen Sie uns darauf anstossen, dass Billeken und die Roggenmuhme zwei famose Leute sind, die selbst bei 30 Grad im Schatten noch nicht ihren Humor verlieren! — Bitte zu kommen!“

      „Nie hat die Roggenmuhme einen begeisterteren und dankbareren Verehrer dadurch erworben wie mich!“ scherzte Laurit und half der Kommerzienrätin sorgsam aus dem Wagen. „In dieser Einsamkeit empfinde ich es geradezu als Fest, in so liebenswürdigem Kreise aufgenommen zu sein!“

      Schon während er sich mit dem Ehepaar Cattenstedt unterhielt, war sein Blick ab und zu verstohlen zu dem jungen Mädchen herübergehuscht, das in anmutigster Weise schnell und geschickt ihres Amtes als Hausfrau waltete.

      Der Oberst hatte mit Hilfe des Chauffeurs zwei grosse Kasten unter den Chauffeursitzen hervorgeholt, die in ebenso praktischer wie eleganter Form alles enthielten, was einer leckeren Frühstückstafel zur Zierde gereicht.

      Hanna breitete das weisse Damasttuch auf dem weichen Moosteppich des Waldbodens aus, belegte es in der Mitte mit den Blumen, die sie im Feld gepflückt, stellte Teller und Bestecks auf und richtete die Menageschüsseln mit ihrem verlockenden Inhalt so gut es ging als kalte Platten an.

      Wie geschickt ihre kleinen Hände schafften! Man sah es ihnen an, dass solche Tätigkeit eine gewohnte und sympathische Beschäftigung für sie war.

      Der Oberst wickelte währenddessen die Flaschen aus ihren Strohhüllen, Selterswasser, Soda mit Whisky, goldfarbenen Frade und zum Schluss noch den leichten deutschen Schaumwein, den der Kommerzienrat als einziges Alkoholgetränk bei dem heissen Wetter gestattete.

      Mit vielem Ächzen und Stöhnen liess sich der dicke Onkel Rudolf an dem Wegrain nieder, der Oberst breitete sorgsam ein Plaid für seine Schwester aus, und Hanna und der Chauffeur hatten alle Hände voll zu tun, um die improvisierte kleine Gesellschaft zu bedienen.

      Eine feuchtfröhliche Stimmung behauptete schnell ihr Recht.

      Der Kommerzienrat hatte wahr gesprochen; — wer auf schnell rollenden Pneus die Länder durchfliegt, hat nicht lange Zeit zum bekanntwerden. Veni, vidi, vici! —

      Man ist da und man kennt sich — oft besser und sympathischer wie Menschen, die sich jahrelang in steifer Langweiligkeit des Zeremoniells begegnen und nie über ein paar Phrasen hinauskommen.

      Hanna hatte endlich auf Befehl des Onkels alle Schüsselchen und Flaschen in „Greifweite“ gestellt, und zwischen dem Kommerzienrat und Laurit Platz genommen.

      Das weisse Kleid floss in duftigen Falten durch Gräser, Moos und Blüten, schlanke Farren wiegten sich über den kleinen Füssen, und ein paar einzelne Sonnenstrahlen flimmerten über das blondlockige, schleierumbundene Köpfchen.

      Wie sie mit roten Lippen so heiter lacht, wie die Wangen heiss und heisser erglühen, wie die wundervollen Augen es verraten, dass diese Frühstückspause ihr zur hellen Freude gereicht, dass sie dem Onkel nicht im geringsten grollt, dass er eine falsche Karte eingepackt und diese Irrfahrt verschuldet hat!

      Laurit hebt das Sektglas.

      „Jetzt müssen Sie mit mir ganz extra anstossen, mein gnädiges Fräulein.“

      „Mit zehn Litern Benzin?!“

      „Nein, die kommen später! aber mit dem einzigen Rebenblut, das einer Roggenmuhme würdig ist! — Ihr haben wir unsere so charmante Begegnung zu verdanken, und darum soll sie die erste sein, der unser Glas erklingt!“

      Ein fast schwärmerischer Blick flog nach dem Roggenfeld hinüber, dann trafen sich die schlanken Kelchgläser und Auge ruhte in Auge. — Nur einen Augenblick, aber es war, als ob plötzlich ein unsichtbarer Zauberfaden gewebt würde, der von Herz zu Herzen lief und beide zu Gefangenen machte.

      Tante Klärchen seufzte plötzlich tief auf und presste beide Hände gegen die Schläfen.

      „Die Schmerzen werden immer toller anstatt besser! Ich ängstige mich unsäglich vor der langen Fahrt durch die Mittagshitze und würde mich gern ein paar Stunden hinlegen!“

      „Das müssen Sie unter allen Umständen, gnädigste Frau!“

      „Gottlob, die Sonne scheint sich zu verstecken!“

      „Es kommt auch plötzlich etwas Wind auf!“

      „Hoffentlich kein Gewitter!“

      „Wir wollen einmal Ausschau halten! Dort drüben blicken wir die Waldschneise hinab, da sieht man, ob Gewölk aufsteigt!“

      Laurits Augen leuchteten.

      „Gewitter sind hier meist sehr schwer! Es würde unmöglich sein, dabei zu fahren!“

      Hanna war aufgesprungen und schritt der Waldschneise entgegen, der Oberst folgte ihr, und auch Laurit eilte ihr nach.

      „Um alles in der Welt, da steigt es ja so schwarz wie Tinte empor!“ rief sie erschrocken.

      „Donnerwetter, ja! Da ist uns ja eine nette Bescherung über den Hals gekommen!“ nickte auch der Oberst, die Hand über die Augen haltend, „in einer halben Stunde können wir es wohl hier haben!“

      „Wenn wir tüchtig zufahren, erreichen wir wohl noch das nächste Städtchen!“

      „Nein, mein gnädiges Fräulein, ganz undenkbar!“ — Laurit stand neben Hanna und empfand es mit einem süssen, wohligen Behagen, dass ihr Schleier weich und schmeichelnd über seine Hand wehte. Er lächelte ganz seltsam.

      „Ob Sie noch soviel Kilometer zwischen Helmsdorf und sich legen möchten, es hilft Ihnen nichts, ich pfände anstatt der zehn Liter Benzin Ihre Freiheit und halte Sie gefangen!“

      „Gibt es im Reichsgesetzbuch keine Paragraphen für beute- und blutdürstige Strandräuber?“ Sie scherzte, ward aber doch sehr rot dabei.

      „Wenn der hohe Gerichtshof die Strafen diktiert, sicherlich, wenn aber die Roggenmuhme als oberste Instanz den Spruch zu fällen hat, dürfte er sehr milde ausfallen!“

      Der Oberst, der noch ein paar Schritte weitergegangen war, kehrte hastig um. „Es sieht wirklich sehr böse dahinten aus; kommen Sie bitte, meine jungen Herrschaften, wir müssen Kriegsrat halten!“

      „Sehen Sie, es wird schon kriminell!“

      Laurit lachte beinah übermütig und haschte nach den roten Blütenblättern des Mohns, die ein neuer Windstoss von Hannas

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