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Automobils, die gerade voll behaglicher Freude konstatierten, dass sie noch vor Regen und Sturm auf dem Schlosshof von Helmsdorf einfuhren, schraken entsetzt empor bei dem Höllenlärm, der sie plötzlich begrüsste.

      Die Hunde tobten wie toll an den Ketten, und die, welche frei herumliefen, stoben aufheulend davon.

      Hühner und Gänse erhoben flüchtend ein wahres Zetergeschrei, die Pferde, die seitwärts vor dem kleinen Inspektorwagen angeschirrt standen, gingen mit allen Vieren zugleich in die Luft, und dazwischen kreischten die entsetzten Weiber, gellte das Hilfegeschrei zu Tode erschreckter Kindlein und just, als ob sich alle Schleusen des Fürchterlichen gerade in diesem Augenblick über dem sonst so friedlich stillen Gutshof öffnen wollten, zuckte der erste Blitz durch die Luft, dem bald ein gewaltiger Donner nachrollte.

      Autler sind an mancherlei seltsame Begrüssungen gewöhnt!

      Auch die Angehörigen des Kommerzienrats überschauten die Situation sofort mit Kennerblick und brachen in ein schallendes, schier unlöschliches Gelächter aus.

      Die verschiedenen Posen der „sich Rettenden“, das ganze Tohuwabohu dieses geräuschvollen Hexensabbats war so überwältigend komisch, dass sogar Tante Klärchen momentan alle Schmerzen vergass und in das schluchzende Gelächter der Umsitzenden einstimmte.

      Onkel Rudolf wischte sich die dicken Lachtränen von den heissen Wangen und deutete nur immer wieder nach den beiden alten Tagelöhnerweibern, die mit affenartiger Behendigkeit noch immer ihre Klimmzüge an dem Heuwagen exerzierten.

      „Einen Knippskasten! ein Königreich für das Porträt jener Grazien dort!“ keuchte er. „Stormy ... für dieses Entree in Helmsdorf bekommen Sie nochmals zehn Liter extra!“

      Laurit war selbst so vollkommen im Banne der Komik, dass auch er sich erst satt lachen musste, ehe er sich aus dem Wagen schwang und sich seinen so schwer chokierten Getreuen zeigte.

      „Zum Kuckuck, Leute! Seid Ihr denn allesamt verrückt geworden?“ rief er mit Kommandostimme. „Wollt Ihr vor einem Automobil ausreissen wie die Hasenfüsse? Marsch da! Thomas und Dierk. Schnell das Scheunentor auf, dass der Wagen ins Trockene kommt! Und Ihr da! Aus dem Wege! Wir fahren erst vor die Schlosstüre!“

      Der Anblick ihres Herrn und Gebieters, der in sichtlich bester Laune und mit heilen Knochen, gänzlich unaufgefressen dem Bauch des Ungeheuers entstieg, gab dem geängstigten Mensch und Vieh die Fassung wieder.

      Nur einmal noch, als der Wagen neu angekurbelt ward und gar ein paar Fehlzündungen losknallten, ertönten wilde Schreckensschreie, dann aber, als das Auto so flott und sanft dahin glitt und vor der Freitreppe gehorsam wie ein Lamm hielt, da drängten alle voll fiebernder Neugierde näher und starrten mit offenen Augen und Mäulern auf das Ungeheuerliche.

      „Der Düwel“ verlor sofort all sein Grausiges, als so viel vergnügte Menschen ihm entstiegen; das runde Äussere des Kommerzienrats hatte an und für sich schon etwas sehr Vertrauenerweckendes, und als gar die junge Dame mit dem ungewohnten Schleier und Blumenschmuck leichtfüssig zur Erde sprang, da überwand auch die Mamsell ihre letzte Schwächeanwandlung und faltete schier andächtig die Hände.

      „Nee, aber so was! Da denkt man, der Leibhaftige selber kommt dahergeschnaubt, und nachher ist es plötzlich der reine Engel, den er bringt! Du meine Güte, aber solch eine Überraschung, Mine ... mir wird wohler!“

      Laurit hatte Frau Klara den Arm geboten und sie voll liebenswürdigster Besorgnis die Treppe empor in die herrliche, weite Flurhalle und von da in den ersten Salon geführt, der eine lange Flucht grosser Gemächer eröffnete.

      Die Fensterladen waren geschlossen. Nur durch kleine Spalten fiel das Tageslicht in die kühlen Zimmer, die mit ihrer uralten Einrichtung wie die Pracht eines schlummernden Dornröschenschlosses anmuteten.

      „Ach, wie herrlich! wie köstlich frisch und dunkel!“ atmete die Kranke voll Entzücken auf: „wie gut das tut! — tausend, tausend Dank!“ Sie sank erschöpft in den Sessel nieder, vor den Laurit sie geführt, und dieweil Hanna sorgsam ein Kissen vom Diwan holte, flüsterte der junge Gutsherr: „Nur ein paar Minuten bitte ich sich hier zu gedulden, meine gnädigste Frau, — ein Schlafzimmer, in dem Sie sich ganz bequem zu langem Schlaf niederlegen können, wird im Augenblick bereit sein! — Sie haben alsdann wohl die Güte, Fräulein Velan, alles so anzuordnen, wie es Ihre Frau Tante liebt!“

      Der Kommerzienrat und sein Schwager Velan hatten erst das Automobil in die Scheune begleitet, um voll schmunzelnden Behagens festzustellen, dass es „tadellos“ daselbst aufgehoben sei.

      Die „Menge des Volks“ schloss sich ihnen an, die beiden fremden Herren mit dem sagenhaften Wagen wie die Wundertiere anstaunend. Es erhöhte und festigte fraglos das Prestige des Inspektors, dass er aus dem Garten herbeieilte, jeder Zoll Mut und tollkühnes Heldentum! und sogar nah, ganz nah an das schnaufende Ungetüm heranging, um mit den Besitzern zu sprechen wie mit anderen Sterblichen auch. Da sah man wieder, was der für ein ganzer Kerl war, der sich selbst vor dem Teufel nicht fürchtet, und dass man künftighin alles aufs Jota glauben kann, was er von seinem Aufenthalt in Berlin und Dresden während zweier Urlaubsreisen erlebt, gesehen und gehört hatte!

      Ehrfurchtsvoll bewunderte man ihn, auch als er mit dem Chauffeur die Eingeweide des Autoungeheuers besichtigte, kühn sogar sich an die geöffnete Maschinenhaube lehnte und einen Knecht beorderte, Wassereimer zu holen, um die heissen Räder zu begiessen.

      Ja, es tat dem Inspektor wohl, endlich eine Gelegenheit und einen Menschen zu finden, mit dem er über die „grosse Welt da draussen“ reden konnte, und als das Wetter immer bedrohlichere Art annahm, verschloss er die Scheune und wanderte mit dem Chauffeur nach dem Zimmer neben der Herrschaftsküche, wo die Honoratioren des Gutshofes zu speisen pflegten.

      Die Mamsell hatte die Befehle ihres Gebieters voll glühenden Eifers ausgeführt und mit dem Zimmermädchen die Logierzimmer für die wundersamen Gäste hergerichtet.

      Die fremde Dame hatte sich auch bereits auf das Bett gelegt, — bekam Eiswasser daneben gestellt, ebenso eine Tasse sehr starken Kaffee, und nun schloss die Mamsell den grossen Leinenschrank, aus dem sie die blütenweissen Bezüge und Handtücher entnommen, wieder ab und stürzte in die Küche hinab, um über ein Souper nachzudenken, das der Herr Leutnant lakonisch für 7 Uhr bestellt hatte.

      Jetzt, wo das Unwetter immer gruseliger wurde, konnte kein Mensch klar denken; sie setzte sich also mit noch immer etwas zitternden Knien zu dem Inspektor, Praktikant und Chauffeur, um bei einem Glase Bier immer mehr und mehr zu Kräften zu kommen!

      Ist denn alles ein Traum? —

      Hier in dem einsamen Helmsdorf plötzlich so unsagbar interessante Menschen!

      Wie gesprächig der Herr Chauffeur war, was für ungeheuerliche Erlebnisse er erzählte und wie bekannt er gleich mit ihnen allen war! Draussen donnerte und blitzte es, — aber die Mamsell kam diesmal gar nicht dazu, sich gewohnheitsgemäss halbtot zu fürchten, im Gegenteil, sie trat mit hochgeröteten Wangen nach kurzer Zeit in die Küche, gab prompte Befehle für die Vorbereitungen des Mahls und sagte huldvoll zu ihrer sie als unfehlbar anbetenden Stütze: „Mine — ich fühle mich wieder vollkommen wohl! —

      Tante Klärchen lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett und bemerkte, dass die himmlische Ruhe und Kühle ihren Nerven sehr wohltue; weil sie aber bei dem Gewitter nicht gerne in dem fremden Hause allein sein wollte, sass ihr Gatte opferfreudig neben ihr, hatte die Hände über dem Bäuchlein gefaltet und schlürfte, zufrieden mit sich und der Welt, all den Kaffee, den die Leidende als „viel zu viel“ verweigerte.

      Dabei horchte er sehr vergnügt auf den Regen, der immer ungestümer gegen die Scheiben brauste, und sagte schmunzelnd: „Hör nur Klärchen, wie der Sturm heult! So ein Hundewetter, Blitz und Donner fast immer zugleich. Können wir lachen, dass wir jetzt nicht auf der Landstrasse sitzen. Das alles verdankst du doch nur dem Auto, und wie hast du zuerst darauf geschimpft! Netter Kerl, der Stormy! Ohne unser Schnauferl hätten wir ihn nie kennen gelernt! Da siehst du mal wieder, was das für eine menschenwürdige Erfindung ist!“

      Oberst Velan hatte in dem Rauchzimmer Laurits, dessen Möbel, Kronleuchter

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