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durch das Hochwasser?“

      „Neuland? Sind wir nicht heute Morgen über Neuland gekommen?“ fragte der Oberst.

      „Ganz recht! Sie fuhren irrtümlicherweise die Chaussee geradeaus hierher, anstatt von Neuland linksum abzuzweigen!“

      „Und Sie sagen, dort sei ein Wolkenbruch niedergegangen?“ Herr Velan machte ein sehr betroffenes Gesicht: „Das sind ja aber schreckliche Aussichten für unsre Heimfahrt! Die Landstrasse wird durch das Wasser nicht gerade glatter und für Autoräder zuträglicher!“

      „Das wohl sicher nicht, Herr Oberst! Aber darüber wollen wir uns keine Sorge machen, sondern uns von ganzem Herzen Ihres Notquartiers in Helmsdorf freuen!“

      Warum sah Laurit bei diesen Worten das junge Mädchen mit einem so schnellen, leuchtenden Blick an?

      Hanna fühlte, dass ihr das Blut in die Wangen stieg.

      Ein Blitz fuhr zischend hernieder, ein fast betäubender Donnerschlag folgte.

      Velan legte unwillkürlich den Arm um seine Tochter und zog sie fest an seine Brust. Auch Stormy war jählings einen Schritt vorgetreten, als wolle er die Arme schützend um die junge Dame breiten.

      „Es ist wohl besser, wir treten in die grosse Flurhalle hinaus, wo wir jeden Augenblick auf die überdachte Auffahrt ins Freie gelangen können!“ sagte er mit gepresster Stimme.

      „Ja, ja — und Cattenstedts müssen unter allen Umständen zu uns herunterkommen!“ rief der Oberst, hastig mit Hanna dem voranschreitenden Hausherrn folgend.

      Velan stürmte die Treppe hinauf nach dem Fremdenzimmer, auf den obersten Stufen kam ihnen bereits das Ehepaar entgegen.

      Laurit stand neben Hanna.

      Mit grossen, ängstlichen Augen schaute sie in der Halle umher, unwillkürlich faltete sie die Hände.

      „Ach wenn nur diesem schönen, alten Haus kein Unheil geschieht!“ sagte sie leise.

      „Gefällt es Ihnen denn, Fräulein Hanna?“

      Wie Jubel klang es durch seine Stimme.

      Die Antwort lag nur in einem stummen, freundlichen Nicken, denn schon rief Tante Klara von der Treppe herab nach ihr, und das junge Mädchen eilte ihr entgegen, die nervös weinende Frau zärtlich tröstend in den Arm zu nehmen. „Wenn es der Donnerblitz etwa auf uns gemünzt hatte und dachte, wir sässen noch auf freiem Felde im Auto drinn, dann ist er aber mächtig abgepritscht!“ schmunzelte der Kommerzienrat voll unverwüstlichen Humors. „Noch hat uns Stormy nicht bei der Helmsdorfer Polizei angemeldet, und ohne diese Kontrolle findet selbst Jupiter Donnergott keine Autler mehr heraus!“

      Der Inspektor stimmte in das leise Lachen ein. „Nun ist’s über uns weg!“ sagte er. „Der Sturm fegt die Wolken beinah oben so schnell, als ob er in einem Kraftwagen hinter ihnen her hetzte! — Auch der Regen lässt etwas nach! Ich glaube, die gnädige Frau braucht sich nicht mehr zu fürchten, die Gefahr ist jetzt vorüber!“

      Wirklich liessen Sturm, Blitz und Donner bald nach, und als der Oberst die grossen Flügeltüren öffnete, strömte eine wundervoll frische, duftende Luft in die Halle ein.

      „Ah! jetzt atmet es sich gut!“ sagte er. „Nun wird es dir auch bald besser werden, Klärchen! Aber die Landstrasse? Ich fürchte, auf der kann man fürerst noch Lachse angeln!!“

      „Haben die Herrschaften das nötigste Reisegepäck bei sich?“ fragte Stormy schnell. „Ich sah einen so viel verheissenden Koffer auf der Gepäckrafft!“

      „O Sie ahnungsloser Engel! Mit zwei Damen über Land fahren und kein Gepäck? — In dem Riesenkolli, das Sie für eine Pneuschachtel hielten, befindet sich die Hälfte eines Damenhuts!!“

      „Aber Onkel Rudolf!!“

      „Das sagt alles!“ scherzte Stormy. „Also bitte, mein lieber Inspektor, setzen Sie sich einmal mit dem Chauffeur in Verbindung und lassen Sie alles Gepäck in die Logierzimmer bringen!“

      „Sehr wohl, Herr Leutnant!“

      „Aber Stormy! — Verehrtester! Wollen Sie sich durch solchen Leichtsinn an den Bettelstab bringen? Fünf Mann und 45 Pferde!!“

      „PS!“

      „O, es ist ja so sehr gütig von Ihnen ... aber noch die Nacht bleiben ...“ Tante Klara wischte die letzten Tränen aus den Augen. „Es wäre doch gar zu unbescheiden!“

      „Von mir? — Dann bitte ich sehr um Vergebung, aber dem Gutsherrn von Helmsdorf liegt das alte Piratentum noch zu sehr im Blut! Auch ich bin Seeräuber und erkläre die Herrschaften hiermit feierlichst zu meinen Gefangenen, bis die Chaussee von hier nach Germsraden genau so tadellos fahrbar ist wie heute morgen!“

      Wieder traf sein Blick das junge Mädchen, und diesmal blitzte es darin wie lauter Schalk und Übermut.

      Das Wetter klärte sich nicht allsogleich auf. Ein feiner Regen rieselte noch unaufhörlich hernieder; wie graue Dunstschleier lag es über Wald und Feld, und die Bäume ragten regungslos in die stille, feuchtwarme Luft empor.

      Dies war kein günstiges Wetter für Tante Märchens Migräne.

      Als Donner und Blitz nachgelassen, begab sie sich sofort wieder in ihr Schlafzimmer zurück, um sich endgültig zu möglichst langer Ruhe zu Bett zu legen.

      So fehlte sie auch an der kleinen Tafelrunde als die Mamsell voll Genugtuung dem jungen Gutsherrn melden liess: trotz des schrecklichen Unwetters sei das Diner pünktlich bereit.

      Es war früh dämmrig geworden.

      Die Regenwolken hingen tief herab und kürzten den Tag, und vor den Fenstern des sehr grossen, saalartigen Speisezimmers flochten Glizinien, Pfeifenkraut und Kletterrosen so dichte Kulissen, dass es notwendig wurde, die Lichter zum Essen anzustecken. Laurit sass neben Hanna, und Wilhelm, der Diener, erzählte in der Küche: „so gesprächig und vergnügt und schier aufgeregt vor Liebenswürdigkeit hätte er den Herrn Leutnant noch nie zuvor gesehn! — Das junge Fräulein sei ja aber auch der reine Engel, und wenn sie schon eine ältere Bekanntschaft von ihm wäre, würde er den Kopf verwetten, dass die beiden einig seien!“

      „Na, was nicht ist, kann ja noch werden!“ — nickte die Mamsell wohlbehäbig, goss die zischende braune Butter zu dem Hecht aus der Pfanne und reichte sie der Stütze: „Es sollte mir ganz recht sein, Mine!“

      Stormy schenkte seiner Nachbarin ein Glas Rotwein ein, und Hanna blickte lachend auf seine Hand.

      „Sie tragen ja noch den Ring der Roggenmuhme am Finger! Absichtlich, oder geriet er in Vergessenheit während all der Schrecken der letzten Stunden?“

      „In Vergessenheit? Wie wäre das möglich!“ schüttelte der junge Mann mit fast feierlichem Ausdruck den Kopf. „Solch ein Ring ist ein Talisman, mein gnädiges Fräulein, — erstens, weil er gefunden ward, zweitens, weil er einen Treuering repräsentiert, und drittens, weil er mir quasi als Symbol von der Roggenmuhme überreicht ward!“

      „So wollen Sie ihn nun dauernd tragen?“ —

      Wieder lächelte er so seltsam: „O nein! Nur so lange, bis ich einen noch viel bessern Ersatz dafür gefunden! — An dem Tag, wo dieser Finger einen glatten Goldreifen mit den Initialen des liebreizendsten aller jungen Mädchen angesteckt bekommt, sende ich diesen Ehering der Marie Johanne an ihren Sohn nach Amerika und bin überzeugt, dass dem Millionär Harms nie ein erfreulicheres und kostbareres Geschenk gemacht werden kann als wie dieses dünne Silberreifchen!“

      Der Kommerzienrat und der Oberst hatten gerade sehr eifrig über die Kilometerzahl der morgen zu unternehmenden Rückfahrt disputiert, als Onkel Rudolf das Wort Millionär fallen hörte. Er horchte auf, steckte sich die Serviette noch fester hinter die Krawatte und sass breit und behaglich vor seinem hochgefüllten Teller.

      „So ist’s recht, Stormy! zu solch guten Happen gehört eine passende Unterhaltung! Sehen Sie, ich bin ein komischer Kerl, ich fasse das Leben im allgemeinen und das Essen im speziellen

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